Dass man ein privilegierter Mensch ist, begreift man gemeinhin erst dann, wenn die Privilegien plötzlich verschwunden sind. Die schönen Seiten des Lebens verwandeln sich allzu schnell in Selbstverständlichkeiten und manchmal werden sie uns gar lästig. Essen gehen – Schon wieder? Das nächste Feuerwehrfest? Keine Lust. Ein Klassikkonzert – morgen? Nein, danke.
Zugegeben. Die Privilegien haben in einer Gesellschaft wie der unseren durchaus das Zeug, einen Menschen in den Overkill zu zwingen. Doch von 100 auf 0 zu kommen, wie es Covid-19 gerade auferlegt, ist auch kein Vergnügen.
Nun habe ich das Glück in diesen Tagen, wo uns die Gewissheiten und Selbstverständlichkeiten wie Sand durch die Finger gleiten, ein Privileg zu besitzen. Ich habe den Zugang zur Ausstellung „Vier Frauen – vier Perspektiven“. Der Schlüssel für das Herrenhaus der Stiftung Herzogtum Lauenburg half mir nicht nur bei der Arbeit am Thema der Woche, er gab mir auch die Chance für ein beständiges Stelldichein mit der Kunst.
So wandelte ich vergangene Woche unter Skulpturen, Bildern und Gefäßen. Ich filmte und fotografierte. Ich arbeitete. Sicher. Und doch fing die Kunst mich ein. Ute Wilkes Kolkrabe, der bunte Hahn, die vielen Vogelaugen, die Blicke, die einem nachsehen. Marianne Schäfers Wasservögel mit den langen Schnäbeln, wiedergegeben mit klaren Linien und Formen. Ein Fest der Harmonie aus porigem Holz. Ein paar Meter weiter dann ihre unruhigen Zwitterwesen. Halb Vogel, halb Mensch. All das wirkt in mir nach, ist mittlerweile so vertraut, dass die Objekte sich inzwischen anfühlen wie gute, alte Bekannte.
Nicht anders erging es mir mit den Werken von Birke Kästner und Anke Meixner, die im Foyer und im Seminarraum des Herrenhauses ihre Kunst ausgestellt haben. Meixners handgeschöpftes japanisches Papier, das zum symbolischen Grab für die Insektenwelt geworden ist, lässt sich nicht so ohne Weiteres beiseiteschieben. Einmal in meinem Sinn und Verstand ist es gekommen, um zu bleiben. Die Wesen, die nach uns sind, sagt die Künstlerin, sollen sich erinnern!
Ähnlich weit von der zeitlichen Dimension scheint auch Kästners Blick zu gehen. Ihre Keramikkunst gibt einem das Gefühl per Zeitmaschine in der Antike gelandet zu sein…
Ich weiß. Es ist nur ein Gefühl. Entstanden aus einem Privileg, während draußen Covid-19 sein Unwesen treibt.
Ostern – das Fest der Wiederauferstehung naht. Nur: in diesem Jahr ist alles anders. Die Kirchentüren bleiben verriegelt. Die traditionellen Gottesdienste fallen aus. Wie alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind auch den Kirchengemeinden die vertrauten Abläufe abhandengekommen. Das gewohnte Miteinander war gestern. Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit Pastorin Hilke Lage (Mölln) über Ostern in Zeiten der Kontaktsperre. Das Telefoninterview haben wir aufgezeichnet.
Übrigens: Unter dem #LiveLine lädt der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg Festgottesdiensten ein, die per Live-Stream auf Youtube übertragen werden. Am Karfreitag, 10. April, predigt um 15 Uhr Pröpstin Petra Kallies. Am Ostersonntag, 12. April, um 10 Uhr wendet sich Pröpstin Frauke Eiben an die Gemeinde.
Viele Pastorinnen und Pastoren aus der Propstei Lübeck und der Propstei Lauenburg senden zudem am Ostersonntag eine Video-Botschaft an die Gläubigen. Auf der YouTube-Seite des Kirchenkreises sind die „Osterworte“ in einer eigenen Playlist gesammelt.
Weithin sichtbar sind die Kirchtürme auch in Zeiten von Corona und Kontaktverbot. Sie werden zu Botschaftern der Hoffnung: „Bleib behütet“ und „Sei getrost“ stehen in großen Buchstaben auf Bannern, die nach und nach an vielen Kirchen und Häusern der Gemeinden in der Propstei Lauenburg angebracht werden.
