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Vorspiel nach Wochen der Ungewissheit

Kanu-Wander-Theater – Generalprobe von „Was ihr wollt“

Es sind viele. Sie stehen größtenteils in kleinen Grüppchen vorm Herrenhaus des Stadthauptmannshofes herum. Es wird geschwatzt und noch ein bisschen geübt. An der roten Backsteinmauer, die den Stadthauptmannshof von einem Wohnhaus abgrenzt, hat Birgit Waniorek ihre Utensilien aufgebaut. Eigentlich ist sie für die Maske zuständig. „Die größte Herausforderung ist aber die Einhaltung der Hygienevorschriften“, sagt sie.

Der 10. Juni ist ein lauer Sommerabend und das Kanu-Wander-Theater hat sich für die Generalprobe versammelt. Man muss sich kneifen und fragen: Kann das überhaupt sein? „Man muss jetzt abwarten“, hatte Regisseurin Michelle Affolter noch am 8. April in einem Telefonat erklärt. „Wir wissen ja nicht, was jetzt noch für Maßnahmen kommen. Wir hoffen, dass wir im Mai dann proben können.“ Man konnte die Skepsis bei diesem Telefonat heraushören. Es sprach da nicht nur Michelle Affolter, es sprach da auch die Erfahrung aus zu viel Lockdown, zu vielen Absagen von Berufs wegen. Wird das wirklich was werden mit der Aufführung? Wirklich? Oder sitze ich am Ende einer Fata Morgana auf?

Nun wird also tatsächlich gespielt: „Was ihr wollt“. Shakespeares rasante Komödie, die bereits 2020 auf dem Plan stand. Das Skript lag schon fix und fertig in Affolters Schublade, atmete jedoch die Lockerheit der Vor-Corona-Zeit. Die Regisseurin schrieb ein neues. Die einzelnen Szenen – es sind insgesamt 13 – haben sie im Mai geprobt. Jede Gruppe für sich. Heute soll nun das gesamte Stück einmal durchgespielt werden.

Mehr als 30 Darstellerinnen und Darsteller sind am Start. Es braucht ein paar Bleichenwangs, ein paar Malvolios, ein paar Orsinos – das sind Männer, die um die Gräfin Olivia, Zentrum der Komödie, kreisen. Außerdem sitzen da noch einige Marias, Tobys und Violas auf dem Rasen. Auch die begehrte Olivia ist selbstverständlich vertreten. Das Kostüm, ein schwarzes Kleid, macht der Rolle alle Ehre. Die Frau trauert laut Vorlage um ihren Bruder. Allein das Stück Stoff lässt hier keinen Zweifel zu: Die Darstellerin kommt wie eine uneinnehmbare Festung daher. Es braucht dafür keine besondere Gestik. Sie ist wie eine finstere Sonne, um die sich – ob sie will oder nicht – alles dreht.

Zunächst einmal nutzen die meisten Akteure die Schwerkraft und lassen sich auf dem Rasen vorm Schulseeufer nieder. Es kann losgehen mit der Generalprobe. Die Stimmung wirkt gelöst. Es ist, als hätte es die Zeit davor nie gegeben. Aber das ist natürlich nur eine Illusion. Das, was war, wirkt fort. So schnell lässt sich die Pandemie dann doch nicht abschütteln.

Doch hier und jetzt rücken die zurückliegenden Monate erst einmal in den Hintergrund. Nach den einzelnen Proben folgt nun der Durchlauf. Das Spiel beginnen Moritz Grabbe, Irene Benedict und Yuliya Zhyvitsa. Benedict ist Viola, die ihren Bruder Sebastian vermisst. Zhyvitsa will Grabbe mit dem Schifferklavier zum Tanzen animieren. Der spielt Orsino, einen Herzog, der unsterblich in Olivia verliebt ist.

Grabbe ist schon zum vierten Mal beim Kanu-Wander-Theater dabei. Er findet, dass die Proben im Grunde nicht anders abgelaufen sind als sonst. „Außer“, sagt er, „dass wir Masken getragen haben.“ Die Probe, die seine beiden Partnerinnen und er hinlegen, scheinen diese These zu stützen. Das Trio wirkt bestens präpariert.

Benedict alias Viola legt den Schalter sofort um. „Sebastian“, ruft sie. Ihr Blick geht über den Rasen und das versammelte Ensemble hinweg auf den Schulsee hinaus. Orsino liegt die Arme ausgebreitet rücklings auf einer Mauer. Zhyvitsa spielt. Orsino erhebt sich nach einer Weile und bewegt die Hände wie ein Dirigent zur Musik.

„Wolltest du nicht jagen, Orsino?“ fragt Zhyvitsa. „Was?“ fragt Grabbe. „Den Hirsch.“ Grabbe, Zhyvitsa und Benedict verdienen sich den Beifall des Ensembles. So weit, so klar. Was aber halten Regisseurin Affolter und ihre Assistentin Johanna Neutzling von dem Spiel. Das Duo steckt die Köpfe mit den drei Darstellerinnen und Darstellern zusammen. Es gibt keine Kritik vor versammelter Mannschaft. Was gesagt beziehungsweise geändert werden muss, ist eine intime Angelegenheit. Affolter lenkt das (Vor-)Spielen. Sie ist klar und bestimmt, aber sie verzichtet auf große Gesten, leistet sich keinen Egotrip auf Kosten des Ensembles. Die Orsinos, Violas und Malvolios danken es ihr mit einer Generalprobe, die dicht dran ist an ihren Vorstellungen. Auch Grabbe kommt gut weg mit seinem Spiel. Er hat – wie er sagt – ein bisschen zu lange auf dem Rücken gelegen. Aber das ist ein „Faux-Pas“, der sich – wie er bei der Premiere auf der Schmilauer Brücke demonstrieren wird – leicht beheben lässt.

Die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg ist Premiumpartner der Stiftung Herzogtum Lauenburg.

Foto: Antje Berodt