Kategorien
Nördlich der A24

Kurz notiert – unterwegs im Nordkreis

Lesestoff: Seit kurzem gibt es frischen Lesestoff für geschichtsinteressierte Lauenburger. Unter dem Titel „Erdgeschichte des Herzogtum Lauenburgs“ ist die 33. Sonderveröffentlichung der „Lauenburgischen Heimat“ erschienen. Herausgeber der Zeitschrift ist der Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg. Erhältlich ist der neue Titel für 18,50 Euro im Kreismuseum Ratzeburg, im GeesthachtMuseum, im Elbschifffahrtsmuseum Lauenburg sowie in den Buchhandlungen Am Markt (Ratzeburg), Lesezeit (Schwarzenbek), Weber (Mölln) und LeseSpaß (Mölln). Vereinsmitglieder erhalten das Sonderheft kostenlos.

Opernzeit: Über Ludwig von Beethovens „Fidelio“ berichtet am Sonntag, 28. November, um 17 Uhr Kulturzeit aus Ratzeburg. Die Sendung befasst sich unter anderem mit der Entstehung, der Handlung sowie den einzelnen Ouvertüren des Stücks. „Fidelio“ ist die einzige Oper des Komponisten. Die Sendung wird am 1. Dezember um 9 Uhr wiederholt. Zu empfangen ist Kulturzeit auf der Frequenz 98,8 MHz (106,5 Kabel) und als Direktsendung im Internet unter www.okluebeck.de.

Jugendpflege: Ratzeburg hat einen neuen Stadtjugendpfleger. Die seit Monaten vakante Stelle übernimmt Peter Linnenkohl, ehemaliger Schulsozialarbeiter an der Ratzeburger Gemeinschaftsschule und an der Lauenburgischen Gelehrtenschule. Linnenkohl tritt die Nachfolge von Andreas Brandt an.

Kategorien
Auf einen Schnack

Stille Post

Wat wirklich intressant is, överdriggt sik vun Ohr to Ohr un steiht nich in de Zeitung – düsse Weisheit is so oolt as de Informatschoon sülvst. Un dorüm seten de ölleren Mannslüüd ok ohn Hoor bi’n Frisöör. Se harrn hier ´n wichtige Mission to erfüllen: Dat Opgriepen un Wiederleiten vun Nieigkeiten. Un natürlich ok dat Inspiesen vun wölcken, wenn se wat höört harrn. Wokeen sik ´n nie’et Huus buut hett und wat dat kost hett: An besten de genaue Opstellung vun de enkelte Posten: Inbuköök, Wahnstuvengarnitur plus Schappwand un Fardiggaraasch, ganz wichtig: Müssen se dorför Geld lehen un wenn jo, weer dat veel? Denn de heikleren Infos: Wokeen de Mann oder Fru weglopen is, worüm, wohen un mit wokeen. Dorbi geiht dat  lang nich bloots üm dat Verbreden vun Tatsaken, de een genau weten deit. Nee, willkamen sünd natürlich ok Vermoden. Dörpssnack, und dat warrt ok an düt Bispeel dütlich, is lang nich ümmer bloots harmlos, un dat Dörp gelegentlich eher ´n Haifischbecken as ´n Diek mit Goldfisch.

Thorsten Börnsen

Kategorien
Nördlich der A24

Die Entstehung des „Grünen Bandes“

Mit einem Filmprojekt erinnert das Grenzhus Schlagsdorf an das vor 75 Jahren zwischen Briten und Sowjets ausgehandelte Barber-Ljaschtschenko-Abkommen. In einem ersten Beitrag sprachen Grenzhus-Leiter Andreas Wagner und Kreisarchivarin Anke Mührenberg über das Ereignis. Der zweite Filmbeitrag beschäftigt sich mit der Entstehung des „Grünen Bandes“.

Der Filmemacher Ulrich Koglin begleitet eine Fahrradtour durch den ehemaligen Grenzraum, wo sich heute das Grüne Band erstreckt. Dabei besuchen die Radfahrer historische Orte, die an die Geschichte des Gebietsaustausches erinnern, mit denen sich Erzählungen und Dokumente verbinden. Im Ergebnis des Gebietsaustausches entstand eine neue Demarkationslinie zwischen Ratzeburger See und Schaalsee, aus der sich später die innerdeutsche Grenze entwickelte. Eine Initiative der anliegenden Ämter unter Koordinierung der Stadt Gadebusch zur Erinnerung an das Barber-Ljaschtschenko-Abkommen vor 75 Jahren konnte in diesem Jahr umgesetzt werden. Es entstanden in den betroffenen Dörfern Erinnerungsstelen, die Geschichten aus dieser Zeit erzählen. Auch darüber berichtet der Film und natürlich über die historische Landschaft, in der sich heutige Urlauber bewegen.

