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Südlich der A24

ELTERNSCHAFT IN DEN KÜNSTEN – IN UND NACH DER PANDEMIE

Pandemie – und dann?
Mit dieser Frage knüpft das Künstlerhaus an die erste Gesprächsveranstaltung zum Thema „Elternschaft in den Künsten“ im Mai 2022 an. Die Corona-Pandemie ließ die schwierige soziale und wirtschaftliche Lage von Kulturschaffenden nochmal deutlicher zutage treten und hat vor Augen geführt, wie dünn das Eis der ökonomischen Absicherung ist.
Wie haben sich Künstlerinnen und Künstler in dieser Zeit über Wasser gehalten und wie geht es danach weiter? 
Was hat die Pandemie für die Kulturbranche, für Eltern, für alle Menschen mit Care-Aufgaben ausgelöst und was hat uns die Zeit des Lockdowns gezeigt?

Neben allen Schwierigkeiten gab es auch positive Erlebnisse, Erkenntnisse und Veränderung. Es haben sich bspw. neue Künstlerinnen-Netzwerke gegründet, die sich für eine gerechtere Verteilung von Fördermöglichkeiten und mehr öffentlicher Präsenz von weiblicher Kunst einsetzen. Und auch die Leitlinien von angemessener Bezahlung für kulturelle, soziale und gesellschaftlich relevante Aufgaben erfuhren mehr Öffentlichkeit. Doch mit welchem Ergebnis? Für jede*n einzelne*n war diese Zeit und sind die Folgen der Pandemie unterschiedlich. Wir leben divers in unserer Gesellschaft und unsere Ausgangslagen sind verschieden.
Wie gehen wir individuell mit diesen Erfahrungen der letzten drei Jahre um?
Welche möglichen Rollen können Künstler*innen jetzt mit ihrer Kunst übernehmen? Wie sehen und positionieren sich Künstler*inneneltern im Diskus zur Vereinbarkeit von Mutterschaft und Künstler*innensein?
Wie kann es gelingen bzw. gelingt es, die verfestigten strukturellen Probleme von Frauen-, Eltern- und Kinderfeindlichkeit in der Kunstwelt aufzulösen?
Umdenken und Handeln ist gefragt!

Gäste: 
Marcia Breuer, Bildende Künstlerin, Gründerin „Mehr Mütter für die Kunst“
Lena Fließbach, Freie Kuratorin und Autorin, Vorstandsmitglied SALOON Berlin
Erec Schumacher, Autor, Residenzstipendium Literatur 2023
Lin Yang, Komponistin, Arbeitsstipendium mit Kind 2023

Moderation: 
Rani Le Prince, Bildende Künstlerin und Mitgründerin kunst+kind berlin

21. Mai, 15.00 Uhr Stadtgalerie Künstlerhaus Lauenburg

Foto ©

Die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg ist Premiumpartner der Stiftung Herzogtum Lauenburg.


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Thema der Woche

Lächelnd durchs Gewusel

Die Tür in der Elbstraße 54 ist nur angelehnt. Ein leichter Stoß genügt und man steht im Hausflur – wenige Schritte vom Trubel entfernt. Das Künstlerhaus, das hier seinen Sitz hat, feiert in diesen Wochen seinen 35. Geburtstag. Und als wäre das noch nicht genug, nimmt mit jedem Tag die neue Stadtgalerie direkt nebenan Gestalt an. Ein doppelter Grund zum Feiern also. Salopp ausgedrückt fallen da Weihnachten und Geburtstag zusammen.

Den Trubel des Moments verursacht vor allem die heutige Lesung von Valentin Moritz. Der Schriftsteller, einstmals Stipendiat des Künstlerhauses, wird in knapp drei Stunden im Rahmen der Geburtstagsfeierlichkeiten aus seinem Roman „Kein Held“ lesen. Deshalb wuselt hier gerade das ehrenamtliche Team durch das Haus. Obendrein ist Marita Landgraf, künstlerische Leiterin in Elternzeit, für die Lesung vorbeigekommen. Auf dem Fußboden krabbelt ihr kleiner Sohn Charlie herum und meldet sich immer mal wieder quietschvergnügt zu Wort. Auch Landgrafs Vertreterin, Isabelle von Schilcher, ist schon da.

Durch die Tür kommt in diesem Moment auch Ulrike Mechau-Krasemann. Sie ist die Vorsitzende des Vereins Künstlerhaus Lauenburg und dessen Mitbegründerin. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich für die Einrichtung. Worüber freut sie sich angesichts des Geburtstages am meisten? „Darüber, dass sich die Idee einer Stadtgalerie verwirklicht hat“, antwortet sie, ohne lange nachzudenken.