Unter dem Motto „Ostern Zuhause“ ist die Kirchengemeinde Siebeneichen aktiv. Sie wartet mit kleinen Andachten und Aktionen auf. Aus Lübeck werden zudem fünf Gottesdienste im Radio übertragen. Der Offenen Kanal Lübeck FM 98,8 sendet: Karfreitag um 10 Uhr vom Lübecker Kreuzweg aus St. Jakobi. Mit dabei sind Bischöfin Kirsten Fehrs, Erzbischof Stefan Heße, Propst Christoph Giering, die Pastoren Kathrin und Lutz Jedeck sowie Björn Engholm.
Ebenfalls am Karfreitag predigen die Marienpastoren Robert Pfeifer und Inga Meißner. Der Gottesdienst beginnt um 15 Uhr – zur Sterbestunde Jesu.
Die andere Osternacht wird am Sonnabend, 11. April, ab 22 Uhr aus St. Jakobi mit den Pastoren Kathrin und Lutz Jedeck übertragen. Den Schlusspunkt bildet am Ostersonntag, 12. April, der Festgottesdienst aus dem Dom mit den Pastoren Margrit Wegner und Martin Klatt.
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Ottonen, Staufer, deutscher Widerstand, deutsche Teilung – Lothar Obsts Expertise im Bereich der deutschen Geschichte ist breit gestreut. Dies dokumentiert er Jahr um Jahr mit seinen Vorträgen und Exkursionen, die er für die Stiftung Herzogtum Lauenburg anbietet. Sein Interesse für historische Abläufe macht allerdings nicht an den Landesgrenzen halt. Das zeigt sich, wer sich mit ihm über die Geschichte Jesu und damit über die Antike unterhält.
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Wie alle anderen Museen im Kreis Herzogtum Lauenburg bleibt
auch das Grenzhus in diesen Tagen geschlossen. Vorerst bis zum 19. April. Mitarbeiter,
die ihre Arbeiten von zu Hause aus erledigen können, hat Leiter Andreas Wagner
ins Homeoffice geschickt. Ungeachtet dessen steht – Corona hin oder her – eine
Ausstellung zum Barber-Ljaschtschenko-Abkommen auf der Agenda. Dieser Vertrag führte
dazu, dass im November 1945 Ziethen, Mechow, Bäk und Römnitz den britischen
Besatzern und später dem Kreis Herzogtum Lauenburg zufielen. Im Tausch erhielten
die Sowjets die lauenburgischen Gemeinden Dechow, Groß und Klein Thurow sowie
Lassahn. Dieser Handel ging von den Briten aus, die dafür strategische Gründe
anführten. Deutschland war seit Mai 1945 – nach der Kapitulation des
Nazi-Regimes – von Briten, Russen, Franzosen und Amerikanern besetzt.
Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit Grenzhus-Leiter Wagner über das Abkommen
und den Stand der Ausstellungsrecherchen, die – wenn möglich – im Frühsommer abgeschlossen
werden sollen.
Kulturportal-Herzogtum.de: Herr
Wagner, was ist der Anlass, das Barber-Ljaschtschenko-Abkommen zwischen der
Sowjetunion und Großbritannien zum Thema zu machen?
Andreas Wagner: Der Anlass
ist der 75. Jahrestag. Die beteiligten Ämter Gadebusch, Rehna, Zarrentin und
Lauenburgische Seen haben in Erinnerung an diesen Gebietsaustausch ein Projekt
gestartet. Es geht darum im Sinne der Völkerverständigung aus dieser Geschichte
zu lernen und Aktivitäten zu entwickeln. Das Grenzhus beteiligt sich an der
Entwicklung einer Sonderausstellung. Wir sind jetzt dabei und sammeln Material.
KP: Sie suchen auch nach Zeitzeugen…
Wagner: Zeitzeugen zu finden, ist
schwierig. Es gibt aber noch die Kinder, die Erinnerungen haben – also diejenigen,
die damals Kinder waren. Jedoch werden bei den Nachforschungen die Arbeit in
den Archiven im Mittelpunkt stehen. Erstaunlich ist, dass bisher kaum die
britischen und russischen Aktenüberlieferungen unter die Lupe genommen wurden.