Foto: Gerd Hüfner

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kategorien
Nördlich der A24

„Mir fehlen die Krippenvorträge in den Kirchengemeinden“

Wie wohl die meisten Menschen hat sich auch Lothar Obst das Jahr 2020 ganz anders vorgestellt. Der 64-Jährige, der für die Lauenburgische Akademie regelmäßig Vorträge zur deutschen Geschichte hält, ist wegen der Covid-19-Pandemie in den persönlichen Lockdown gegangen. Die von ihm geplanten Vorträge – etwa über den Widerstand im Dritten Reich – hat er als Podcast präsentiert. Eine Berlin-Exkursion mit Besuch der Originalschauplätze des 20. Juli 1944 wurde abgesagt. Kurz vor Weihnachten meldet er sich nun mit einem Essay über die Entstehung des Adventskranzes zurück. Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit ihm über Adventsrituale, Weihnachten im Zeichen von Corona und über Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken. Obst, der ein leidenschaftlicher Krippensammler ist, wuchs in einem katholischen Elternhaus auf. 

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Obst, am kommenden Sonntag ist der 1. Advent. Was geschieht da bei Ihnen im Haus?

Lothar Obst: Da wird unser Adventskranz wie immer auf die gleiche Weise geschmückt und auf den Tisch gestellt. Meine Frau – wir kennen uns jetzt seit 40 Jahren – hat den Schmuck von ihrer Mutter übernommen. Dazu gehören noch diese ganz alten goldfarbigen Kerzenhalter aus Blech, die in den Kranz gesteckt werden. Die Kerzen sind immer rot. Dann kommen da noch vier rote Schleifen rum. Früher wurde dieser Kranz auf einen roten Ständer gehängt, der einen sternförmigen Fuß hatte. Da musste man genau austarieren, damit die Kerzen nicht unterschiedlich abbrannten. Aber das machen wir nicht mehr. – Seit ein paar Jahren besitzen wir außerdem eine sehr schöne mehrstufige Pyramide, die wir aus dem Erzgebirge bezogen haben.

KP: Bauen Sie die Sachen gemeinsam mit Ihrer Frau auf?

Obst: Meine Aufgabe ist es, die Sachen aus dem Keller zu holen. Meine Frau erledigt dann die Dinge im Wohnzimmer. Beim Raufholen der Pyramide hilft mir immer ein Bekannter. Das Ding ist sehr schwer und steht auf einem Podest, das insgesamt 1,80 Zentimeter hoch ist. Dann haben wir noch einen schönen Schwibbogen, der auf den Kamin kommt.

KP: Was ist ein Schwibbogen? Den Begriff habe ich noch nie gehört.

Obst: Das ist ein Leuchter mit kleinen Holzarbeiten wie der Dresdner Frauenkirche und den Häusern des Vorplatzes. Ein richtig schöner großer Bogen mit sechs oder acht Lämpchen. Wir beleuchten unsere Fenster alle mit solchen Bögen.

KP: Gibt es bei Ihnen – abgesehen vom Schmücken des Hauses – weitere Traditionen oder gar Rituale?

Obst: Ich habe eine große Futterkrippe und ein Jesuskind. Diese Krippe wird zum 1. Advent ein wenig geschmückt und leer in den Hausflur gestellt. Als unser Sohn klein war, hatten wir ein Wunschzettel-Ritual. Er schrieb auf einen Zettel, was er sich wünscht. Dieser Zettel kam ins Wohnzimmer auf die Fensterbank und wurde immer nachts von Engeln abgeholt. Engel kommen ja überall rein. In der Tür klemmte dann immer Engelshaar. Für den Kleinen war das der Beweis, dass ein Engel den Wunschzettel abgeholt hat. Bei mir fing der 1. Advent 15 Jahre lang damit an, dass ich einen Gottesdienst von Pastor Benedikt Kleinhempel* besuchte. Wir beide hatten uns bei der Arbeit kennen gelernt. Ich stellte in seinem Gottesdienst immer eine Krippe vor. Er hielt dann meistens über eine Figur dieser Krippe seine Predigt.

KP: Sie sagten gerade, dass Ihr Bekannter Ihnen beim Aufbau der Pyramide hilft. Gilt das auch angesichts der Pandemie und der staatlich verordneten Einschränkungen?

Obst: Mein Bekannter kommt trotzdem. Wir halten entsprechend Abstand. Das kriegen wir schon hin. Es geht ja nur darum, diese schwere Pyramide nach oben zu tragen. Ansonsten werden wir den Advent genauso feiern wie in den Jahren zuvor.

KP: So viel vermissen Sie also gar nicht?

Obst: Was mir fehlt, sind die obligatorischen Krippenvorträge in den Kirchengemeinden oder eine kleine Ausstellung. Sonst bin ich eigentlich jedes Jahr mit fünf, sechs Krippen unterwegs.

