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Die Leiter zur Freiheit hinauf

Anja Franksen präsentiert in Basthorst multimediale Ausstellung

Vermutlich war diese ästhetische Zweckentfremdung nur eine Frage der Zeit. Eine Künstlerin wie Anja Franksen, die regelmäßig und gerne auf Leitern steigt, um hohe Decken und Wände zu streichen – muss die sich nicht irgendwann fragen, warum sie das so gerne tut? Und steht erst diese Frage im Raum, ist dann nicht der Weg zu einer künstlerischen Auseinandersetzung quasi vorgezeichnet?

Vielleicht passt hier das Bild von der kreativen Explosion. Irgendwo im Hintergrund kokelt da etwas vor sich hin und plötzlich – zack! – ist da diese Millisekunde und die Sache fängt Feuer. So etwa muss man sich das Ganze bei Anja Franksen vorstellen. Doch dazu gleich mehr. Festzuhalten ist erst einmal, dass die Lübecker Künstlerin auf die Leiter gekommen ist. Zunächst für den KulturSommer am Kanal 2021 und nun für die Reihe „Sound Catching – Klänge am Wegesrand“. Unter dem Titel „Und dann wahrscheinlich geradeaus“ hat sie in der Basthorster Kirche eine multimediale Ausstellung kreiert.

„Wenn ich auf eine Leiter steige, den sicheren Boden verlasse und mich tastend in die Höhe bewege, dann ist das ein ganz tolles Gefühl. Es ist, als würde man frei schweben.“
Foto: Antje Berodt

Frei schwebt dort vom 31. Oktober bis zum 21. November im Kirchenraum eine Leiter. Gleichzeitig laufen auf einer Leinwand bewegte Bilder vom diesjährigen KulturSommer. Eine musikalische Collage, komponiert von Manfred Scharfenstein, rundet die Schau innerhalb der Kirchenmauern ab. Außerhalb stoßen die Menschen auf zwei weitere Leitern – Leitern, die aus der Tiefe ins Leere laufen.

Zunächst einmal wolle sie den Betrachter beziehungsweise die Betrachterin verstören, sagt dazu die Künstlerin. „Die Leitern sollen aus ihrem normalen Gebrauchskontext herauskommen.“ Sie verbinde damit einen Perspektivwechsel, was das Umfeld und die Platzierung der Leitern angehe.

Dass sie die Leiter nun, nachdem sie ihr jahrelang als Gebrauchsgegenstand diente, ausgerechnet im Jahr 2021 zum Kunstgegenstand gemacht hat, liegt im diesjährigen Motto des KulturSommers am Kanal „Am Ufer – die Freiheit“ begründet. „Ich habe mich deshalb so intensiv wie noch nie mit dem Begriff ‚Freiheit‘ beschäftigt. Ich habe mich gefragt: Was könnte metaphorisch für die Freiheit stehen?“ Es ist der Moment, die Millisekunde, die den kreativen Prozess unwiderruflich in Gang setzt. „Ich kam schließlich auf die Leiter“, sagt Anja Franksen.

Die Leiter als Metapher. Bei Anja Franksen geht diese Zuordnung über die reine Ratio hinaus. Natürlich weiß sie, dass die Leiter als Bindeglied zwischen metaphysischer und physischer Welt in vielen Kulturen auftaucht. Doch bei ihr gibt es da noch eine emotionale Ebene: „Wenn ich auf eine Leiter steige, den sicheren Boden verlasse und mich tastend in die Höhe bewege, dann ist das ein ganz tolles Gefühl. Es ist, als würde man frei schweben.“

Dass in Basthorst zwei der Leitern unter freiem Himmel zu entdecken sind, ist ebenfalls ein emotionales Statement: „Wirklich frei“, stellt Anja Franksen klar, „fühle ich mich in der Natur.“ Deshalb sei es für sie folgerichtig gewesen, die Leitern in der Landschaft zu verorten.

Die Multimedia-Ausstellung wird am 31. Oktober um 18 Uhr mit einem Gottesdienst eröffnet. Sie ist zudem bis zum 21. November freitags von 15 bis 18 Uhr sowie sonnabends und sonntags von 11 bis 16 Uhr zugänglich. Das für Freitag, 19. November, geplante Konzert mit dem Organisten Markus Schell findet aufgrund der steigenden Inzidenzzahlen nicht statt.

Die multimediale Ausstellung „Und dann wahrscheinlich geradeaus“ ist das mittlerweile vierte Event der Reihe „Sound Catching – Klänge am Wegesrand“. Zuletzt hatten Laura Gericke und Roland Wendling unter dem Titel „Schöneheit“ in Geesthacht ein Spiel aus Sprache und Musik inszeniert. Anna Malten hatte den Möllner Stadthauptmannshof vom 27. September bis 3. Oktober in ein Märchenland verwandelt.

Gestartet war die Reihe am 4. September mit zehn audiovisuellen Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die das Künstlerhaus Lauenburg in Kooperation mit der Stiftung Herzogtum Lauenburg auf der Brachfläche Berliner Straße (Lauenburg) präsentierte. Diese Ausstellung ist mittlerweile digital unter www.kuenstlerhaus-lauenburg.de zugänglich.

„Sound Catching – Klänge am Wegesrand“ ist Teil des Projektes „Sommerkultur – Schleusen auf für Begegnung“, für das sich die Stiftung Herzogtum Lauenburg mit anderen Kulturschaffenden zusammengetan hat. Es wird im Programm „Kultursommer 2021“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit Mitteln aus „Neustart Kultur“ gefördert.