Die Gruppenausstellung versammelt künstlerische Arbeiten mit unterschiedlichen thematischen
Ansätzen und Medien, doch die Positionen vereint ein tief verwurzeltes künstlerisches
Arbeitsprinzip: das Untersuchen, Beobachten, Überprüfen oder Reflektieren der eigenen Umwelt
und Innenwelt, um zu neuen Erkenntnissen, zu neuem Wissen zu gelangen, aber auch die
Reflexion der Arbeitsweise selbst. Künstlerische Wahrnehmung und Produktion sind dabei eng
miteinander verknüpft, wie auch das Wechselspiel von Kunstwerk, Ort und Betrachterinnen. Eigene Erfahrungen und Handlungen beeinflussen die individuelle Rezeption, Interpretation und Reaktion. So eröffnen die künstlerischen Arbeiten der Ausstellung „There is another me in the world“ viele verschiedene Beziehungen zwischen der Welt und dem Selbst bzw. ermöglichen es jedem, sich selbst in Beziehung zur Welt und den gezeigten Arbeiten zu setzten. Die Ausstellungskooperation von Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg und Gallery Cubeplus, Kiel vereint aktuelle Künstlerinnen der Gallery Cubeplus und Stipendiatinnen des Künstlerhauses Lauenburg, sowie ehemalige Absolventinnen der Muthesius Kunsthochschule.
Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg, Elbstrasse 52/54, 21484 Lauenburg/Elbe
Hannes Fleckstein
Die technologischen Entwicklungen haben mittlerweile zu einem »hyperrealen« Zustand geführt,
in dem virtuelle Bilder ohne Bezug umher zu schweben scheinen. Ausgehend von dieser
Beobachtung und dem eigenen Bildkonsum untersucht Hannes Fleckstein die enge Verknüpfung
unserer Lebensrealität mit den gegenwärtigen technologischen Entwicklungen – eine Kultur des
Digitalen. Hierzu gehört das Ringen um Aufmerksamkeit und die Wechselwirkung zwischen
Anonymität und Prominenz in sozialen Netzwerken. Dieses Spannungsverhältnis zeigt er unter
anderem durch das Einbinden des eigenen Selbstbildes, sowie der Verwendung der Ästhetik von
Social-Software-Interfaces auf – Schnittstellen, die menschliche Kommunikation und Interaktion
zusammenführen. Das Bild- und Tonmaterial wird gesammelt, zersetzt und in installativen wie
performativen Videoarbeiten neu kombiniert.
Hannes Fleckstein studierte bis 2022 an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und von
2019-2020 an der Kunstuniversität in Linz. Er lebt und arbeitet in Kiel.
Melina Bigale
Die künstlerische Praxis von Melina Bigale setzt sich mit der Lebens- und Wohnkultur von
Menschen auseinander. Im Zentrum der Arbeiten stehen Objekte, die aus dem Alltäglichen
stammen – ausgediente Gegenstände, die von ihren vorherigen Besitzer*innen entsorgt wurden.
Indem die Künstlerin die Objekte speziell für die Räumlichkeiten der Ausstellung auswählt, neu
kombiniert, arrangiert und durch bildhauerische Eingriffe bearbeitet, erhalten sie eine weitere
Perspektive und werden so in einen neuen Kontext gesetzt. Sie wirken als einsame Zeugen einer
unbekannten, aber doch vertraut wirkenden Geschichte.
In den Pflanzeninstallationen von Melina Bigale geht es um den Dialog von Mensch und Natur.
Sie gräbt Bäume aus Vorgärten aus und versetzte sie in den Ausstellungsraum. Die über die Jahre
hinweg gewachsenen und zurechtgestutzten Bäume werden am Ende ihres Gebrauchs zu einer
Mischung aus natürlicher Plastik und künstlicher Skulptur. Die Pflanze wächst in freier Form,
während der Mensch sie in seine für ihn nutzbare Funktion zurückschneidet. In den
Installationen Bigales werden die Bäume ihrer Funktion der Aus- und Eingrenzung beraubt und
durch ihre freigelegten Wurzeln bloßgestellt. Der inhaltliche Kontrast zwischen Funktion und
Dysfunktion wird unterstrichen durch das irritierende Moment aus gedanklicher Verortung des
bekannten Gegenstandes und der Enthebung aus gewohnter Sichtweise.