KP: Alles in allem geht es Ihnen aber gut?

Obst: Wir sind wohlauf. Wir halten uns zurück, was Besuch von Veranstaltungen anbelangt. Wir kommen zu Hause gut klar. Wir haben genügend Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Meine Frau ist von Haus aus eine Leseratte. Ich selbst muss sagen, ich habe noch nie so viel gelesen wie in diesem Jahr. Ich habe die Zeit genutzt, meinen Fundus über Weihnachten zu sichten und zu sortieren. Ich habe dann angefangen, eine große Abhandlung über das historische Weihnachten zu schreiben. 50 bis 60 Seiten habe ich bereits zu Papier gebracht. Aber klar: Die Kontakte fehlen uns. Die Geburtstage im Bekanntenkreis sind alle ausgefallen. Unser Sohn hatte während des Lockdowns im Frühjahr 30. Geburtstag und wir konnten ihn nicht in Frankfurt besuchen.

KP: Ist die aktuelle Lage nicht auch eine Chance, sich auf das Wesentliche des Festes zu besinnen – auf Christi Geburt?

Obst: Bestimmt. Zu Weihnachten gehören aber auch Weihnachtsmärkte, Weihnachtsbeleuchtung, ein schön geschmückter beleuchteter Tannenbaum auf dem Marktplatz. Weihnachten ist ja nicht nur christlicher Glaube, sondern auch Brauchtum. Ich möchte da nicht das eine vom anderen ausschließen. Manche sagen ja, das wird kommerzialisiert. Ich bin da viel reservierter und sage immer: leben und leben lassen. Jeder hat seine Art, das Fest zu begehen und darüber sollten wir uns nicht erheben. Weihnachten ist natürlich immer ein stärkendes Moment, wenn man sich auch darüber im Klaren ist, dass es um die Geburt Jesu geht. Das ist der Kern. Dazu gehören dann auch diese fröhlichen Arten, das Ereignis zu feiern. Ich bin ja katholisch, und die Katholiken sind sinnliche Menschen. Denen ist nichts Menschliches fremd.

KP: Könnte es nicht sein, dass die Botschaft in den letzten Jahren angesichts der mit Lebkuchen überquellenden Supermärkte, der blinkenden Fenster und der bunten Lichterketten zu kurz gekommen ist?

Obst: Da stimme ich zu. Das Elternhaus und die Schule müssen ihre Aufgaben wahrnehmen und religiöse Bildung vermitteln. Wenn ich an meinen Religionsunterricht zurückdenke – da kam der Pfarrer der Kirchengemeinde in die Schule. Als Junge fand ich die Geschichten, die er aus der Bibel erzählte, irre spannend – der Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Wanderung durch die Wüste, die Evangelien. Wenn ich das bei meinem Sohn eine Generation später sehe, da ging es mehr auf die humanitäre Schiene: Wir müssen gute Menschen sein. Wir müssen uns gut vertragen und tolerant sein gegenüber anderen. Das ist auch gut und gehört dazu. Aber der Bildungsteil kommt mir da zu kurz. Da geht über die Generationen ganz viel verloren. Der Anteil derer, die wissen, was Ostern und Pfingsten passiert ist, nimmt bei Umfragen ab.

KP: Religiöse Bildung führt nicht zwangsläufig zu größerem Glauben. Wir leben heute in einer säkularen Gesellschafft. Die Kirchen haben es da schwer. Was können Christen tun, um erfolgreicher gegen den Strom zu schwimmen?

Obst: Nach meinem Dafürhalten spricht die Kirche zu wenig von Gott. Das ist das Hauptmanko. Ich glaube nicht, dass die Katholische Kirche am Zölibat krankt oder daran, dass sie den Papst als Oberhaupt hat. In der evangelischen Kirche gibt es beides nicht, sie hat aber die gleichen Probleme. Die Kirchen müssen wieder zurück ins Kerngeschäft. Sie müssen einfach drüber sprechen und die Leute für das begeistern, was passiert ist.

KP: Apropos Katholiken und Protestanten. Gibt es eigentlich große Unterschiede zwischen den Konfessionen, wenn es um die Adventszeit und Weihnachten geht?

Obst: Nein, die sehe ich nicht. Einige Bräuche sind im protestantischen Bereich verwurzelt. Zum Beispiel der wunderbare Adventskranz von Wichern mit seinen vier weißen Kerzen für die Sonntage und den kleinen Kerzen für die Werktage. Interessant ist auch, dass sich Brauchtum verändert. Luther konnte mit dem Nikolaus nicht viel anfangen. Er hat ihn für eine „verkitschte Person“ gehalten. Was ja auch stimmt. Er ist von einem überzeugten Mann zu einem frömmelnden Heiligen abgeschliffen worden. Bei Luther ist das Christkind als Gabenbringer gekommen. Das Christkind ist eigentlich eine lutherische Tradition. Der Weihnachtsmann ist eher eine katholische Tradition, die erwachsen ist aus dem Nikolaus. Das hat sich in Deutschland völlig verändert. Heute finden wir das Christkind mehr in den katholischen Gegenden und den zum Weihnachtsmann mutierten Nikolaus mehr in protestantischen Bereichen. Aber das sind mehr so Gebräuche, inhaltlich gibt es da überhaupt keinen Unterschied.

