Das Viehhaus Segrahn ist am Sonnabend, 3. Juli, ein Ort der organisierten Kriminalität. Die Bariton-Sänger Timotheus Maas, Lukas Anton und Marcelo de Souza Felix, Pianistin Karolina Trojok und Regisseur Sebastian Richter präsentieren dort ihr Stück „Capones Vermächtnis“. Ein Jahr lang haben sie an dessen Konzept gefeilt, um dann vor knapp drei Monaten mit den Proben zu starten. Doch das war längst nicht alles. Sie haben per Crowdfunding Geld für die Aufführung gesammelt. Sie haben hinter der Kamera gestanden und das Publikum vorab mit Filmen und Filmschnipseln versorgt. Denn: „Capones Vermächtnis“ ist als eine Gangster-Saga angelegt. Das Bühnenevent soll da nur ein Teil einer großen Story sein. Kulturportal-Herzogtum.de hat vor ihrem Auftritt in Gudow mit der Gruppe über ihre Arbeit gesprochen. (Foto: Plan B)
Kulturportal-Herzogtum.de: Ihr arbeitet mit dem Slogan „So geht Klassik heute“. Da schwingt die Kritik an eurem Genre gleich mit – so nach dem Motto: So wie sich Oper aktuell präsentiert, ist sie nicht mehr zeitgemäß. Wie geht denn eurer Meinung nach Klassik heute?
Timotheus Maas: Gute Frage. Wir haben die Corona-Pause genutzt und uns gefragt: Was können wir mit unserem Genre machen? Wir sind dann auf Capone gekommen. Sebastian ist da spezialisiert. Er hat uns vorgeschlagen, zusätzlich mit Filmen zu arbeiten.
Sebastian Richter: Das alles ist sehr szenisch aufgezogen. Wir orientieren uns dabei an Popkonzerten – zum Beispiel an den „Tiger Lillies“.
Maas: Wir haben uns Gedanken gemacht: Warum ist diese Art von Setting beliebt? Was können wir machen, ohne unsere Musik zu stören?
Lukas Anton: Die Musik ist ja nicht weniger aktuell. Der jüngeren Generation fehlt einfach nur der Zugang. Es braucht die Möglichkeit der Partizipation – die Möglichkeit, Teil des Geschehens zu sein. Unsere Frage war und ist: Wie können wir das Publikum integrieren, ohne Ängste auszulösen? Wir haben uns entschieden, eine fortlaufende Geschichte zu erzählen und das Publikum kann mitentscheiden, wie es weitergeht.
Richter: Wir sind da noch in der Anfangsphase. Aktuell testen wir vieles aus. Wir gucken immer noch, was machbar ist.
Lukas: Unser Ziel ist es, den Kreis der Zuhörerschaft zu erweitern.
Maas: Wir haben uns eine Geschichte ausgedacht und erzählen sie so, dass es spannend wird. Hinter den Liedern steckt ja immer auch ein szenischer Gedanke. Wenn man die Stücke nur konzertant aufführt, geht immer etwas verloren. Wenn jemand „O sole mio“ singt, fragt man sich doch: Warum singt er das?
Lukas: Wir wollen etwas anderes, etwas Frisches in die Oper bringen und das Genre von Konventionen befreien.
Maas: Wir wünschen uns eine lockere Atmosphäre. Wenn uns das nicht gelingt, wird die Popularität der Oper zurückgehen.
Lukas: Wir beschränken uns dabei nicht nur auf die Bühne. Wir erzählen die Geschichte weiter: im Internet und in den sozialen Medien.
Richter: Die Figuren haben wir im Netz schon vorgestellt.
Lukas: Dennoch versteht man das Konzert auch so. Wir möchten aber auch in 20 Jahren noch mit unserer Musik auftreten können.
Richter: Deswegen auch Vermächtnis.
Kulturportal-Herzogtum.de: Kommen wir zu eurer Geschichte – zu „Capones Vermächtnis“. Warum habt ihr euch für diesen Stoff entschieden?
Lukas: Jemand wie Capone taucht ja immer mal wieder in der Popkultur auf. Außerdem haben verruchte Typen gerade Konjunktur.
Maas: Wir lieben es, Gangster zu spielen.
Lukas: Zuletzt haben wir auf einem Friedhof in Hamburg gedreht. So was macht einfach Spaß.
Maas: Als Bariton hat man ja ohnehin oft die böse Rolle.
Marcelo de Souza Felix: Das Böse hat auch vielmehr Tiefe. Es ist nicht so eindimensional.
Maas: Ich finde es prächtig, sich vorzustellen, so eine Macht zu haben.
de Souza Felix: Bei „Capones Vermächtnis“ spielt jeder von uns seine eigene böse Persönlichkeit.
Maas: Ich bin der Mann fürs Grobe. Ich sorge dafür, dass die Leichen verschwinden und bringe die Leute zum Reden. Außerdem habe ich eine Leidenschaft fürs Kochen. Musikalisch gibt es bei uns die schönsten Sachen aus der Oper. Die Oper hat ja mehr Terzette und Duette, als man denkt – wie „Sparafucile“ aus Verdis „Rigoletto“.
Lukas: Wir singen auch Evergreens und Welthits. Einige Stücke haben wir für uns extra arrangieren lassen.
Karolina Trojok: Musicallieder sind ebenfalls dabei.
Richter: Nur Popmusik haben wir nicht im Programm.
Maas: Karolina ist unsere Pianistin und die Hauptperson der Geschichte.
Richter: Sie ist die Erzählerin.
Trojok: Bei „Capones Vermächtnis“ brechen wir mit dem klassischen Bild des Pianisten.
Maas: So etwas kann man nicht mit jedem Pianisten machen. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes eine Gruppe.
Anton: Teamwork makes a dreamwork.
de Souza Felix: Da muss man auch Sebastian loben. Wir durften und dürfen da immer mitbestimmen.
Richter: Ich finde diese Offenheit inspiriert uns alle sehr, das Stück zu entwickeln. Jeder kann mitdenken und sich einbringen.
Kulturportal-Herzogtum.de: Ihr seid also kein Ensemble, sondern eine Band?
Richter: Wir sind der Clan.
Lukas: Wir sind eine Familie.
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