Melina Bigale absolvierte 2021 ihren Master an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Von
2018-2021 studierte sie Kunst und Philosophie an der Muthesius Kunsthochschule und der
Christian- Albrechts Universität zu Kiel. Sie lebt und arbeitet in Kiel.
Jakob Grebert
Als freischaffender Künstler, Autor und Mitglied der Künstlerinnengruppe WetDogCollective, arbeitet Jakob Grebert installativ, skulptural und zeichnerisch, ohne sich dabei auf bestimmte Materialien oder einen bestimmten Stil festzulegen. Keramik und Geschirr kommen ebenso zum Einsatz wie Möbel oder Alltagsgegenstände. Seine Arbeiten – verschiedene Formen Geschichten zu erzählen – changieren zwischen Humor, Zynismus, Traurigkeit und Anarchie. Dabei bezieht er sich auf die ihn umgebende Umwelt. Kunst ist für Jakob Grebert ein Mittel, um sich mit der Bildsprache politischer oder gesellschaftlicher Ereignisse, wie der Klimakatastrophe, sozialer Ungleichheit und Entfremdung auseinanderzusetzen. In der Ausstellung zeigt er eine ganz neue Arbeit, in der er handgefertigte Keramikteller mit digitalen Inhalten und Motiven kombiniert. Dokumentarisch und zeichnerisch gibt Grebert die Kommunikation verschiedener Nutzerinnen aus einem Internetforum wieder, die aufgrund von
Sozialphobien oder anderen Problemen ihre Wohnung so gut wie nie verlassen. Der digitale
Dialog ist ihre bevorzugte und vielleicht einzige Kontaktform.
Die Bildmotive der Teller stammen aus dem Forum und aus dem Internet, nehmen teilweise
inhaltlich Bezug, aber andere sind frei hinzugefügt. Jakob Grebert geht hier der Frage nach, wie
sehr das Digitale unseren Alltag beeinflusst, unsere Rhythmen und Gewohnheiten verändert.
Jakob Grebert studierte bis 2017 an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Er lebt und arbeitet
in Hamburg.
Maria Malmberg
Die Künstlerin Maria Malmberg arbeitet bevorzugt medienoffen und multidisziplinär im Bereich
Skulptur, Klangkunst, fotografischen Techniken, Installation und Videokunst. Im Vordergrund
steht bei ihr die Idee bzw. eine Visionen, für die sie erst im Nachhinein die passende Form für ihre
präzise Umsetzung sucht. Um einen Zugang zu ihren Werken zu finden, ist es hilfreich zu wissen,
dass Malmberg eine übergeordnete Thematik bearbeitet: die Erweiterung des kognitiven
Horizonts von Lebewesen.
Ansätze dazu findet sie in allen Lebensbereichen und beobachtet dafür unter anderem
gesellschaftliche, kulturelle, speziestypische Normen und Verhalten, Änderungen der
Wahrnehmungsfilter durch Technik, sowie die dadurch resultierenden Verhaltensweisen. Die
künstlerischen Werke vermitteln Anreize, die Sinne zu schärfen und die individuelle Sichtweise
zu erweitern, sich dem eigenen Gedankenfluss und Nachdenken hinzugeben.
So offenbart die Bodenarbeit « Online » (2021) nur unter UV-Licht die Textzeile « What you see is
what you get ». Der digitale Raum eröffnet Maria Malmberg eine Vielzahl von Realitäten, einen
neuen, noch nicht ausgeschöpften Möglichkeitsraum.
Maria Malmberg machte 2016 ihren Masterabschluss an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel
und erhielt 2015 ihr Postgraduate Diploma of Higher Education in Fine Art an der Norwich
University of the Arts in England. Sie lebt und arbeitet in Kiel.