KP: Ich möchte zum Schluss noch mal auf Weihnachten 2020 unter dem Vorzeichen der Pandemie zurückkommen. Glauben Sie, dass es die Menschen dazu bringen wird, stärker über Gott und den christlichen Glauben nachzudenken? Schließlich dürfte es in diesem Jahr kaum Veranstaltungen geben.

Obst: Zumindest ist die Chance da, dass man von diesen Veranstaltungen um Weihnachten herum, nicht abgelenkt wird, das Wesentliche zu betrachten. Ob das dazu führen wird, dass man sich des Wesentlichen bewusster ist und vielleicht sogar Neugierde daraus entsteht – ich glaube, so stark wird diese Corona-Einschränkung nicht wirken. Dazu gibt es einfach insgesamt zu viele gesellschaftliche Entwicklungen, die die Menschen immer weiter weg von Religion und Gott geführt haben.

KP: Herr Obst, ich danke Ihnen für das Gespräch.

* Benedikt Kleinhempel war Pastor in der evangelisch-lutherischen Gemeinde Schönningstedt-Ohe (Reinbek). Obst leitete 19 Jahre lang als kaufmännischer Direktor das katholische Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift. Die beiden Männer begegneten einander im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeiten.

Kategorien
Nördlich der A24

Die Kerzen des Johann Hinrich Wichern

Die historischen Wurzeln des Adventes (adventus Domini = Ankunft des Herrn) liegen im 6. Jahrhundert. Papst Gregor der Große (590 – 604) hatte die vier Adventssonntage festgelegt, Karl der Große bestand 200 Jahre später auf vier volle Adventswochen. Schließlich wurde der Streit über die Länge der Adventszeit auf einer Synode im Kloster Limburg 1038 entschieden und durch das Konzil von Trient (1543-1563) sowie 1570 durch Papst Pius V. in der auch heute noch geltenden Form bestätigt. Der Adventskranz ist dagegen wesentlich jünger, noch nicht einmal 200 Jahre alt.

Am 21. April 1808 wurde in Hamburg Johann Hinrich Wichern als ältestes von sieben Geschwistern geboren. Gerade einmal 15 Jahre alt, da starb sein Vater und der älteste Sohn musste – wie in ähnlichen Situationen anderer Familien – die Versorgung der sechs Geschwister übernehmen. In Berlin und Göttingen studierte er Theologie und war ab 1832 im Hamburger Stadtteil St. Georg als Lehrer tätig.

Industrialisierung, Landflucht, Bevölkerungszunahme in den Städten, schwierigste Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnisse und daraus resultierend die Verarmung und Verelendung der Stadtbevölkerung wurden zum alltäglichen Begleiter Wicherns, woraus er seine ganz persönlichen Konsequenzen für sein berufliches Engagement zog. So gründete er schon 1833 mit Unterstützung des Hamburger Senats in einer alten reetgedeckten Kate in Horn, damals noch weit vor der Stadt, ein Rettungshaus für verwaiste und verwahrloste Kinder aus den Elendsvierteln der Stadt. Anfangs wurden 14 Jungen im Alter zwischen fünf und 18 Jahren betreut. Im „Rauhen Haus“, wie die Einrichtung später genannt wurde, erhielten sie nicht nur Unterkunft und Verpflegung, sondern auch Schulunterricht und eine Ausbildung.

Wichern sorgte auch für die Ausbildung der Ausbilder, indem er darüber hinaus das Bruderhaus errichtete. Sein Konzept aus sozialer Betreuung, Schule und Ausbildung der Schützlinge und gleichzeitiger Ausbildung der Diakone fand zunehmend Nachahmer und so wurde Wichern zum Vordenker des späteren Centralausschusses für die innere Mission der evangelischen Kirche, aus der die Diakonie hervorging.

Im Rauhen Haus in Hamburg-Horn lag auch der Geburtsort des Adventskranzes. Es war Wicherns ebenso einfache wie zugleich geniale Idee, seinen Schützlingen mit einer handhabbaren Zählhilfe im Advent die Zeit bis zum Heiligen Abend anschaulich zu verkürzen. Dazu nahm Wichern ein hölzernes Wagenrad und besteckte es mit Kerzen für jeden Tag vom ersten Adventssonntag bis zum 24. Dezember, dabei vier weiße für die Sonntage und entsprechend viele für die Werktage dazwischen. So konnten die Kinder und Jugendlichen sehen und zählen, wie viele Kerzen noch nicht brannten und ebenso viele Tage waren es dann noch bis Heiligabend.