Man sieht ihr an, dass sie den Trubel, der hier gerade herrscht, sichtlich genießt. Der Durchbruch zum Nachbarhaus sorgt für Aufbruchstimmung. „Die direkte Verbindung zwischen der Arbeitsstätte und der Galerie ist so ein sinnhaftes Konzept“, sagt von Schilcher. Beim „Rundgang“ um die Baustelle zeigt sie, was sie meint. Der Eingang zur Galerie wird über den Hauseingang der Nr. 52 erfolgen. Von dort führt eine Diagonale direkt zum Künstlerhaus. Der Blick wird auf deren Terrasse und die sich dahinter abzeichnende Elbe gelenkt.

Die Idee für diesen architektonischen Eingriff hatte Christian Helwing, ebenfalls ein ehemaliger Stipendiat. „Er ist Bildhauer“, sagt von Schilcher, „hat aber schon immer Architektur mit in sein Werk einbezogen.“

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten – quasi die Antriebsquelle des Unternehmens Künstlerhaus – das ist nochmal so ein Thema für sich. Jahr um Jahr kommen sie nach Lauenburg, um ihre Kreativität und ihre Berufung auszuleben. Ein paar Monate sind sie vor Ort. Dann ziehen sie weiter. Können in so kurzer Zeit überhaupt dauerhafte Verbindungen entstehen?

„Auf jeden Fall“, sagt von Schilcher. Der Bildhauer Helwing sei ein Beispiel dafür.

„Durch uns wird Lauenburg für manch eine Künstlerin und manch einen Künstler sogar als Wohnort interessant“, fügt Mechau-Krasemann hinzu. Die Komponistin Noriko Kawakami lebe jetzt hier. Die Autorin Hanne Römer auch. Klar – nicht mit allen stehe man auch später noch in Kontakt, da sind sich von Schilcher und Mechau-Krasemann einig, aber doch mit sehr vielen. Das zeige auch das Jubiläumsprogramm, an dem gleich mehrere ehemalige Stipendiaten beteiligt seien.

„Dass sehr viele Stipendiatinnen und Stipendiaten dem Künstlerhaus verbunden bleiben“, meint von Schilcher, „liegt auch an dem tollen ehrenamtlichen Team, das sich hier engagiert.“

Im Vortragsraum taucht in diesem Moment Ingrid Bussmann, 2. Vorsitzende des Vereins Künstlerhaus Lauenburg, mit Schriftsteller Moritz Valentin im Schlepptau auf. Der Trubel und das Gewusel erreichen noch mal ein höheres Niveau: Alles muss jetzt irgendwie schnell und zusammengehen: der Gang mit der Presse über die Baustelle, die Begrüßung und Versorgung der Gäste, die Herrichtung des Vortragssaals und, und, und…

Schließlich sind es nur noch zwei Stunden bis zur Lesung. Inmitten des Trubels und Gewusels sieht man Mechau-Krasemann immer mal wieder lächeln. Die Unruhe kann sie offensichtlich nicht aus der Ruhe bringen. Zu groß ist die Freude über das, was hier zum 35. Geburtstag des Künstlerhauses Gestalt annimmt. Wunschlos glücklich ist sie aber nicht. „Wir könnten ein paar Planstellen gebrauchen“, sagt sie.

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Thema der Woche

Auf Party-Tour

Die Jubiläumsfeierlichkeiten im Künstlerhaus Lauenburg sind im vollen Gang. Zum Auftakt las der ehemalige Stipendiat Valentin Moritz aus seinem Roman-Debüt „Kein Held“. Es folgte die Eröffnung des „Sound Parcours“ im Lüneburger Kurpark und eine Führung durch den „Klang Parcours“ in der Stadt Lauenburg.

Weiter geht es am Sonnabend, 23. Oktober, mit einem Besuch auf der Baustelle: Das Künstlerhaus lädt um 15 Uhr zum Richtfest seiner Stadtgalerie. Sie stellt für die Einrichtung nicht nur visuell, sondern auch inhaltlich einen Durchbruch zur Elbstraße Nr. 52 dar. Die Einbeziehung des Nachbarhauses gibt dem Künstlerhaus mehr Raum, bildende Kunst zu zeigen.

Zum Richtfest gibt zunächst allerdings Yeongbin Lee den Ton an. Die junge Künstlerin präsentiert ihr Werk „Etüde elbab“, eine grafische Partitur für ein Streichtrio. Grundlage dieses Stücks sind Lees Skizzen, mit denen sie Geräusche und Bewegungen der Elbe festgehalten hat. Die Uraufführung beginnt um 16 Uhr.