In den überlieferten deutschen Aktenbeständen findet sich zwar der Vertragstext,
die Übersetzung, und es gibt einzelne Dokumente, die auf das Zusammenspiel
zwischen der britischen Besatzungsmacht und den deutschen Verwaltungsstellen
hinweisen. Da werden dann sozusagen die Befehle der Briten umgesetzt. Aber es
gibt bisher keine Kenntnisse sowohl über das Zustandekommen des Vertrages bei
den Briten als auch bei den Russen. Das Abkommen ist ja durch die Militärs
verhandelt worden und da wäre es wichtig, auch in Unterlagen Einblick zu
nehmen, die etwas über die internen Abläufe sagen. Also: Wie kommt dieses
Abkommen überhaupt zustande? Wann beginnen die Verhandlungen? Wer spricht da
mit wem? Welche Interessen leiten die Offiziere? Behalten die Besatzungsmächte
die ausgetauschten Territorien weiter im Blick?
KP: Kommen Sie da so ohne Weiteres
an die Akten ran?
Wagner: Der Aktenzugang in
Großbritannien ist möglich. Bei den Russen sind jedoch wegen der verschärften
Einschränkungen bei der Archiv-Nutzung große Hürden zu überwinden.
KP: 75 Jahre liegt das Abkommen
zurück. Hat man sich denn nie auf westdeutscher und auf ostdeutscher Seite Gedanken
über die Aufarbeitung gemacht? Nach der Wende wäre beispielsweise eine gute
Gelegenheit dafür gewesen.
Wagner: Es ist so, dass es in der
Aufarbeitung der Geschichte einen eindeutigen Schwerpunkt in Schleswig-Holstein
gibt. Da sind die Erinnerungen regelmäßig dokumentiert worden. Auch in den
Verwaltungsarchiven ist das sehr gut belegt. Das Kreisarchiv Herzogtum
Lauenburg, mit dem wir eng zusammenarbeiten, hat 2005 eine Broschüre
rausgegeben, wo Erinnerungsberichte publiziert sind. Was bis 1990 nicht
dokumentiert wurde, ist die Geschichte der Dörfer, die in die sowjetische
Besatzungszone kamen, die waren ja nahezu leer. Da gibt es noch Geschichten von
den Menschen zu entdecken, die in diese Dörfer gekommen sind und diese Dörfer
ja neu entwickelt haben – unter den Bedingungen des Grenzgebietes. Es gibt da –
das war für uns ziemlich überraschend – eine ziemlich große Zahl von
Sudetendeutschen, die da angesiedelt wurden. Für Dechow ist das gut
dokumentiert. Das Dorf pflegt heute eine Partnerschaft mit der tschechischen
Gemeinde Ostašow, woher
die Neusiedler 1945/46 herkamen.
KP: Ich komme noch mal auf die
Zeitzeugen zurück. Sie sprachen von Menschen, die zur Zeit des Abkommens Kinder
waren. Haben Sie da jemanden ausfindig machen können?
Wagner: Wir haben mit dem 1931 in
Schlesien geborenen Jochen Friedrich sprechen können, der als Jugendlicher in
das Dorf Hakendorf gekommen ist. Am 2. Januar 1946 zog die Familie in ein
leerstehendes Haus dort ein.
KP: Gibt es noch weitere
Zeitzeugen? Sie hatten ja einen Aufruf gestartet?
Wagner: In Greifswald gibt es noch
jemanden. Ansonsten haben sich zwei Familienangehörige mit Objekten oder
Material gemeldet.
KP: Das ist nicht allzu viel.
Wagner: Das ist richtig. Wir hoffen darüber
hinaus, Informationen oder Hinweise auf Geschichten zu bekommen. Wo wir neue
oder wieder verschüttetet Dinge entdecken, ist in den Archiven. Da gibt es doch
einiges, was in dem Gesamtzusammenhang bisher noch nicht aufgearbeitet ist.
KP: Interessant ist, dass die Menschen
aus den Gemeinden, die dem Osten zugeschlugen wurden, in Scharen ihre Heimat
verlassen haben. Dabei gab es noch gar keine DDR und das Ende des Krieges lag
bereits ein halbes Jahr zurück. Woran lag das?