„Was gucken die Knaben- und Mädchenaugen so lustig zum Kronleuchter empor? Oh, was sie da sehen, kennen sie wohl. Auf dem Kranz brennt das erste Licht, weil heute der erste Adventstag ist. Brennt der volle Kranz mit allen Lichtern, dann ist er da, der Heilige Christ in all seiner Herrlichkeit“, notierte Wichern. Anders als der Adventskalender mit seinen 24 Fenster für die Zeit vom 1. bis 24. Dezember orientierte Wichern sich an der Adventszeit. Und da diese unterschiedlich lang ist, hatte sein Wagenrad eben auch zwischen 22 und 28 Kerzen. Im Jahr 1839 stellte Wichern das Wagenrad zum ersten Male auf und es war zunächst nicht mit Tannengrün geschmückt. So hat der Adventskranz eben auch keinen germanischen Ursprung, wie mancherorts zu lesen ist, wenn wir ihn heute aus Tanne gebunden kennen. Denn auch diese Ausgestaltung geht auf Wichern zurück. Etwa um 1860 ließ er das Wagenrad mit Tannengrün bestücken.

Vom Rauhen Haus in Hamburg-Horn aus trat der Adventskranz seinen Siegeszug durch ganz Deutschland an, zunächst in die evangelischen Kirchen und anschließend zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die katholischen Gotteshäuser. Und er fand seinen Weg auch in die privaten Wohnungen, wo er aus Platzgründen und wegen der Wärmeentwicklung der vielen Kerzen auf vier Kerzen für die vier Adventssonntage verkleinert wurde, so wie wir ihn heute kennen. Aber auch Kränze in der Originalversion Wicherns finden wir weiterhin: Natürlich im Rauhen Haus, dann aber auch im Hamburger Rathaus und der Stadtkirche St. Michael (Michel), eine besonders große Ausgabe mit 1,5 Tonnen Gewicht im Lüneburger Wasserturm und schließlich im Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude von Berlin. Und mit etwas Mühe findet man auch einen Tischlermeister, der ein Wagenrad mit 28 Löchern zur Aufnahme der maximalen Kerzenzahl fertigt – vorausgesetzt die Größe des eigenen Heimes lässt eine Aufstellung und vor allem Benutzung zu. Hilfsweise kann man ja das Abbrennen der Werktagskerzen auslassen und sich auch so an diesem schönen Adventsbrauch erfreuen, den uns der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881) aus der Hansestadt Hamburg bescherte.

Anders als der Adventskranz hat der Adventskalender mit seiner immer gleichen Größe von 24 Fenstern für die Kalenderzeit vom 1. bis 24. Dezember keinen kulturell christlichen Ursprung. Er stammt aus dem Buchdruckerhandwerk Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.

Lothar Obst

Kategorien
Nördlich der A24 Südlich der A24

Licht und Dunkelheit

Es ist November. Es ist dunkel. Es ist die Zeit, in der sich die Sonne rarmacht. Kein Problem für einen Norddeutschen. Wir wissen ja, was auf uns zukommt. Geht man halt ins Solarium. Oder man trifft sich nach Feierabend mit Freunden auf ein Bier. Oder man geht irgendwo anders hin. Ins Kino, ins Theater. Wohin auch immer. Und am letzten November-Wochenende beginnt dann der Adventtrubel.

Normalerweise. Aber was ist in diesem Jahr schon normal? Der Advent, der auf die Weihnacht und damit auf das freudige Ereignis der Geburt Christi abzielt, wird sich 2020 vor allem in den heimischen vier Wänden abspielen. Die Solarien haben seit Anfang November zu. Kinos und Theater sind ebenfalls dicht. Ein Großteil der Weihnachtsmärkte ist bereits abgesagt.

Ein Winter ohne künstliche Vitamin D-Tankstelle ist ja Ok. Aber ein Advent ohne gemeinsamen Punsch, ohne Klönschnack und ohne Weihnachtslieder? Da wird’s dann zappenduster.

Was kann man tun – außer den Nadelbaum im Garten mit einer Lichterkette zu versehen, Sterne in die Fenster zu hängen und das Wohnzimmer festlich zu schmücken?

Eine Frage, auf die jede(r) Einzelne von uns 2020 eine Antwort finden muss. Covid-19 zwingt uns, zu (Über-)Lebenskünstlern zu werden. Dafür tanzen wird eine Art „Pandemie-Twist“. Wir drehen, wenden und winden uns. Wir versuchen das Virus in Schach zu halten. Und noch während wir das tun, drängt es uns, unter Menschen zu sein. Plötzlich ziehen sich Diensttelefonate hin. Auf der Straße kommen Passanten ins Gespräch. Der Gang zum Bäcker wird zum emotionalen Lichtblick. Ja, und wenn dann der Nachbar in der Tür steht, bitten wir ihn herein.