Mit Musik gehen die Jubiläumsfeierlichkeiten am Tag darauf weiter: Am Sonntag, 24. Oktober, spielt das „LandesJugendEnsemble für Neue Musik Schleswig-Holstein“ in der Maria-Magdalenen-Kirche (Lauenburg) Werke von Kee Yong Chong, Jonas Baes, Septian Dwi Cahyo und Dieter Mack. Die Leitung hat Peter Veale. Das Konzert beginnt um 17 Uhr.

Zum Abschluss gastiert dann am Sonntag, 7. November, das „Zöllner-Roche-Duo“ im Künstlerhaus. Heather Roche (Klarinette) und Eva Zöllner (Akkordeon) präsentieren ihr Programm „Women on the Edge of Time“. Los geht es um 17 Uhr.

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„Der Ortsbezug ist der rote Faden“

Isabelle von Schilcher (Foto: Benjamin Stumpf) hat aktuell die künstlerische Leitung des Künstlerhauses Lauenburg inne. Sie vertritt Marita Landgraf, die in Elternzeit ist. Die junge Frau, die in Münster an der Kunstakademie studiert und bereits an mehreren Standorten im organisatorischen Bereich tätig war, hat an ihrer neuen Dienststätte gleich mit mehreren Herausforderungen zu tun: Das Künstlerhaus feiert dieses Jahr 35. Geburtstag, bekommt die langersehnte Stadtgalerie und hat nebenbei – wie alle Kultureinrichtungen – mit Covid-19 zu kämpfen. Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit der 37-Jährigen über ihren neuen Job.

KP: Seit November haben Sie die künstlerische Leitung inne. Wie gefällt Ihnen Ihre Aufgabe?

Von Schilcher: Ausgesprochen gut. Ich war von Anfang an begeistert von der Energie im Haus. Natürlich ist das Haus selber schon so, dass man es einfach nur toll finden kann. Die Lage an der Elbe, die Ateliers, die Möglichkeit, Stipendien zu vergeben, der Bau der Stadtgalerie und so weiter. Was mich aber am stärksten beeindruckt hat, sind die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die im Haus arbeiten – mit welch einer Energie die hier agieren und wie viel Zeit sie investieren. Das hat es mir leicht gemacht, mich in die Arbeit hineinzuwerfen und die Fäden aufzunehmen, die mir Frau Landgraf übergeben hat.

KP: Wie viele Ehrenamtler engagieren sich für das Künstlerhaus?

Von Schilcher: Im Moment sind es 14, die im Haus aktiv sind. Da gibt es natürlich Frau Mechau-Krasemann, die den ersten Vorsitz macht. Das ist meiner Meinung nach im Moment ein Fulltime-Job. Es gibt die zweite Vorsitzende Angelika Fobian, die immer präsent ist und an allen möglichen Gesprächen und Entscheidungen beteiligt ist. Da ist Isabel Renken, die quasi die ganze Gastronomie unter ihren Fittichen hat. Da sind die Leute, die in der Technik arbeiten und gerade dabei sind, das Haus zu renovieren. Wir haben eine Ehrenamtlerin, Ingrid Bussmann, die ein ‚StipendiatInnenarchiv‘ aufbaut. Und viele mehr.

KP: Und dann ist da Isabelle von Schilcher, die hauptamtlich die künstlerische Leitung innehat. Wie viele Stunden sind Sie wöchentlich im Einsatz?

Von Schilcher: Auf dem Papier 15 Stunden.

KP: Das ist überschaubar.

Von Schilcher: Das ist abhängig von den Fördergeldern, die das Haus bekommt. Man arbeitet hier gerne, wenn das Projekt so toll ist. Ich sage aber auch: Wir brauchen dringend mehr Stunden für die künstlerische Leitung, vor allem jetzt wo wir die Stadtgalerie dauerhaft bespielen.

KP: Sie sagten gerade, dass im Künstlerhaus aktuell sehr viel passiert. Wie schaffen Sie es, Abstand zu halten und sich nicht in die Quere zu kommen?

Von Schilcher: Das entzerrt sich total. Die Leute arbeiten zu unterschiedlichen Zeiten.

KP: Haben Sie derzeit Stipendiatinnen und Stipendiaten im Haus?

Von Schilcher: Im Moment nur einen – Christian Helwing. Er arbeitet auf Einladung bei uns im Haus und das für ein ganzes Jahr. Alle weiteren Belegungen haben wir aufgrund von Corona abgesagt.