Wagner: Da kommt vieles zusammen. Der
wichtigste Beweggrund ist sicherlich die Angst vor dem „Russen“. Über Jahre wurde
durch die NS-Ideologie die Feindschaft gegenüber den „slawischen Untermenschen“
und den Bolschewisten propagiert. Hinzu kamen die Berichte der Flüchtlinge, die
von der brutalen Besetzung durch die Rote Armee erzählten. Viele gehen wahrscheinlich
auch in dem Glauben, dass das nur zeitlich begrenzt ist. In den Quellen wird
auch von Zusicherungen gesprochen, in Schleswig-Holstein eine Landwirtschaft übernehmen
zu können – auch wenn nicht so klar ist, ob das auch passiert ist oder nachher
so erinnert wurde. Entscheidend ist aber die große Angst vor den Sowjets. Das
wandelte sich aber dann.
KP: Inwiefern?
Wagner: Irgendwann merken die
evakuierten Menschen dann, dass sie in der ungeheuren Menge der Flüchtlinge und
Vertriebenen einfach untergehen. Im ganzen Kreis* sind Ende der 40er Jahre 70.000
Flüchtlinge unterzubringen. Wir sprechen hier gerade von 1.800 Menschen. Trotz
vieler verwandtschaftlicher Kontakte finden nicht alle Unterkunft und Arbeit,
ganz zu schweigen von einem Landwirtschaftsbetrieb. Das Schicksal der
sogenannten „Schaalseebauern“ beschäftigt mehrmals Politik und Verwaltung im
Kreis Herzogtum Lauenburg. Es gibt sogar einzelne Leute, die gehen 1947 wieder zurück
in Osten.
KP: Den eisernen Vorhang gab es
ja noch nicht. Deutschland war vom Krieg zerstört. Die Wirtschaft lag in Ost
und West gleichermaßen danieder.
Wagner: Die Menschen wissen nicht,
wie sich die Verhältnisse zukünftig entwickeln werden. Weder die Entwicklungen
in den einzelnen Besatzungszonen noch die deutsche Teilung waren damals
vorauszusehen. Im Rückblick sieht heute vieles ganz zwangsläufig aus, doch das
war es nicht. Die Menschen haben damals überlegt, wo kann man besser überleben.
Und geleitet haben sie Gefühle wie Angst oder wie sich die Nachbarn
entscheiden.
KP: Was bedeutete der Gebietstausch
für die Bundesrepublik und die DDR?
Wagner: Die Wirkungen reichen bis in
90er Jahre hinein – bis in den Prozess der deutschen Einheit. In der BRD gab es
eine lange Auseinandersetzung um das unter den Sowjets aufgeteilte Bodenreformland.
Die DDR hat versucht, das 1967 mit einem Film propagandistisch zu nutzen. 1952
gab es einen Grenzzwischenfall, wo DDR-Grenzpolizisten die Grenzschranke
Richtung Westen verlegten. Dann verhandelten Russen und Briten, wie dieser
Zwischenfall zu lösen ist, nicht DDR und BRD. Die Demarkationslinie zwischen
Schleswig-Holstein und Mecklenburg war im Abkommen nicht so klar festgelegt. Für
die Briten und die Russen war das ja eher eine Marginalie. Auch für die 1973
gegründete deutsch-deutsche Grenzkommission spielte das noch eine Rolle.
KP: Gibt es weitere
Besonderheiten?
Wagner: Die Kirchengemeinden Ziethen
und Ratzeburg blieben beim mecklenburgischen Kirchenkreis. Lassahn gehörte
weiterhin zum lauenburgischen Kirchenkreis. Heute frage ich mich, wie das
während der DDR-Existenz mit dem Grenzsperrgebiet umgesetzt wurde. Darüber
geben jedoch noch einzusehende Akten Auskunft.
KP: Herr Wagner, ich danke Ihnen
für das Gespräch.
Plötzlich ist alles futsch. Der Terminkalender, eben noch prall gefüllt, gelöscht. Anna Malten hat das in eine Schockstarre versetzt. Sich daraus zu lösen, hat ein paar Tage gedauert. „Dieses Jahr wäre unser bislang bestes Jahr gewesen“, sagt die Märchenerzählerin und Theatermacherin. Malten lebt mit ihrem Mann Wolf in Siebeneichen. Zusammen betreiben sie das Lübecker Wassertheater.
