Das Wörterbuch der Pandemie hat diese Worte fast schon vergessen gemacht. Aber es gibt sie noch. Die Leichtigkeit. Die Unbeschwertheit. Es gibt sie noch, so lange es auch die Momente dafür gibt.
„Play!“ produziert solche Momente offensichtlich in Serie. Die 14 Jugendlichen, die bei diesem Theater- und Hörspiel-Camp im Jugendgästehaus Lütjensee dabei sind, machen an diesem Morgen jedenfalls einen ziemlich fröhlichen Eindruck. Dabei hätten sie allen Grund aufgeregt zu sein. Schließlich geht es jetzt um die letzten Feinheiten für „Die Mutprobe“. Schon morgen ist das Camp zu Ende. Spätestens dann soll es eine Aufnahme des Stücks geben, das sie sich gemeinsam ausgedacht haben.
Heute ist die Presse da. Sie lässt sich erzählen und demonstrieren, was hier in dieser Woche so alles passiert ist. „Ok – denn machen wir jetzt ab Geräusche ‚Tisch decken’“, startet Katharina Feuerhake die Darstellung für die Journalisten. Zwei Jugendliche schieben postwendend Flaschen, Gläser und Teller auf einem Tisch hin und her. Gläser schlagen aneinander. Porzellan stößt auf Porzellan. Anna-Maria und Karla warten auf ihren Einsatz. Sie haben sich mit Piet um ein Mikro gruppiert. Piet spielt Kevin. Das ist der Junge, der bei einer Mutprobe im Hochseilgarten in die Tiefe stürzt. Die Klasse glaubt, dass er tot ist.
„Ach Kevin, da bist du ja“, übernimmt Theaterpädagogin Feuerhake die Rolle der Lehrerin, die mit ihren Schülerinnen und Schülern auf Klassenfahrt in einem Landheim ist. „Könntest du noch Gläser aus der Küche mitbringen?“
Klar kann er das. Bis zu diesem Moment hat die Klasse versucht sein Verschwinden zu vertuschen.
„Scheiße – wo kommt der denn plötzlich her“, flüstert eine Stimme.
Karla beugt sich mit dem Manuskript in der Hand über das Mikro. „Habt ihr gesehen?“ fragt sie. „Der sah putzmunter aus!“
„Sei froh, dass er wieder da ist. Sind wir wenigstens keine Mörder“, spricht Anna-Marie ins Mikro. Im Off sagt sie: „Ich versuche die anderen davon zu überzeugen, dass wir mit den Eltern reden sollten.“ Doch damit dringt sie, die in „Die Mutprobe“ einen ängstlichen Typus repräsentiert, nicht zu ihren Klassenkameradinnen und Klassenkameraden durch.
Das „Opfer“ Kevin weiß die Situation für sich zu nutzen. Er erpresst die Gruppe. „Ich habe mir diese Rolle selber ausgesucht“, verrät Piet. „Ich muss in dem Stück ironisch sein und das kann ich ganz gut. Für mich ist es die Traumrolle.“ Das Hörspiel-Camp ist schon seine zweite Erfahrung in diesem Bereich. Bereits im Frühjahr war er an einer Hörspiel-Produktion beteiligt. Piet kann sich durchaus vorstellen, eines Tages im Hörspielgenre zu arbeiten.
So weit gehen die Gedanken von Anna-Maria nicht. Sie ist eher „hobbymäßig“ dabei. „Ich hätte aber nichts dagegen, Profi zu sein“, sagt sie. Fürs Erste ist sie aber wie Piet und all die anderen im Hier und Jetzt unterwegs und genießt die leichten Momente, die dieses Sein im Theater- und Hörspiel-Camp produziert.
Ob sich nach dem Camp irgendwann für sie, Piet oder jemand anders tatsächlich „Wege ins Theater“* eröffnen, so der Name des Projektes, unter dem „Play!“ läuft, wird sich zeigen.
Erst einmal führt ihr Weg direkt auf den Rasen vor dem Freizeitheim, wo Theaterpädagogin Feuerhake mit den Jugendlichen Koordinations- und Konzentrationsübungen macht.
„Ihr habt gerade im Lotto gewonnen!“ ruft Feuerhake. „Freeze!“
Die Jugendlichen stoppen ab und reißen die Arme hoch. Die Theaterpädagogin hat die Pausetaste gedrückt. Doch das ist nur eine Momentaufnahme.
*Geldgeber sind der Bund mit dem Förderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ und die ASSITEJ Deutschland (Association Internationale du Théâtre de l’Enfance et la Jeunesse). Regional haben die Stadtjugendpflege Mölln, der Kreis und die Stiftung Herzogtum Lauenburg das Theater- und Hörspiel-Camp unterstützt.