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Aus der Stiftung

Flammende Appelle für eine bessere Welt

Schon als Junge legte Ebrahim Sharghi gerne Feuer. In Windeseile fegten die Flammen über das Papier und verwandelten die Welt, so wie er sie sah, in Kohlestriche. Blumen, Sträucher, Menschen, Tiere, Gebäude. Nichts war vor ihm sicher.

Damals in den Straßen von Teheran entdeckte der kleine Ebrahim seine „Lust am Zeichnen“, die ihn bis heute nicht verlassen hat. „Da brennt was“, sagt er und holt einen kleinen Block mit Skizzen hervor. Zwei Minuten brauche er für eine Zeichnung. – Wenn er einen Bleistift zur Hand hat. Mit dem Kugelschreiber funktioniert es nicht.

Die flammenschlagende Skizze. Es ist das Staunen über die Welt und der Versuch, sie auf Papier zu bannen. Eine Selbstvergewisserung, dass das, was er sieht, auch da ist. Dass diese Form, sich dem Hier und Jetzt zu widmen, etwas Besonderes sei, sei ihm nicht klar gewesen, meint Ebrahim Sharghi. „Ich war in der Schule zwar der Beste im Fach Kunst, aber ich dachte, das Talent dafür haben alle.“ Auch habe er als Kind nicht darüber nachgedacht, was das eigentlich ist – Kunst.

Die Zeit dafür findet er schließlich an der Universität. Aus dem Jungen, der einfach loslegt, wird ein Kunststudent. Ein Meister seines Fachs bringt ihn voran. Er lernt – will sich an alles heranwagen, kein Motiv auslassen und muss feststellen: Im Reich der Mullahs, die mittlerweile das Land regieren, geht das nicht. Das Training, dem er sich verschrieben hat, um sich weiter zu entwickeln, fällt aus. Wie, fragt er sich, könne er da den nächsten Schritt machen: eine Kunst erschaffen, die den Menschen etwas sagt?

Ebrahim Sharghi kehrt der Heimat den Rücken und geht nach Deutschland. Mehr als zwei Jahrzehnte später sitzt er an einem grauen Novembertag im Möllner Stadthauptmannshof und spricht über seine Arbeit, für die ihn die Stiftung Herzogtum Lauenburg mit dem Kulturpreis 2018 auszeichnet. Die Freude darüber ist groß. Sie steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er staunt wie ein kleiner Junge. Ich? Ich soll den Preis bekommen? Ja, er soll, er wird. Am kommenden Sonnabend ist es so weit.

Die Aussicht, plötzlich so in der Öffentlichkeit zu stehen, setzt dem 53-Jährigen ein wenig zu. Man möchte ihm zurufen: Nur Mut, es wird schon. Aber man weiß es ja von sich selbst, die Nervosität – Vorbote des unbekannten Terrains – lässt sich nicht besprechen wie eine Warze.

Immerhin lenkt das Gespräch hier ein wenig von dem großen Ereignis ab. Momentan arbeite er mit den Kittlitzer Bürgern an einem Friedensschild. Es sei das Dritte, das im Kreis Herzogtum Lauenburg entstehe. In Ratzeburg gebe es schon eins. Und in Mustin. „Wir wollen den Ort und seine Kultur schätzen“, sagt Ebrahim Sharghi.

Kittlitz – was ist das überhaupt? Mit Bürgern recherchiere er über die Geschichte und Sehenswürdigkeiten des Ortes. Dabei gehe es nicht um die bloße Darstellung und Anhäufung von Fakten, sondern darum, gemeinsam Entwicklungen zu Tage zu befördern, die im Alltag verschütt gegangen seien. „Wir entscheiden alles zusammen“, betont er. „Die Farbe, die Platzierung. So bekommen die Leute eine größere Beziehung zu dem Projekt.“

Gemeinsam die Welt schöner machen, damit möchte Ebrahim Sharghi einen Kontrapunkt gegen die Gewalt setzen. Gewalt geht für ihn vom Individuum aus. Täter ist immer der Einzelne. Ob nun im Syrischen Bürgerkrieg oder bei einem Selbstmordanschlag wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016.

Die Brandherde dieser Welt machen ihm zu schaffen. Jahre lang haben sie in ihm gearbeitet. Warum gehen wir Menschen nicht respektvoller miteinander um – wie wir es beispielsweise mit der Rose tun, fragt er sich. Diese Blume sei so prächtig, dass wir ihre Dornen nicht so ernst nehmen. Ebrahim Sharghi hat seinen Weg, seine Idee gegen die sich immer weiter hochschaukelnde Gewaltspirale gesucht und schließlich in seinem Friedensschild-Projekt gefunden.

Dieser Weg hat ihm nun den Kulturpreis der Stiftung Herzogtum Lauenburg eingebracht. Für ihn ist das Ansporn, nicht müde zu werden und weiter zu machen. Seine Idee endet dabei mitnichten an den Grenzen des Kreisgebietes. „Ich denke nicht lokal, sondern global“, stellt der Preisträger klar. Gerade habe er den Chemnitzer Bürgermeister wegen eines Friedensschildes angeschrieben.

Weitere Links und Infos zur Kulturpreisverleihung 2018:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/19/kunst-zeichen-fuer-den-frieden/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/19/von-karl-lorenz-bis-ebrahim-sharghi/

Außerdem gibt es unter www.kulturportal-herzogtum.de unter der Rubrik Blitzlichtgewitter noch eine Bildergalerie zur Preisverleihung.