Die Schockstarre hat sie mittlerweile überwunden. Geholfen
habe da die große Solidaritätswelle, die kurz darauf losgebrochen sei, sagt
sie. Trost spendet ihr auch das Gefühl, Teil einer Schicksalsgemeinschaft zu
sein. Alle anderen seien ja auch betroffen.
Wegen ihres Berufes wähnt sie sich angesichts Krise sogar
ein wenig im Vorteil: „Wir Künstler sind besser dran, weil wir immer auf dem
Drahtseil tanzen“, sagt Anna Malten. Man sei Absagen gewohnt, müsse immer
überlegen, wie es weitergehe. Die erste Antwort, die die Maltens auf diese
Frage gefunden haben, ist die Zwangspause kreativ zu nutzen. Sie arbeiten an
einem neuen Stück und sie hoffen dafür auf Fördermittel. Gleichwohl, räumt sie
ein, sitze einem „die Angst im Nacken“. Denn – das stellt sie unmissverständlich
klar: „Wenn wir keine Fördermittel bekommen, war´s das schon im Sommer.“
Große Sorgen um ihre Existenz macht sich auch Anja Witt (Foto: Asja Caspari). Wie bei den Maltens hat das Virus bei der Künstlerin die Planungen über den Haufen geworfen. Die Malschule? „Musste ich komplett streichen“, sagt die Künstlerin, die in Aumühle ihr Atelier hat. Ausstellungen? Wird es erstmal nicht geben. Die Institute, die Galerien – alles dicht. Eigentlich wäre sie an neun Kunstschauen beteiligt gewesen. Drei Einzelausstellungen hatte sie sich vorgenommen.
Bilder gibt es in Zeiten von Covid 19 nur noch digital zu
sehen. Für Anja Witt ist das keine Alternative. „Die Leute müssen vorm Original
stehen“, sagt sie. In der Online-Galerie werde nichts gekauft.
Was ihr bleibt, ist die Vermietung von Kunst. Etwa an Kanzleien.
Dieses Standbein funktioniert aktuell noch. Sie hoffe, dass die Kunden auch weiterhin
ihre Bilder mieten. Damit erziele sie Einnahmen in Höhe von 1.000 Euro. Die
Summe deckt ihre Betriebskosten. Für die Sozialabgaben und den Lebensunterhalt reicht
es nicht.
Wie die Maltens mit ihrem Theater hofft die Malerin in der Krise auf Finanzhilfen. Vom Landeskulturverband hat sie die Zusage über 500 Euro. Ein Anfang. Um sich auf Dauer zu behaupten, braucht es aber mehr. Anja Witt hofft, dass die vom Staat aufgelegten Förderprogramme auch ihr unter die Arme greifen. Doch sie ist skeptisch. Die vom Bund auf den Weg gebrachte Finanzunterstützung für kleine Betriebe – in ihrem Fall ginge es um eine Summe von 9.000 Euro – gehe beispielsweise an ihr vorbei. „Das Problem mit dem Förderantrag zum Einmalzuschuss ist, dass er sich auf die Betriebskosten bezieht“, sagt die Malerin. In diesem Punkt habe sie aber keinen Liquiditätsengpass. Ihr Problem sei der ausbleibende Gewinn.
Als Vorsitzender des Landeskulturverbandes (LKV) fallen Guido Froese derzeit zwei Aufgaben zu. Er sammelt Spenden und er spendet Trost. Vor zwölf Tagen hat der LKV einen Nothilfefonds ins Leben gerufen. Aus diesem Topf können Kreative einen Zuschuss von 500 Euro beantragen.
„Mittlerweile haben wir 70.000 Euro gesammelt“, freut sich
Froese über die beachtliche Spendenbereitschaft. Für die nächsten Wochen hoffe
er auf weitere Hilfen. Eine Ausschüttung ist bereits erfolgt. „Wir haben die
ersten 100 Anträge unter Aufsicht ausgelost“, so Froese. Aktuell liege die Zahl
der Anträge bei 130.
Froese und Team sammeln aber nicht nur Geld, sie schenken
momentan auch immer mal wieder besorgten Künstlern ein Ohr. „Bei vielen hilft
schon mal das Gespräch, um ihnen die Existenzangst zu nehmen“, sagt Froese. Er
versuche die Menschen zu beruhigen und für Vertrauen zu den staatlichen
Institutionen zu sorgen.
