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„Eine Zeit der Grundsatzentscheidungen“

Das Mittelalter scheint heute unendlich weit weg. So weit, dass der eine oder andere gar nicht mehr weiß, wann diese Zeit überhaupt gewesen sein soll. Es gibt aber auch Leute wie Lothar Obst, die das ganz genau wissen und die sich darüber unterhalten können, als seien Karl der Große oder Otto der Große Männer, die bis vor kurzem noch die Geschicke des Landes geführt hätten. Wer sich davon überzeugen will und sich obendrein für das Mittelalter interessiert, dem sei die Veranstaltungsreihe „1.100 Jahre Ottonen (919-2019): Als Norddeutschland zum Zentrum des Reiches wurde“ empfohlen, die am 27. September mit einem Vortrag im Möllner Stadthauptmannshof startet.

Lothar Obst wird dann über Otto den Großen sprechen. Was reizt ihn daran, sich mit dieser weit zurückliegenden Epoche der deutschen Geschichte zu befassen? „In dieser Zeit entstand das, was wir heute in Deutschland und Europa vorfinden“, erklärt Lothar Obst sein Interesse. Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung des Reiches komme dabei den Ottonen zu. Mit ihren „staatspolitischen Grundsatzentscheidungen“ hätten sie zur Entstehung des deutschen Föderalismus beigetragen.

Wie sahen diese Grundsatzentscheidungen aus? Nachdem er den Widerstand gegen seine Herrschaft in den einzelnen Regionen– wie etwa in Sachsen – gebrochen hatte, habe Otto das Reich dauerhaft befrieden hatte, führt Lothar Obst aus. Dafür habe er versucht über Hochzeiten, „Herzogtümer mit Brüdern und Schwestern zu besetzen“. Man müsse sich vorstellen, so der Experte, dass es damals keinen Beamtenapparat und Staat, wie wir ihn heute kennen, gab. Doch Ottos Hochzeitspolitik scheiterte. Die Herzogtümer blieben stark. Um seine Macht zu sichern, habe der König deshalb das „ottonische Reichskirchensystem“ etabliert. Er benannte Bischöfe und übertrug ihnen weltliche Macht. Diese sei wegen des für die Geistlichen geltende Zölibats auf Zeit angelegt gewesen. Gleichzeitig habe Otto mit der Hofkapelle eine Kaderschmiede für Bischöfe begründet. Hier habe er aus den Reihen des Adels Nachwuchs für Besetzung oder Neubesetzung von Bischofsämtern gewonnen.

Doch es sei nicht nur die politische Grundlegung, die ihn am Mittelalter fasziniere, betont Lothar Obst. Ihn fasziniere auch die starke Verbindung von Politik und Religion in dieser Zeit. Im Mittelalter sei das politische Programm der Herrscher das Christentum gewesen, auch wenn es den Königen und Fürsten zweifelllos um „knallharte Machtpolitik“ gegangen sei. Gleichzeitig habe das Christentum der Politik Stabilität gegeben.

Kirchengeschichtlich habe die Verquickung von Christentum und Politik immer wieder dazu geführt, dass die Kirche sich „entgeistigte“. Die Folge sei die Entstehung des Zisterzienser-Ordens im 11. Jahrhundert oder im 13. Jahrhundert die Begründung der Franziskaner und der Dominikaner gewesen. Auch Luther und die Reformation würden sich so erklären lassen.