Die Sehnsucht aus der Dunkelheit herauszufinden – sie bahnt sich ihren weg, wann immer sie Gelegenheit dazu hat. Sie lässt sich von einem Virus nicht beherrschen. Das sollte uns Hoffnung machen.

Kategorien
Ausstellungen

„Opfer rechter Gewalt“

Noch bis zum 24. November ist die Wanderausstellung „Opfer rechter Gewalt seit 1990“ an der Gemeinschaftsschule Mölln zu sehen. Wegen der Pandemie ist die Dokumentation an den Fenstern der Mensa angebracht worden. Besucherinnen und Besucher können Bilder und Beschriftungen von außen betrachten. Zu den Organisatoren der Schau gehören Jörg-Rüdiger Geschke, Kreisfachberater für kulturelle Bildung, Lars Frank von der Stadt Mölln und der Verein „Miteinander leben“.

Die Ausstellung spürt dem Schicksal von 183 Menschen nach, die in der Bundesrepublik aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer klaren Haltung gegenüber Nazismus und Rassismus ermordet wurden. Die Zeit, in der die Dokumentation zu sehen ist, überschneidet sich nicht zufällig mit dem Jahrestag der Möllner Brandanschläge. Am 23. November 1992 fielen drei Bewohnerinnen der Stadt Mölln einem rechtsextremistischen Anschlag zum Opfer.

„Wir haben diese Ausstellung schon lange geplant, aber es hat nie geklappt“, sagte Geschke den Lübecker Nachrichten. Dank seines Engagements und des Einsatzes von Lars Frank ist es nun doch gelungen.

Kategorien
Aus der Stiftung

„Kultur & Corona – was tun in der Krise?“

Die Kultur steckt wegen der Pandemie in einer tiefen Krise. Wie schon im Frühjahr können aktuell keine Veranstaltungen stattfinden, haben Museen, Theater, Kinos und Konzertsäle geschlossen. Was tun? Wie kann es weitergehen? Dieser Frage widmet sich das Glaspalastgespräch am Donnerstag, 19. November, im Möllner Stadthauptmannshof. Los geht es um 19 Uhr.

Die Glaspalastgespräche finden seit vier Jahren als Netzwerkinitiative statt. Der Raum im Herrenhaus des Stadthauptmannshofes wird wegen seiner großflächigen Glaswand liebevoll „Glaspalast“ genannt. Im Rahmen der Kulturknotenpunktarbeit steht dieser Name symbolisch für Transparenz, Vernetzung und Förderung eines gedanklichen Austausches aller Kulturinteressierten.

Neben Informationen zur aktuellen Entwicklung des Kulturknotenpunktes erhalten die Teilnehmer an diesen Abenden die Möglichkeit, sich und ihre Tätigkeit vorzustellen, andere Kulturschaffende kennen zu lernen und gemeinsame Interessen zu entdecken. Anmeldung unter Tel. 04542-87000 oder info@stiftung-herzogtum.de ist erwünscht.

„Kultur & Corona – was tun in der Krise?“, Glaspalastgespräch, 19. November, Herrenhaus, Stadthauptmannshof, Hauptstraße 150, Mölln, 19 Uhr

Kategorien
Nördlich der A24

Filmprojekt zum Barber-Ljaschtschenko-Abkommen

Mit einem Filmprojekt erinnert das Grenzhus Schlagsdorf an das vor 75 Jahren zwischen Briten und Sowjets ausgehandelte Barber-Ljaschtschenko-Abkommen. In einem ersten Beitrag sprechen Grenzhus-Leiter Andreas Wagner und Kreisarchivarin Anke Mührenberg über das Ereignis. Die Fragen stellt Heike Götz (NDR). Die Veröffentlichung weiterer Filme ist im Wochenrhythmus geplant.

In diesem Jahr haben die Ämter Rehna, Gadebusch, Zarrentin und Lauenburgische Seen, koordiniert von der Stadt Gadebusch, ein Erinnerungsprojekt zum Gebietsaustausch gestartet. In Zusammenarbeit mit dem Grenzhus Schlagsdorf entstand eine Wanderausstellung. Wegen der Pandemie-Einschränkungen ist diese nicht zugänglich. Zudem kann die geplante Jubiläumsveranstaltung in Gadebusch nicht stattfinden. Deshalb wurde durch die TV-Film-Nord GmbH und dem Regisseur Ulrich Koglin ein Filmprojekt entwickelt.