Manchmal werde er auch zu Antragsformularen und
Fördermitteln des Bundes und Schleswig-Holsteins befragt. Der LKV könne allerdings
– stellt er klar – keine Förderberatung leisten. Umso wichtiger ist ihm, dass
sich kulturelle Einrichtungen, die durch das Raster der Hilfsprogramme fallen,
bei ihm melden. Es gehe darum „alle im Blick“ zu haben.
Für so etwas wäre sicherlich eine Datenbank für Kulturschaffende
hilfreich. So etwas gibt es aber (noch) nicht. So freut sich Froese, dass er
durch die Krise erfährt, wo welche Künstler zu Hause sind. Viele, erklärt er,
kommen aus Kiel, aus Lübeck oder Flensburg. Da seien es mehr als im
„Flächenbereich der Kreise“.
Wer spenden möchte, kann dies unter dem Stichwort „Kulturhilfe“ tun. Das eigens dafür eingerichtete Konto hat die IBAN DE51 2145 0000 0105 0396 71 (BIC: NOLADE21RDB). Spenden werden zudem via Paypal unter www.paypal.me/kulturhilfeSH entgegengenommen.
Mit einem kostenfreien Zugang zur Online-Ausleihe haben die Stadtbüchereien Geesthacht und Schwarzenbek auf die Corona-Krise reagiert. Der Gratis-Service gilt bis zum 30. Mai. Anmeldungen sind unter https://sb-geesch.lmscloud.net/ möglich.
„Da wir unsere Leserinnen und Leser leider in dieser
außergewöhnlichen Zeit nicht mit unseren physischen Medien versorgen können,
wollen wir mit unserem Online-Angebot bestmöglich für sie da sein“, heißt es in
einer Pressemitteilung der beiden Stadtbüchereien. Das Angebot richtet sich an
alle Interessierten.
Die „Onleihe“ der Stadtbüchereien Geesthacht und Schwarzenbek
ermöglicht die digitale Ausleihe von Büchern (eBooks), Hörbüchern (eAudio)
aktuellen Zeitungen & Zeitschriften (ePaper) und Videos (eVideo). Auch
eLearning-Kurse aus vielfältigen Bereichen sind abrufbar.
Sie reichen von Persönlichkeitsentwicklung über Sprachkurse bis zu
EDV-Trainings. Für Einsteiger gibt es unter „Hilfe“ ausführliche Anleitungen
und Video-Tutorials. Bei Problemen hilft ein Blick in das Nutzer-Forum.
Die „Onleihe“ hält zudem die digitale Version des „Duden Basiswissen
Schule“ vor. Das Standardwerk bietet Lernhilfen zu allen wichtigen
Schulfächern von Englisch bis Physik für Klasse 5-10 sowie für das Abitur. Darüber
hinaus können Nutzer auf den Brockhaus, auf das Brockhaus Kinderlexikon und die
Brockhaus Online-Kurse zugreifen.
Ein weiterer Vorzug sind die Munzinger Datenbanken, die wöchentlich
aktualisiert werden. Sie bieten wichtige Informationen – beispielsweise für
Referate und Präsentationen. Unter anderem sind darunter 30.000 Biographien, Daten
und Fakten aller Staaten, internationaler Zusammenschlüsse & Organisationen
sowie alles zu aktuellem & vergangenem Weltgeschehen zu finden.
Verlängerte Osterferien – wie cool ist das denn? Oder auch nicht. Schülerinnen und Schüler durchleben gerade aufgewühlte Tage. Ihr Leben – ihre Welt – ist durch das Virus auf den Kopf gestellt.
Unterrichtsausfall und Kontaktsperre
schaffen nicht nur neue Herausforderungen, sie legen auch Emotionen frei. Die
Krise erzwingt kurzfristige Veränderungen. Das alles muss keineswegs negativ
sein, sondern kann durchaus zum Ausgangspunkt kreativer Prozesse werden.
Die Kreisfachberaterinnen und
Kreisfachberater für Kulturelle Bildung an den Schulen in Schleswig-Holstein haben
deshalb ein bisher einmaliges Projekt entwickelt, das allen Schülerinnen und
Schülern im Land die Möglichkeit bietet, sich künstlerisch mit dem Corona-Virus
und der Welt im Ausnahmezustand auseinanderzusetzen. Ziel ist die erste
landesweite Schüler-Ausstellung, die den Titel „Schülerinnen@homeart“ tragen
soll. Dazu kann ab sofort bis zum regulären Schulbeginn jede Schülerin und
jeder Schüler etwas beitragen.
