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Nördlich der A24

„In der Musik kann ich mich ausleben“

Im Kreis Herzogtum-Lauenburg dürfte es kaum einen Ort geben, an dem Lorenz Stellmacher nicht schon mal zu einem Instrument gegriffen hat. Der gebürtige Lübecker ist musikalisch äußerst vielseitig und beherrscht unter anderem Akkordeon, Nyckelharpa und Dudelsack. Bereits als Kind erhielt er Klavierunterricht. Für einen Schulmusiker hätten seine Fähigkeiten gereicht, beurteilt er seine Fingerfertigkeit am Flügel kritisch. Aber den Drang zu mehr – betont er im Interview mit Kulturportal-Herzogtum.de – habe er nicht verspürt. Musik sei für ihn nur Liebhaberei. Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit Stellmacher über Folk, Schweden und einen schweren Schicksalsschlag.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Stellmacher, wo rührt Ihre Vorliebe für das Schwedische her?

Lorenz Stellmacher: Das hat eindeutig mit der Folkmusik zu tun. Als 2001 die Akkordeonspielerin von Danzfolk ganz plötzlich verstarb, fragte mich die Gruppe, ob ich mitmachen will. Die Band hatte damals eine Reihe von Verpflichtungen erfüllen. Das erwies sich für mich als eine Initialzündung. Vorher hatte ich höchstens mal einen schwedischen Tanz gespielt. Danzfolk hatte gleich eine ganze Reihe von schwedischen Nummern im Programm.

KP: Die Melodien fielen Ihnen sozusagen in den Schoß…

Stellmacher: Nicht ganz. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mit der Polska. Das ist ein Tanz im Dreiviertel-Takt, der völlig anders als ein Walzer funktioniert. Abgesehen von diesen Startschwierigkeiten hat mir die Zeit mit Danzfolk aber riesigen Spaß gemacht. Wir spielten beispielsweise beim Folkfestival in Rudolstadt, wo jedes Jahr mehr als 100 Bands auf 20 Bühnen auftreten. Da kommen Leute aus der ganzen Welt.

KP: Sind Sie auf diese Weise auch zu Ihrer Nyckelharpa gekommen?

Stellmacher: Nein, das kam später. Eine Nyckelharpa habe ich mir 2010 zugelegt. Nimmst dir ´ne Tastengeige habe ich mir gesagt, die richtige Geige lernst du nicht mehr. Sie müssen wissen, ich habe damals als Berufsschullehrer unheimlich viel gearbeitet. 2009 bin ich dann auf dem Weg zur Schule umgefallen. Plötzlicher Herztod! Ich wurde direkt vor Ort wiederbelebt.

KP: Puh – was für ein Glück!

Stellmacher: Seitdem muss ich aufpassen. Ich trage einen implantierten Defibrillator und bin schwerbehindert.

KP: Können Sie Ihren Beruf noch ausüben?

Stellmacher: Nein. Ich bin aus dem strengen Korsett des Lehrplanerfüllens heraus.

KP: Musik können Sie – wie man immer wieder hört – zum Glück noch machen.

Stellmacher: Ja, und ich werde von Jahr zu Jahr besser. Die Schere im Kopf der Folkpolizei verschwindet.

KP: Folkpolizei?

Stellmacher: In der Klassik gibt es den Begriff der „Werktreue“. Das heißt, man hat beispielsweise Bach auf eine ganz bestimmte Art zu spielen. So etwas gibt es in der Folkmusik nicht. Da muss jedes Stück nur zu mir passen. Vielleicht klinge ich für die Schweden nicht schwedisch. Aber deshalb spiele ich keine Folkmusik. Ich spiele Folkmusik, weil ich da meine Interpretation reinbringen kann. Warum? Als Lehrer musste ich immer ganz seriös sein. In der Musik muss ich das nicht. Da kann ich Experimente machen und mich ausleben.

KP: Bei aller Freiheit bleibt die Vorliebe für schwedische Folkmusik. Warum?

Stellmacher: Sie spricht mich innerlich an. Das ist mehr als Noten, mehr als Töne, die klingen. Das ist magische Musik, die ich mir zu eigen machen kann. Es ist Leben.

KP: Es gibt da aber schon etwas Klangliches, was sie anzieht…

Stellmacher: Die Kollegen sagen immer, du liebst alles, was Moll ist. Die Musik ist so schön melancholisch.

KP: Apropos Kollegen. Haben Sie eigentlich Kontakt zu schwedischen Folkmusikern?

Stellmacher: Schwedische Musiker treffe ich beispielsweise bei Tagungen auf dem Scheersberg. Das Verhältnis ist immer entspannt. Die Leute sind freundlich und man kann schnell Musik miteinander machen. Leider bin ich bis heute nicht auf einem Spielmannstreffen auf dem schwedischen Festland gewesen. In Gotland war ich mal dabei.

KP: Was nicht ist, kann ja noch werden. Schweden wird ja von uns Deutschen gerne romantisiert. Es gibt das böse Wort vom „Bullerbü-Syndrom“. Wie halten Sie es, als jemand, der die schwedische Musik, liebt, mit dem Land?

Stellmacher: Schweden ist schön. Keine Frage. Aber hier ist es auch schön und ich lebe gern hier.

KP: Herr Stellmacher, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Infos zu Stellmachers nächsten Auftritten und zu seinen Instrumenten:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/05/die-magie-des-folks-erspueren/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/05/unter-lauten/