Wie ergeht es der Schwarzenbeker Liedertafel im Zeichen von Covid-19. Über diese Frage hat sich die Journalistin Silke Geercken mit Ensemble-Mitglied Jasmin Schmidt unterhalten.
Silke Geercken: Der gemischte Chor der Schwarzenbeker Liedertafel besteht seit 1843? Nun gibt es eine Zwangspause. Wie geht es Ihnen damit?
Jasmin Schmidt: Leider muss auch die Liedertafel, die dieses Jahr 177 Jahren alt ist, pausieren. Wir waren im Januar gleich aktiv in die Proben unseres Repertoires für unser Sommerkonzert eingestiegen und auf einmal hieß es, vorerst sind keine Proben erlaubt. Ich bin im August seit 25 Jahren Mitglied der Liedertafel und ich habe nicht mal nach der Geburt meiner Tochter so lange pausiert. Damals habe ich sie ziemlich schnell, schon nach einem Monat, mit in die Proben genommen, weil ich einfach nicht mit dem Singen aufhören wollte. Und nun werde ich, genau wie meine Sangeskolleginnen und -kollegen ausgebremst. Zum Glück kann man aber auch alleine singen und muss daher nicht auf Musik verzichten. Doch der richtige Sound kommt erst, wenn alle Stimmen Bass, Tenor, Alt und Sopran gemeinsam singen, und darauf freuen wir uns schon alle.
Geercken: Wie viele Sänger hat das Ensemble und wie halten Sie Kontakt zu ihnen?
Schmidt: Im Moment haben wir 49 aktive Sängerinnen und Sänger. Über eine WhatsApp-Gruppe, in der viele dabei sind, halten wir zueinander Kontakt. Und dann laufen auch die Telefone und Handys heiß. Als Trostpflaster, weil wir uns ja nicht sehen können, habe ich den Aktiven die Sommerhits der Liedertafel aus den Konzerten von 2013-2019 auf CD gebrannt und so kann jeder dazu in seiner Stimmlage die Lieder mitsingen. Macht man dann noch die Augen zu, dann spürt man ein wenig Chorgefühl, aber eben nur ein wenig.
Geercken: Gibt es für die Mitglieder eine Alternative zu den bisher gemeinsamen wöchentlichen Proben?
Schmidt: Unser Chorleiter Markus Götze ist dabei, das neue Liedrepertoire für die einzelnen Stimmen einzusingen. Mein Mann stellt sie dann auf der Homepage im Mitgliederbereich den Sängerinnen und Sängern zur Verfügung. Da hat dann jeder Gelegenheit, selber schon einmal seine Stimme zu üben. Allerdings kann das keine Chorprobe ersetzen. In den Proben geht es ja um sehr viel mehr, als nur das mechanische Üben der Noten. Wir hören aufeinander und erkennen wie der gemeinsame Klang ist. Wir lernen durch Götze, wie das Tempo sein soll, wo wir verzögern und an welchen Stellen laut oder auch leiser gesungen werden soll.
Geercken: Was ist mit dem Sommerkonzert, das traditionell im Juni stattfindet?
Schmidt: Da wir nicht gemeinsam proben können, wird es nach 15 Jahren erstmalig kein Konzert geben. Zudem erlauben es die Vorgaben des Landes nicht, dass über 150 Gäste in den Saal kommen, um unserem Konzert zu lauschen.
Geercken: Wann nimmt der Chor die Proben wieder auf?
Schmidt: Wir planen nach den Sommerferien am 13. August wieder anzufangen. Natürlich müssen wir abwarten, welche Auflagen es dann bezüglich des Corona-Schutzes gibt. Wir hoffen aber sehr, dass wir in diesem Jahr unser Adventskonzert in der St. Franziskus-Kirche geben können.
Geercken: Im Herbst gab es bisher immer eine Chorfreizeit mit intensiven Proben fürs Weihnachtskonzert. Wird sie wie geplant stattfinden?
Schmidt: Wir planen unser Chorwochenende Ende Oktober. Wir sind guter Dinge und blicken positiv nach vorne.
Geercken: Hat es in der Geschichte des Chores schon mal eine ähnliche Zwangspause gegeben?
Schmidt: In den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges ruhte die Vereinsarbeit. Bei Kriegsende kamen der Schwarzenbeker Liedertafel nicht nur wertvolles Notenmaterial und das erste Banner, sondern auch weitere Dokumente durch die englische Besatzungsmacht abhanden und jegliche Vereinstätigkeit war sofort untersagt. Am 16. Januar 1947 nahm die Schwarzenbeker Liedertafel mit 40 aktiven Sängern, damals noch ein reiner Männergesangsverein, mit Genehmigung der Alliierten Militärregierung als vorerst einziger bürgerlicher Verein in der Gemeinde ihr Wirken wieder auf.
Geercken: Sie sind seit August 1995 Mitglied der Liedertafel, seit 2007 die Vorsitzende. Fehlen Ihnen das Singen und die Chorgemeinschaft?
Schmidt: Auf jeden Fall. Vor allem der Prozess, wenn nach einigen Proben aus den Einzelpassagen eines Liedes ein Chorgesang entsteht. Das sorgt bei mir schon mal für Gänsehaut. Ich vermisse aber auch die tollen Leute Liedertafel. Wir können so herrlich gemeinsam lachen. Es sind viele Freundschaften über das Singen hinaus entstanden und diese können wir alle jetzt meist nur auf Distanz pflegen.
Geercken: Ist Singen in dieser Zeit ein Trost?
Schmidt: Wenn man sich traurig fühlt, kann Musik ein kraftspendender Anker sein. Musik bewegt uns und das mehr, als wir vielleicht denken.
Foto: Silke Geercken