„Alles ist möglich – Musik, Bilder, Fotos, Videos, Gedichte, Kurzgeschichten“, so Antje Wilkening, Kreisfachberaterin für den Kreis Segeberg. Ihre Kollegin Frederice Graf aus Stormarn ergänzt: „Unsere virtuelle Ausstellung bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre Gefühle und Gedanken auf künstlerische Art und Weise zum Ausdruck zu bringen und ihre Werke mit anderen zu teilen. So können Hoffnung und ein Gefühl von Gemeinsamkeit entstehen.“
Eine erste künstlerische Arbeit ist bereits eingegangen. „Resistenza“ heißt das Werk der Lübecker Schülerin Merit Binding (14 Jahre). „Mit dem Bild möchte ich besonders der italienischen Bevölkerung Mut machen. Was gerade um mich herum passiert, kann ich mir nicht erklären – es sind keine konkreten Formen erkennbar. Die Atemschutzmaske habe ich auf dem Bild nur lose montiert, da ich sicher bin, sie bald wieder abnehmen zu können. Und dann zeige ich euch mein Bild ohne Maske!“
Für die musikalisch Interessierten
gibt es sogar ein für „Schülerinnen@homeart“ geschriebenes Lied, das die
Schüler gemeinsam weiterentwickeln können. „Im Song ‚Verrückte Zeit‘ können
die Schüler gemeinsam musizieren und Teil eines großen
Ganzen werden“, sagt Dirk-Lorenzen Matthiesen, Kreisfachberater für Flensburg,
der dieses Stück zur interaktiven Gestaltung entwickelt hat.
Die eingesendeten Beiträge sollen dabei nicht nur im Internet bleiben. „Alle Ergebnisse
haben die Chance, im nächsten Schuljahr auf einer zentralen Landes-Performance-Ausstellung
präsentiert zu werden“, stellt Ingo Schlünzen aus Neumünster klar.
Es ist der erste Exodus, der da im 16. November 1945 von statten geht. Herden von Rindern, Schafen und Pferden drängen sich auf der Straße. Landwirtschaftliches Gerät wird abtransportiert. Hier und da ist das laute Donnern eines Panzers zu vernehmen.
Hab
und Gut von Bauern, die östlich des Schaalsees zu Hause sind, verschwinden an
diesem Tag Richtung Westen. Seit dem 14. November wissen die Menschen aus
Lassahn, dass ihre Heimat ab dem 28. November zur sowjetischen Einflusszone
gehört, die Dechower und Thurower erfahren es am Tag darauf. Im Gegenzug gehen
Römnitz, Bäk, Mechow und Ziethen an die Briten. General Colin Muir Barber und
Nikolai Grigorjewitsch Ljaschtschenko haben sich darauf geeinigt. Es ist ein
von den Briten angeschobener Deal, weil die Gebiete östlich vom Schaalsee für
sie nur schwer zu erreichen waren.
Der zweite Exodus startet eine Woche später: Die Menschen aus der Region östlich des Schaalsees verlassen in Scharen ihre alte Heimat. Allein aus Dechow fliehen mehr als 1.000 Menschen der 1.237 Einwohner. Offensichtlich schreckt es einen Großteil der Menschen ab, der Herrschaft Stalins ausgesetzt zu sein.
Rund
75 Jahre nach diesem Ereignis widmet sich das Grenzhus Schlagsdorf diesem
Ereignis. Die Einrichtung sucht Zeitzeugen, die sich an das Geschehen in der
Region Mitte der 40er Jahre erinnern. Welche Emotionen verbinden diese Menschen
mit dem Barber-Ljaschtschenko-Abkommen? Wie blicken sie heute auf den Vertrag
zurück? Was bedeutete das Abkommen kurz- und langfristig für die Region
diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs? Auf diese und weitere Fragen
hofft das Grenzhus Antworten zu bekommen.
Zeitzeugen können sich per Mail unter info@grenzhus.de sowie telefonisch unter der Rufnummer 038875-20326 melden. Weitere Infos zu der Einrichtung gibt es unter www.grenzhus.de.