Worum geht es? Am 13. November 1945 unterzeichneten die beiden Generalmajore Colin Muir Barber und Nikolai G. Ljaschtschenko in Gadebusch die Vereinbarung über einen Gebietsaustausch zwischen der britischen und der sowjetischen Besatzungszone. Die Gebiete A und B mit den Gemeinden Dechow, Thurow und Lassahn wechselten von der britischen zur sowjetischen Besatzungszone und umgekehrt kam das Gebiet X mit den Gemeinden Ziethen, Mechow, Bäk und Römnitz von der sowjetischen Besatzungszone in die britische. Dieser Gebietsaustausch hatte langfristige Folgen für die Menschen, die teilweise bis nach der deutschen Einheit andauerten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Das Filmprojekt wurde gefördert durch die Staatskanzleien von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, dem Landkreis Nordwestmecklenburg, der Stadt Gadebusch, der Landeszentrale für politische Bildung M-V, der Kreissparkassenstiftung Herzogtum-Lauenburg, der Stiftung der Sparkasse Mecklenburg-Nordwest, dem Förderverein Biosphäre Schaalsee, dem Filmclub Burgtheater Ratzeburg e. V. und Politische Memoriale e. V.

Kategorien
Nördlich der A24

„Claudia Bormann weitet ihren Blick immer wieder aufs Neue“

Der diesjährige Kulturpreis der Stiftung Herzogtum-Lauenburg geht an die Künstlerin Claudia Bormann. Als Zweite Vorsitzende des BBK Schleswig-Holstein freue ich mich sehr über das Engagement der Stiftung, die mit der Verleihung des Kulturpreises Kunst- und Kulturschaffende in unserem Land unterstützt.

Es freut mich besonders, dass mit Claudia Bormann eine Künstlerin geehrt wird, die seit vielen Jahren aktives Mitglied in unserem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler ist.  Claudia Bormann nimmt seit 1994 regelmäßig an der jährlich stattfindenden Landesschau, an der Schau der 1000 Bilder sowie an weiteren Ausstellungen des BBK teil.  2017 erhielt sie den Publikumspreis der BBK-Landesschau in der Stadtgalerie Kiel.

Claudia Bormann hat ihre Malerei in den letzten 20 Jahren zu einem umfangreichen, eigenständigen Werk entwickelt. Ausgehend von Kohlezeichnungen und stark abstrahierten Schwarzweißmalereien ist eine Kunst entstanden, die die freie künstlerische Geste mit einer hochentwickelten Technik impressionistischer Darstellung verknüpft.

Die großformatigen Malereien fesseln den Betrachter auf unterschiedlichen Ebenen. Beim Anblick der Bilder erlebt man zunächst das Moment der Wiederkennung einer landschaftlichen Situation. Eine Spiegelung auf dem Wasser, eine Anordnung von Bäumen am Ufersaum, Lichtstimmungen einer bestimmten Witterung. Die Landschaften strömen Ruhe aus und Intimität, ein eng gefasster, naher Bildausschnitt macht den Blick zu etwas Persönlichem, Privatem.

Betrachtet man das Bild weiter oder tritt näher an es heran, scheint eine weitere Lesart des Bildes auf: Man sieht plötzlich die Malerei, die auf der zweidimensionalen Fläche stattfindet. Man vergisst Abbildhaftigkeit, Illusion und Tiefenraum und findet sich in einem ungegenständlichen Bild wieder: Große, mutige Pinselstriche, kontrastierende Farbsetzungen, Verläufe und Verwischungen treten dem Betrachter als  reine Malerei vor Augen. Wir spüren die Sogwirkung einer Farbfläche, folgen mit dem Blick den Bewegungen des Pinselduktus, genießen die Freiheit pastos gesetzter Farbe, um im nächsten Moment in der Transparenz lasierender Farbschichten zu versinken. Die spannungsreiche Bildkomposition führt unseren Blick durch das abstrakte Bild wie durch eine zweite Landschaft, die nur in der Malerei besteht.

Diese simultane Erfahrung in der Wahrnehmung begründet wohl den anhaltenden Erfolg, den Claudia Bormanns Kunst genießt. Ihre große, technische Perfektion ist die Voraussetzung für das Schaffen dieser wirkmächtigen Bildsprache.

Die Künstlerin präsentiert ihre Malerei seit vielen Jahren in anspruchsvollen Einzel- und Gruppenausstellungen. Beispielhaft genannt seien hier Ausstellungen  im Ratzeburger Kreismuseum, im Möllner Museum, im  Ostholstein-Museum Eutin, im Hafenmuseum Bremen und in der Sparkassenstiftung Kiel. Zahlreiche Ausstellungen in Galerien sowie Ankäufe öffentlicher Sammlungen unterstreichen die große Wertschätzung, die Bormanns Kunst in Fachkreisen genießt.

