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Thema der Woche

„Was´ los, Deutschland!?“

Es gibt sie tagtäglich in Deutschland. Die kleinen und großen Tuscheleien, die grobschlächtigen Beleidigungen, die Benachteiligungen und die Gewalt gegenüber Migranten. Insbesondere wenn es sich um Muslime handelt. Der Alltag kann für diese Menschen bisweilen schwierig und hässlich sein. Dem Großteil der Gesellschaft jedoch bleiben diese Lebenswelten in der Regel verborgen.

Die Wanderausstellung „Was´ los, Deutschland!?“, die noch bis zum 3. November im Regionalen Berufsbildungszentrum Mölln (BBZ) zu sehen ist, soll einen Beitrag dazu leisten, das zu ändern. Sie macht dies, indem sie den Besucher beziehungsweise die Besucherin hineinstellt in diese Lebenswelten. Großformatige Pappfiguren und Pappgegenstände bilden dafür den visuellen Rahmen. Man bewegt sich quasi unter Leuten und wird Zeuge von Alltagsdialogen, die sich um Diskriminierungen, Vorurteile und Gewalt drehen.

Insgesamt zwölf Stationen kann man durchlaufen. Die Macher von der CD-Kaserne gGmbH Celle bezeichnen diesen Parcours als „eingefrorenes Theaterstück“. „Hier werden alle Themen angesprochen, die sich aus den Möllner Anschlägen ergeben und die wir mit jungen Menschen besprechen wollen“, so Mark Sauer bei der Eröffnung. Sauer sprach im Namen vom Verein Miteinander leben, der die Ausstellung nach Mölln geholt hat. Finanzielle Unterstützung für dieses Vorhaben kam von der „Partnerschaft für Demokratie Kreis Herzogtum Lauenburg“.

Wie wichtig das Thema für das Zusammenleben und den Zusammenhalt der Gesellschaft ist, machen die wenige Zahlen deutlich, die Bürgermeister Jan Wiegels bei der Eröffnung präsentierte. In Deutschland leben mittlerweile rund 5,5 Millionen Muslime. In Mölln bekennen sich 1.000 der 19.500 Einwohner zum Islam. Der Islam ist landauf, landab präsent. Er ist ein Teil Deutschlands.

Die Ausstellung „Was´ los, Deutschland!?“ ist für Einzelpersonen frei zugänglich. Schulklassen und Jugendgruppen müssen sich anmelden. Die Anmeldungen nimmt der Verein Miteinander leben, erreichbar unter Tel. 04541-206726 (nach 17 Uhr) oder per Mail miteinander.leben@t-online.de entgegen.

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Schwierige Matrix

Nein, dieses Wort genoss lange Zeit keinen guten Ruf. Vor allem der politischen Linken stieß es sauer auf. Der Nationalsozialismus hatte den Begriff „Heimat“ für seine rassistische Ideologie missbraucht und verbrannt. Dass es da manchem gesellschaftlichen Akteur in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an Toleranz mangelte, ist nur allzu verständlich.

Mittlerweile liegt das Ende der Naziherrschaft 76 Jahre zurück und mit dem Fortschreiten der Zeit scheint auch ein Verständniswandel eingesetzt zu haben, dem Prof. Dr. Joachim Reichstein (Schleswig) am Donnerstag, 4. November, im Markttreff Gülzow nachgeht. Unter dem „Die neue Sehnsucht nach Heimat“ widmet er sich der Vergangenheit und der Gegenwart des Begriffs. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Der Referent will zeigen, dass nichts so verletzlich ist wie unsere Heimat; dass es keine abstrakte Heimat gibt, sondern dass Heimat – auch die in unserem Kopf – immer konkret ist und deshalb verletzlich. „Wir brauchen die universelle existentielle Matrix Heimat zum Leben wie die Atemluft“ sagt Prof. Reichstein. In der neuen Sehnsucht nach Heimat mache sich diese als Erfordernis bemerkbar.  

Für die Veranstaltung kooperiert die Stiftung Herzogtum Lauenburg mit dem Verein Heimatgeschichte Gülzow und dem Kreativausschuss MarktTreff. Anmeldung unter info@stiftung-herzogtum.de oder Tel. 04542 87000 ist erforderlich.

Die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg ist Premiumpartner der Stiftung Herzogtum Lauenburg.

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Bedrohlicher Hass

Dieser Krieg kennt keine Pausen. Er tobt unentwegt. Tag und Nacht. Und er macht keine Gefangenen. Die Attacken laufen immerzu und auf die vollkommene Vernichtung des Gegners hinaus.

Willkommen in der Welt des 21. Jahrhunderts. DasZeitalter, in dem Gerüchte als Gewissheiten maskiert werden. Das Zeitalter, das die Pogromstimmung als Dauerzustand etabliert und das Wort „Nachsicht“ aus dem Lexikon gestrichen hat. In dieser Welt geht der Daumen hoch oder runter.

Unschwer zu erkennen, dass die Welt, von der hier die Rede ist, die digitale ist. Doch weil dieser Krieg nun schon diverse Jahre tobt, färbt er immer stärker auf die reale Welt ab. Hass findet seine Plattformen und treibt die gesellschaftliche Spaltung voran. In seinem Fahrwasser folgen Mord und Totschlag, Terrorakte von Menschen, die als sogenannte Einzeltäter durchgehen, aber im digitalen Raum „Freunde“ und Ermutigung gefunden haben.

Wie kann vor dieser Gemengelage Toleranz gedeihen? Dies ist eine der drängendsten Frage, vor der die Menschheit im 21. Jahrhundert gestellt ist. Toleranz – ein großes Wort und ein wichtiges Versprechen, das ein pluralistisch ausgerichtetes Staatswesen seinen Bürgerinnen und Bürgern mit auf dem Weg gibt. Nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit. Zur Toleranz gehören auch Grenzen, meint etwa der Philosoph Rainer Forst. Beispielsweise ein No-Go bei der Verletzung von Menschenrechten.

Manches aber will, muss ausgeleuchtet und diskutiert sein. Es braucht den Willen, sich in andere hineinzuversetzen und Einstellungen und Verhalten hinzunehmen (sofern die Verfassung es zulässt). Denn, so argumentiert Philosoph Forst: Tolerieren können wir nur, was wir als falsch oder schlecht empfinden. Was wir befürworten, müssten wir ja gar nicht tolerieren.

Die Frage ist nur: Wird sich die Gesellschaft von morgen dessen noch bewusst sein, wenn die Menschen, die ihr angehören, in einem fortwährenden digitalen Krieg groß geworden sind? Mit der Beantwortung dieser Frage entscheidet sich womöglich auch das Überleben der Menschheit. Denn je mehr der Hass im Netz eskalieren kann, desto größer wird die Gefahr, dass aus einem digitalen Krieg ein physischer Vernichtungskampf wird: ein Dritter Weltkrieg.

Das Szenario ist zu weit hergeholt? Vielleicht. Hoffentlich. Auf jeden Fall können wir jeden Mann und jede Frau, die sich für ein tolerantes Miteinander einsetzen, gebrauchen. Mehr denn je.

Helge Berlinke