Das Grenzhus Schlagsdorf arbeitet derzeit an einer Ausstellung zum Barber-Ljaschtschenko-Abkommen – einem Gebietstausch zwischen den Besatzungsmächten Großbritannien und der Sowjetunion im November 1945 – rund ein halbes Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Tausch fand direkt vor unserer Haustür statt. Er betraf Dörfer im Lauenburgischen und Mecklenburgischen. Mit Jochen Friedrich hat das Grenzhus einen Zeitzeugen aus Hakendorf ausfindig machen können. Leiter Andreas Wagner sprach mit ihm über seine Erinnerungen.Hier lesen Sie seinen Bericht.
Jochen Friedrich ist 1931 in Schlesien geboren. Die Familie
betreibt in Metkau (heute Mietków) bei Breslau eine kleine Landwirtschaft. Sie flüchtet
Ende des Krieges mit vier Pferden und zwei Wagen in Richtung Westen und landet in
Britz bei Eberswalde. Sieben Menschen gehören zur Gruppe, darunter Stiefvater,
Mutter und Jochen Friedrich.
Ende April 1945 erreicht die Gruppe Schwerin. Von dort zieht
sie weiter Richtung Westen. In Bennin, dann Tüschow (südöstlich von Zarrentin)
und Granzin (bei Boizenburg) finden die Flüchtenden schließlich Unterkünfte. Das
Kriegsende nehmen sie kaum wahr. Als die Briten Westmecklenburg am 1. Juli 1945
an die Russen übergeben, dürfen sie vom Stall in ein Zimmer ziehen. Von Juli
bis Dezember 1945 kommen sie in einer leerstehenden Jagdhütte, ohne Strom und
Wasser, unter.
Die Versorgung der Pferde gehört zu den Pflichten von
Jochen Friedrich. Schon früh geht er mit ihnen los, damit sie am Wegesrand
Futter finden. Eine Weide haben sie nicht. Das Hab und Gut der Flüchtlinge ist
auf dem größeren und gummibereiften Wagen untergebracht: Kleidung, Waschwanne
und Betten. Auf dem kleineren transportieren sie Hafer für die Pferde.
Weihnachten 1945 hört der Stiefvater von den leergezogenen Dörfern
am östlichen Schaalseeufer. Fast alle Einwohner sind den abziehenden Briten
gefolgt. Der Stiefvater erkundet die Lage und findet ein leeres Haus in
Hakendorf. In dem Ort sind nach Abzug
der Briten nur noch zwei Häuser bewohnt: Familie Bruhn und Fischer Drostatis. Am
2. Januar 1946 zieht die Familie in das abgelegene Dorf nördlich von Zarrentin.
Sie hat Glück – im Stall liegt das ungedroschene Getreide, in der Miete die
Futterrüben. Die Felder sind bestellt.
Dennoch ist der Anfang schwer. Es fehlen Technik und
Werkzeuge. Das Dorf ist von der Außenwelt abgeschnitten und das Grundwasser
liegt tief. Im Dorf sind sowjetische Soldaten für den Grenzdienst untergebracht.
Sie beanspruchen oft Pferd und Wagen für Transporte in die umliegenden Orte,
was man ihnen nicht verweigern kann.
Besonders aufwändig ist der Transport der gemolkenen Milch.
Jeden Tag muss sie in die 13 Kilometer entfernte Molkerei nach Zarrentin gebracht
werden. Die Familien aus dem Dorf wechseln sich mit dem Transport ab.
Mangelware sind in diesen Tagen Schmiede und Eisenmaterial.
So geht der Stiefvater im ersten Winter mit den Pferden über den zugefrorenen
Schaalsee nach Schleswig-Holstein, um die Pferde beschlagen zu lassen oder
Hufnägel und Hufeisen gegen Butter zu tauschen.
1950 verlässt Jochen Friedrich Hakendorf, um auf die Landwirtschaftsfachschule
zu gehen. Nach einem schweren Unfall geben Stiefvater und Mutter die
Landwirtschaft 1960 auf und verlassen Hakendorf. Der Stiefvater stirbt 1962.
Die Häuser in Hakendorf fallen in den 1970er Jahren der DDR-Grenzsicherung zum Opfer. Auch das Haus, in dem Jochen Friedrich 1946 eine neue Heimat findet, muss weichen. Heute lebt er in Hagenow. Gleichwohl lässt ihn sein altes Zuhause nicht los. Er sucht Kontakt zu Alt-Hakendorfern, die 1945 das Dorf verlassen haben.
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