Juan Blanco
Die vielschichtigen Landschafts- und medialen Bilder in den Installationen, Gemälden und
grafischen Arbeiten von Juan Blanco sind von Ambivalenz geprägt: Sie stellen Versuche dar, über
das Wesen der Wirklichkeit zu kommunizieren, unheilvollen Gefühlen Gestalt zu geben und
belastende Mehrdeutigkeit zu reduzieren. Zugleich aber untergraben die Bedingungen ihrer
jeweiligen Herstellungsprozesse jedoch ihren Anspruch, objektive Darstellungen der Wirklichkeit
zu sein.
Juan Blanco hinterfragt mit seiner Arbeitsweise das Verhältnis von Medien und « Realität », die
Frage, wie Realität heute funktioniert bzw. konstruiert wird und auf welche Weise dabei mit
unseren Gefühlen operiert wird. Mit Hilfe von Collage, Holzschnitt, Fotografie und Installation –
arrangiert in Schichten – versucht er die Strukturen, die er in der äußeren Welt wahrnimmt neu
zu konstruieren und thematische Landschaften zu entwerfen, die die Verbindungen von Mensch
und Umwelt untersuchen.
Durch das Malen von Pflanzen, Wäldern, Wasser oder Wetterphänomenen wie Tornados oder
Überflutungen lenkt der Künstler den Blick auf Ereignisse, die sich der Kontrolle des Menschen
entziehen und weist gleichzeitig auf das Bedürfnis des Menschen hin, die Natur und das Klima zu
steuern.
Juan Blanco studierte bis 2020 an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und von 2006-2011 im
Bachelor an der Universidad de los Andes, Bogotá in Kolumbien. Er lebt und arbeitet in Kiel.
Anne Steinhagen
In ihrer künstlerischen Praxis verdichtet Anne Steinhagen Videofragmente, fotografische
Untersuchungen und Elemente aus Materialsammlungen zu installativen Arbeiten, mit dem Ziel
experimentelle, multimediale Werke zu schaffen in denen sich die Betrachterinnen bewegen. Ihre Arbeiten sind dabei durchzogen von Themen und Phänomenen wie Atmosphäre, Natur, Spurensuche, Wiederholung und Zeitlichkeit, die wiederum über die Grenzen von Medien und Materialitäten hinaus funktionieren. Die Reflexion auf spiegelnden und glänzenden Oberflächen kann als eine Art der Bewegung im Raum verstanden werden, ein sich ständig wandelnder Vorgang, eine Abfolge von Momentaufnahmen, die sich aber dennoch nicht festhalten lassen. Anne Steinhagen spielt mit Assoziationen, Blickwinkeln oder Lichtsituationen bzw. dessen Wechselwirkungen und lädt die Betrachterinnen zum subjektiven Entdecken, Hinterfragen und Interpretieren ein.
Anne Steinhagen absolvierte 2013 ihren Master an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Sie
lebt und arbeitet in Berlin.
Peter Strickmann
Ausgehend von den individuellen und kollektiven Routinen des Hörens realisiert der Klang- und
Performancekünstler Peter Strickmann ortsspezifische Installationen und Konzertformate. Das
„Ereignis“ – als Phänomen in der Zeit und im Kontext – wird in den Arbeiten zu einem
vielschichtigen Gegenüber mit welchem soziale, architektonische oder akustische Situationen
hergestellt, verhandelt und kommentiert werden können. Dabei sind seine Installationen und
Aktionen geprägt von einer Einfachheit der Mittel und einer Philosophie der Gemeinschaft.
« Die Geräusche » (2022) ist eine kinetische Installation, die eine Gruppe von Textpartituren in
Bewegung setzt. Mehrdeutige und lose Wortspiele erscheinen als Hörchoreografie im
Ausstellungsraum.
Peter Strickmann performt solo und als Mitglied verschiedener freier Musik-, Noise- und
Performancegruppen.
Er studierte von 2008-2013 Audiovisuelle Kunst und Bildhauerei an der Hochschule der
Bildenden Künste Saar, Saarbrücken, lebt und arbeitet in Berlin.
Mit NEWCOMER Teil 2 wird das Projekt am 20. November 2022 fortgesetzt.
Foto: Nai Wei Tian
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