Claudia Bormann entwickelt ihre Malerei stetig weiter. Sie entwirft für bestimmte Ausstellungsformate eigene Bildserien. So hat sie für die Ausstellung „Verwehte Orte“ im Landesmuseum Schloss Gottorf einen umfangreichen Bildzyklus geschaffen, der sich mit der Geschichte des Ortes befasst und seine untergegangene Vergangenheit in neuen Bildschöpfungen aufscheinen lässt.  

Claudia Bormann weitet ihren Blick immer wieder aufs Neue. Sie öffnet sich, betritt unbekanntes Terrain und findet so die Sujets für ihre Kunst.

Mehrmonatige Arbeitsaufenthalte haben die Künstlerin in den letzten Jahren nach Südafrika, nach Island, nach Brasilien und Indien geführt. Diese Reisen gestaltet Bormann in ganz bestimmter Weise,  welche charakteristisch für ihre  Haltung ist: Sie begegnet dem Ort und den Menschen mit größtmöglicher Offenheit.

Sie beobachtet, wie der Regen am Amazonas die Landschaft unter Wasser setzt und eine amphibische Welt entstehen lässt. Diese „Zwischenwelt“, wie sie es nennt, wird später zum Thema einer ganzen Werkreihe. Sie aquarelliert, fotografiert, lässt sich Zeit. Sie setzt sich stundenlang an die Ghats in Varanasi in Indien, und lässt sich von Menschen und Natur einnehmen. Besuche von Yoga-Zentren und Vorlesungen an der dortigen Universität tragen ebenso zu ihren Eindrücken bei wie Gespräche über Kunst mit ortsansässigen Künstlern. Claudia Bormann grenzt sich nicht ab, sie lässt sich ein. Sie kommt an einen Ort nicht mit vorgefertigten Erwartungen. Sie setzt sich dem Leben aus und versucht, die Erfahrungen in neue Bildfindungen zu gießen.

Dabei betrachtet sie alles Gesehene mit dem Blick der Malerin. Wo bilden Farben und Formen eine interessante Komposition, wo entsteht ein aussagekräftiges Zusammenspiel von Bildgegenständen?

Das Formale spielt bei all dem immer eine Rolle. Aber Bormann bleibt bei der Auswahl ihrer Motive nicht beim Formalen stehen. Die Wasserbassins der Ghats in Indien sind Orte des religiösen Rituals. Hindus aus dem ganzen Land pilgern dorthin, um sich zu reinigen, um zu opfern oder um ihre Angehörigen in Feuerbestattungen am Ganges zu verbrennen. Claudia Bormann beobachtet, was Menschen bewegt und leitet. Und so finden die religiösen Rituale Einzug in Bormanns Bilder: In den hier ausgestellten Werken „Sunken Idols I“  und „Sunken idols II“ aus den Jahren 2019 und 2020  sehen wir den Ausschnitt eines solchen Wasserbassins, in den die Menschen Figuren, Schmuck und Blütenblätter als Ausdruck ihrer religiösen Demut geworfen haben. Die Spur ihres Tuns wird zum Bildinhalt bei Bormann.

Claudia Bormann betrachtet das Heilige und das Profane mit der gleichen, wertfreien Offenheit: das Opferritual in heiligem Wasser verfolgt sie mit gleichem Interesse wie die Verhandlungen über den Holzpreis, die am selben Ort geführt werden. Sie sieht die ins Wasser geworfenen Blüten- und Schmuckopfer mit demselben Blick wie die im Wasser umhertreibenden Plastiktüten. Alles nimmt Bormann in ihre Bildwelt auf und lässt es nebeneinander bestehen.

In der Bildserie „Sunken idols“ wird somit beides sichtbar: Claudia Bormanns Blick auf die Menschen und das, was sie ausmacht sowie ihr untrügliches Gefühl für formal spannende Bildfindungen.

Leuchtende, buntfarbige Erscheinungen der Wasseroberfläche erstrahlen neben verwischten, eingetrübten Bildstellen, die einen Blick in die Tiefe des Wassers freigeben. Nach kurzer Distanz ist diese dem einfallenden Licht und unserem Blick entzogen. Versunkenes, Vergangenes wird mehr zur Ahnung als zum gesehenen Objekt. Uns so entsteht beim Betrachten von Bormanns Bildern immer auch das Moment des Zurückgeworfenseins auf uns selbst  und unsere Vorstellungskraft. Wir werden aufmerksam auf das, was unter der Oberfläche liegt und sich unserem Blick entzieht. Im Gewahrwerden, dass unser Blick immer nur einen momentanen Eindruck einfängt, ohne das Ganze zu sehen, kann der Betrachter in der Auseinandersetzung mit  Bormanns Kunst selbst zu einer demütigen Haltung finden.

Elke Schweigart (Berufsverband Bildender Künstler)