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Nördlich der A24

„Kultur könnte ein wenig mehr Lobbyarbeit vertragen“

Mit wem ließe sich besser über das Thema Kultur plaudern als mit Meinhard Füllner? Der Kreispräsident ist in der Region tief verwurzelt. In der Lokalpolitik ist er bereits seit den 70er Jahren aktiv. Er kennt das kulturelle Hier und Jetzt im Kreis, und er kennt die kulturelle Vergangenheit. Als Künstler ist er zudem aktiv daran beteiligt. Im Interview mit Kulturportal-Herzogtum.de wird deutlich, dass ihm die Förderung der Kultur ein Herzensanliegen ist. Knapp zwei Stunden steht er in seinem Büro im Alten Kreishaus Rede und Antwort. 

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Füllner, was verstehen Sie unter Kultur?

Meinhard Füllner: Kultur ist für mich das, was das Leben über den Alltag und Werktag hinaus lebenswert macht. Da gehört das ganze Spektrum zu – Musik, Literatur, Bildende Kunst, Forschung, Lehre. Deshalb sind Diskussionen über Kultur auch immer sehr schwierig, weil jeder etwas anderes darunter versteht.

KP: Welche Bedeutung hat die Kultur für uns und unser Zusammenleben?

Füllner: Die Kultur ist wesentlicher Bestandteil für unsere Identität. Der Mensch manifestiert sich nicht nur in der Landschaft, sondern auch woran er sich kulturell erinnert. Welche Musik hat er gehört? Welche Sprache hat er gelernt? Gerade in unserer technischen und immer unpersönlicher werdenden Welt brauchen wir solch emotionale Anker. Die Menschen müssen sich mit der Heimat identifizieren können.

KP: Gerade wegen des technologischen Fortschritts wird derzeit gerne einer Identitätskrise das Wort geredet. Ein häufig genanntes Stichwort ist hier das Vereinssterben.

Füllner: Die Vereine haben Probleme, weil die Menschen sich nicht mehr binden wollen. Man muss sich bewusst sein, dass die Zeiten sich ändern, dass junge Leute heute völlig andere Präferenzen haben. Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir uns dem Interesse der Menschen stellen. Ein Beispiel: Sie kriegen keinen jungen Menschen zu Plattdeutsch-Lesungen mit irgendwelchen Döntjes. Sie kriegen sie aber zu Veranstaltungen, wo junge Leute tolle Reime auf Niederdeutsch gestalten. Die Sprache muss zeitgemäßer dargestellt werden. Ganz allgemein müssen wir uns in der Kulturförderung möglichst breit aufstellen und alle Altersgruppen im Blick haben.

KP: Sehen Sie da Defizite?

Füllner: Kultur könnte schon ein wenig mehr Lobbyarbeit in einigen kommunalen Entscheidungsgremien vertragen. Schön wäre es, wenn jede Kommune Mitglied im Förderkreis für die Stiftung Herzogtum Lauenburg wäre. Schließlich soll deren Kulturarbeit für alle im Kreis einen Nutzen haben.

KP: Gibt es eigentlich so etwas wie eine spezielle „lauenburgische Kultur“?

Füllner: Jeder Raum hat seine eigene Kultur. Das Spezifische liegt in der eigenen Geschichte, die sich darin verbindet und verknüpft. Sichtbar wird dies beispielsweise in der Architektur. Ansonsten ist Kultur davon abhängig, wie die jeweilige Generation sie gestaltet. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist der KulturSommer am Kanal. Er hat sich toll entwickelt und ist zu einer Marke geworden. Durch Frank Düwel haben wir da Output von außen bekommen. Er hat kreative Potentiale gehoben, die sonst noch im Verborgenen schlummern würden.

KP: Sehen Sie allgemein noch Verbesserungspotential?

Füllner: Es macht Sinn, unsere Kulturträger miteinander zu verknüpfen – das Künstlerhaus Lauenburg, das Amtsrichterhaus in Schwarzenbek, die Stiftung Herzogtum Lauenburg, die Galerie Noffke. Die Einrichtungen könnten sich gegenseitig befruchten. In Steinhorst haben wir eine der größten landwirtschaftlichen Sammlungen im Land. Sie wird ehrenamtlich betrieben und steht im Bild der Öffentlichkeit unter Wert, weil es ehrenamtlich betrieben wird. Wir müssen diese tolle Sammlung besser nutzen. Außerdem waren und sind wir die kulturelle Brücke zu Mecklenburg – diese ehemals enge Verzahnung müssen wir wiederbeleben.

KP: Wir sprechen hier gerade über Kultur und Kulturarbeit im Kreis Herzogtum Lauenburg. Wenn ich mich mit Künstlern oder Kulturschaffenden unterhalte, ist oft vom Nordkreis und Südkreis die Rede. Woher rührt diese Aufteilung?

Füllner: Das hängt damit zusammen, dass durch das Groß-Hamburg-Gesetz erst 1936 einige Teile des Kreises zu uns gekommen sind. Hinzu kommt, dass die Schwerpunkte der wirtschaftlichen Entwicklung im Süden und die der kulturellen Entwicklung im Norden stattfinden. Das müssen wir noch mehr zueinander bringen.

KP: Was kann man für das Zusammengehörigkeitsgefühl tun?

Füllner: Viele Menschen im bevölkerungsreichen Süden sind durch den Hamburger Raum geprägt. Um die Identifikation mit dem Kreis zu erhöhen, müssen wir im Süden unser eigenes kulturelles Programm sicherstellen. Das kulturelle Interesse darf nicht der Sogwirkung Hamburgs erliegen. Deshalb ist die Stiftung Herzogtum Lauenburg auch sehr bewusst im Süden aktiv. Deshalb hat der Kreis die finanzielle Förderung für das Künstlerhaus Lauenburg aufgestockt.

KP: Sie leben seit ihrer Kindheit in der Region und sind im Kreis seit Jahrzehnten politisch und künstlerisch aktiv. Wie hat sich die Kultur ihrer Meinung nach entwickelt?

Füllner: Dadurch dass der Kreis die Kulturförderung der Stiftung Herzogtum Lauenburg übertragen hat und dank der Unterstützung der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg hat sie sich stark vitalisiert. Früher war Kultur im Kreis das Kreismuseum, Weber, Goedtke oder auch die Dommusiken. Heute haben wir das Bismarck-Museum und das Amtsrichterhaus. Oder die Scheune bei den von Bülows, das Forum für Umwelt und Natur und über den Kultursommer hinaus unzählige Events einer großen Kulturgemeinschaft. Das sind Beispiele dafür, was hier in den letzten Jahren passiert ist.

KP: Herr Füllner, ich danke für das Gespräch.

Einen Einblick in das Kunstverständnis von Meinhard Füllner gibt es unter: https://kulturportal-herzogtum.de/2019/01/21/schoepfer-makelloser-linien/