Nach dem Spiel ist vor dem Spiel heißt es in diesen Tagen für Daniela Victoria Kiesewetter. Gerade hat die 21-Jährige für den KulturSommer am Kanal die Operette „LiebesEiferSucht“ inszeniert (6. Juli, Viehhaus Segrahn), da steht ihr schon der nächste Job ins Haus. An der Deutschen Oper Berlin übernimmt sie die Assistenz für Stefan Herheims Neuinszenierung vom „Ring des Nibelungen“. Bevor sie sich in das neue Abenteuer stürzen kann, sprach Kulturportal-Herzogtum.de mit ihr über ihre Regiearbeit für „LiebesEiferSucht“.
Kulturportal-Herzogtum.de: Frau Kiesewetter, das Stück „LiebesEiferSucht“, das Sie für den KulturSommer am Kanal inszeniert haben, ist eine Operette. Sind Sie mit dem Genre vorher schon mal in Berührung gekommen?
Daniela Victoria Kiesewetter: Kaum, bisher habe ich mich vorwiegend mit Opern und modernen Musiktheaterformen beschäftigt. Die Operette war ein Bereich des Musiktheaters, der sich mir zunächst nicht erschlossen hat.
KP: Warum nicht?
Kiesewetter: Ich hatte eine voreingenommene Haltung. Die
Operette war für mich im Gegensatz zur Oper mehr mit einer affektierten Liebe
verbunden. Sie zieht mich in eine Welt hinein, die mir zu nett und oberflächlich
erschien. Ich habe der Operette nicht geglaubt. Aber schon in der konzeptuellen
Vorarbeit hat mich die Gattung schnell überrascht, denn hinter der
ausgelassenen Fassade steckt eine erfrischende Ehrlichkeit.
KP: Der Regieauftrag für den KulturSommer am Kanal
ließ Ihnen in diesem Fall keine Wahl. Wie haben Sie sich der Aufgabe genähert?
Kiesewetter: Ich habe mir viele verschiedene Operetten
angehört und durchgelesen. Was mich überrascht hat: Ich habe dabei immer den
gleichen Nenner gefunden. Das hat mein Interesse geweckt.
KP: Was verstehen Sie unter dem „gleichen Nenner“?
Kiesewetter: Immer wieder die gleichen Konflikte: eine
scheinbar heile Liebeswelt wird in Frage gestellt. Es gibt eine Beziehung, eine
Intrige und einen Betrug. Die Partner fangen an, sich auszuprobieren, um am
Ende wieder beieinander zu landen. Sie erlangen dadurch ein höheres Bewusstsein
für sich und die Anderen.
KP:
Ein Muster.
Kiesewetter: Ein realistisches Beziehungsmuster. Wir als Publikum
können uns gut mit den Figuren identifizieren. Die Operette ist sehr ehrlich und
direkt. Hier zeigt sich das Wesen der
Operette. Sie war schon immer mit der leichten Rhythmik, dem Tanz und
der Liebesgeschichte für alle zugänglich.
KP: Hört sich an, als wäre die Operette das Musical
des 19. Jahrhunderts gewesen.
Kieswetter: Die Entwicklung zum heutigen Musical war
fließend. „My fair Lady“ befindet sich beispielsweise genau dazwischen. Die Operette hat verschiedene Tanz- und
Musikformen aufgenommen. In Berlin war es der Jazz, in Wien der Walzer. Dadurch
entstand das Gefühl, bei einem
gesamtgesellschaftlichen Event dabei
zu sein.
KP: Kommen wir zu Ihrer Inszenierung
„LiebesEiferSucht“ – ein Potpourri. Worauf darf sich das Publikum freuen?
Kiesewetter: Die Operetten zeigen Varianten von Beziehungen.
Wir haben jeweils eine Szene kreiert, die eine Beziehungskonstellation widerspiegelt. Daraus
hat sich eine interessante Reihenfolge ergeben. Wenn man Charaktere hat, die auf der Bühne miteinander
funktionieren, lassen sich Beziehungen immer wieder neu erleben und verhandeln.
Das ist essentiell für Theater.
KP: Sie sagten, dass die „Charaktere miteinander
funktionieren“? Wie kann ich mir das Spiel auf der Bühne vorstellen?
Kieswetter: Die Figuren versuchen miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig
zu verführen. Die Besetzung besteht aus drei Leuten, dem Sopran, dem Tenor und dem
Anderen. Sobald wir über zwei in einer Beziehung reden, bleibt eine Person außen
vor. Spannend ist, zu beobachten, ob die Dritte die Beziehung unterstützt oder boykottiert.
KP:
Das klingt, als würden die Darsteller improvisieren.
Kiesewetter: Wenn wir uns einem bestimmten Beziehungstyp widmen, gibt es festgelegte
Regeln bezüglich der Art und Weise der Kommunikation. In den Proben haben wir genau
das erforscht. Aber es kann sein, dass die Darsteller bei der Premiere anders
zu ihrem Ziel kommen. Es handelt sich ja um echte Menschen, die sich im Leben immer wieder selbst
hinterfragen müssen: Bin ich gerade mit der Person zusammen, mit der ich
zusammen sein will oder führe ich eine Beziehung mit dieser Person, weil andere
das von mir erwarten? Dementsprechend wird die Position der Charaktere auf der
Bühne jedes Mal neu verhandelt. Sie stehen immer in Konkurrenz zueinander oder unterstützen
sich gegenseitig.
KP:
Kommen wir zur Musik. Welche Funktion hat sie in Ihrer Inszenierung?
Kiesewetter: Die musikalischen Einlagen sind keine Unterbrechungen. Wenn die
Menschen anfangen zu singen, dann geschieht dies aus einem hohen Bedürfnis heraus.
Es ist eine Art des Kommunizierens. Die Musik erklingt, weil sich die
Charaktere beispielsweise weiterentwickeln.
KP:
Wie steht es um die Stückauswahl? Was wird am 6. Juli gesungen?
Kiesewetter: Populäre Lieder wie „Lippen schweigen“ oder „My golden Baby“ von Franz Léhar und Paul Abraham, aber auch unbekanntere Songs wie „Meine Liebe, deine Liebe“. Das Publikum wird also eine spannende Auswahl erleben, vom Ursprung der modernen Operette über die Wiener Operette bis hin zur Berliner Operette.
KP: In
einer ersten Ankündigung hieß es, dass anlässlich seines 200. Geburtstages auch
etwas von Jacques Offenbach, dem Begründer der Operette, zu hören sein wird.
Kiesewetter:
Offenbachs Stücke eignen sich leider nicht in Kombination mit anderen Werken. Sie
sind außerordentlich komplex. Offenbachs Kosmos ist eine Welt, in die man
eintreten kann, die sich aber schwierig mit anderen vereint.
KP: Frau
Kiesewetter, ich danke Ihnen für das Gespräch.
„LiebesEiferSucht“, Operette, 6. Juli, Viehhaus, Ortsteil Segrahn, Hofweg 10, Gudow, 20 Uhr, Kartenvorbestellung unter Tel. 04542-87000 oder info@kultursommer-am-kanal.de