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„Flüchtlinge kommen, um zu überleben“

Rockig fing er an und so endete er auch: Der Michaelisempfang in der St.-Petri-Kirche Ratzeburg. Zahlreiche Gäste aus Politik, Gesellschaft und Kirche mit der Frage nach Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Die „Kirchenband“ sorgte für Auflockerung in dem ernsten Thema.

„Eine andere Jahreszeit ist angebrochen. In diesem Wechsel erinnert der Michaelistag am 29. September an den Erzengel Michael. Michael kämpft mit dem Drachen, so lesen wir es in der Bibel“, begrüßte Pröpstin Frauke Eiben die Besucher. Die immerwährende Auseinandersetzung mit dem Drachen stehe für das Ringen um Gut und Böse – und auch um das Ringen für Gerechtigkeit. „Michael erinnert uns an Gottes Macht über Kälte und Unbarmherzigkeit, an seine Wegbegleitung und ruft uns die guten Mächte in den Blick. Auch die guten Kräfte in jedem von uns“.

Dass es ohne Gerechtigkeit in unserer Welt nicht gehe, ist sich Pröpstin Eiben sicher: „Gerechtigkeit ist ein Grundwort der christlich-jüdischen Tradition. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bücher der Bibel. Sie ist Geschenk Gottes an seine Menschen, sie ist Weisung und Maßstab für unser Denken und Handeln, sie ist Ziel und Inhalt der Predigt Jesu und ruft uns auf zu bedenken, wie wir einander gerecht werden“. Die Pröpstin zitierte den Theologen Gerhard von Rad: „Es gibt im Alten Testament keinen Begriff von so zentraler Bedeutung schlechthin für alle Lebensbeziehungen des Menschen wie den der Gerechtigkeit. Er ist der Maßstab nicht nur für das Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern auch für das Verhältnis der Menschen untereinander bis hin zur belanglosesten Streiterei, ja auch für das Verhältnis des Menschen zu den Tieren und zu seiner naturhaften Umwelt“.

„Für mich eine wunderbare Definition. Wo immer die Beziehungen in eine Schieflage geraten sind: zu anderen Menschen, zur Mitwelt, zur Gemeinschaft, zu mir selbst und zu Gott kommt es darauf an, darum zu ringen, dass es wieder richtig wird. Und ich vermute, sie teilen meine Sorgen, dass es in unserem Land und in unserer Welt eine ganze Reihe von Beziehungen gibt, die in Schieflage geraten sind“, so Frauke Eiben. Mit St. Michael müsse es darum gehen, gegen die Drachen der Zeit Angst, Neid, ungebremstes Mehr-haben-wollen, Hass und Fremdenfeindlichkeit zu kämpfen“. Auch in Beziehungen sei ein eine lebenslange Aufgabe, an der Gerechtigkeit zu arbeiten.

Mit Uta Röpcke, Flüchtlingskoordinatorin im Kreis Herzogtum Lauenburg, Professor Dr. Frank Rose, Leiter des Amtsgerichtes in Ratzeburg, Dirk Petersen, Bürgermeister in Wentorf und Frank Tews, Mitarbeiter der Schuldnerberatung im Diakonischen Werk Herzogtum Lauenburg, ging die Pröpstin in eine Diskussion über Gerechtigkeit. „Fünfzehn Prozent der Weltbevölkerung haben nicht genug zu essen“, so Uta Röpcke. Flüchtlinge würden aus einem einfachen Grund nach Deutschland oder Europa kommen: Um zu überleben. „Um sie besser zu integrieren, muss aber noch viel geschehen – politisch wie gesellschaftlich“. Frank Rose sprach darüber, wie Juristen der Gerechtigkeit im Alltag ihren Weg bahnen können: „Dafür legen wir einen Eid ab“. Doch auch sie stoßen in der Praxis an ihre Grenzen. Dass auch Kommunen sich an Gerechtigkeit beteiligen können, berichtete Dirk Petersen: „Wir wollen eine Fairtown-Gemeinde werden und damit einen kleinen Beitrag für die Gerechtigkeit in der Welt leisten“.

„Ich verzeichne pro Jahr rund eintausend überschuldete Ratsuchende“, so Frank Tews. Das seien zehn Prozent der der Einwohner im Kreis. Er verwies darauf, dass ökonomische Gerechtigkeit oft von der Bildung abhänge. So habe er aktuell einen Fall, in dem ein dreijähriges Kind der Kita-Platz gekündigt wurde – die Eltern können das Geld nicht bezahlen. „Diesem Kind wird vom Beginn seines Lebens die Armut weitergeben“.

Dass in Gesellschaft, Staat und Kirche noch einige Anstrengungen nötig sind, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, waren sich die Diskutierenden einig.