KP: Wie viele Stipendiatinnen und Stipendiaten kommen sonst zu Ihnen?

Von Schilcher: Normalerweise schreiben wir fünf Stipendien aus. Dieses Jahr läuft es anders, auch weil wir den Umbau der Stadtgalerie im Nebenhaus vor uns haben. Da soll es in Zukunft einen großen Durchbruch geben zwischen den Häusern. Allein der Baulärm und alles was da an Umstrukturierungen stattfindet, hat es uns unmöglich gemacht, die Stipendien in diesem Jahr regulär auszuschreiben. Was wir 2021 ausschreiben, ist ein viermonatiges Arbeitsstipendium ohne Residenzpflicht für eine Künstlerin beziehungsweise einen Künstler mit Kind. Da läuft die Bewerbungsfrist noch bis zum 15. Mai. Wir haben gedacht, wir machen jetzt mal etwas, was Leute anspricht, die normalerweise nicht von den Residenzstipendien bei uns profitieren können. Künstlerinnen und Künstler mit Kind sind immer gerne gesehen, aber für die ist das organisatorisch oft nicht möglich, zum längeren Aufenthalt zu kommen.

KP: 2022 kehren sie bei der Stipendienvergabe dann aber wieder zum ursprünglichen Umfang und Prozedere zurück?

Von Schilcher: Nicht ganz. 2022 schreiben wir nur noch vier Stipendien regulär aus. Zwei im Bereich bildende Kunst, eins im Bereich Komposition und eins im Bereich Literatur. Hinzu kommt ein Stipendium, das wir in Zukunft jährlich auf Einladung vergeben wollen. Da geht es dann um einen Künstler, der ortsspezifisch in Lauenburg arbeitet oder sich mit dem Thema Lauenburg auseinandersetzt, in Verbindung mit einer Ausstellung in der Stadtgalerie. Die Anbindung der Stadtgalerie bedeutet eine große strukturelle Veränderung. Da müssen wir unser Konzept jetzt einfach anpassen.

KP: Geht es auch darum, das Künstlerhaus stärker im Bewusstsein der Lauenburger zu verankern? Ich erinnere mich, dass auch Frau Landgraf dieses Ziel verfolgt hat. Moderne Kunst gilt ja bei vielen als abgehoben.

Von Schilcher: Klar geht es auch darum, die Leute vor Ort zu begeistern. Wir müssen jetzt mit der Stadtgalerie und dem Programm, was wir da machen, an sie herantreten. Wir wollen ihnen die Möglichkeit bieten, noch mehr Interesse zu entwickeln.

KP: Sie halten also an der Strategie fest, näher an die Einheimischen heranzurücken?

Von Schilcher: Genau. Wir wollen auf keinen Fall wie ein Ufo landen und völlig aus dem Kontext gerissen Dinge zeigen, mit denen keiner was anfangen kann. Das wäre tatsächlich abgehoben. Natürlich soll zeitgenössische Kunst zu sehen sein. Wir wollen beispielsweise mit der jährlichen ,StipendiatInnen-Ausstellung‘ zeigen, was hier im Künstlerhaus als Produktionsstätte entsteht. Der Ortsbezug – das habe ich auch von Frau Landgraf vermittelt bekommen – ist der rote Faden.

KP: Auf der anderen Seite bekommen Sie aber auch Unterstützung von außerhalb – zum Beispiel vom Land Schleswig-Holstein.

Von Schilcher: Genau. Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holstein fördert unter anderem das Stipendienprogramm.

KP: Und Sie sind eine Adresse in der Kunstszene, wo sich Menschen aller Herren und Frauen Länder bewerben können.

Von Schilcher: Natürlich wollen wir uns nicht beschränken. Wir machen ein internationales Programm und schaffen uns damit die Möglichkeit, über Ländergrenzen hinweg namhafte Künstlerinnen und Künstler nach Lauenburg einzuladen.

KP: Neue Möglichkeiten bietet Ihnen vermutlich auch die Stadtgalerie, die Sie bereits erwähnt haben. Wie kam es zu diesem Projekt?

Von Schilcher: Die Idee der Stadtgalerie gibt es schon lange. Es gab auch schon mal einen temporären Ort für die Stadtgalerie, die bis 2016 im Hagenström* betrieben wurde. Danach gab es die ‚Stadtgalerie im öffentlichen Raum‘. In diesem Rahmen sind dann auch weitere Projekte entstanden. Jetzt stellt uns Franz Hitzler für die Stadtgalerie Teile des Nachbarhauses zur Verfügung.

KP: Die gute Nachricht lautet: Das Künstlerhaus und Lauenburg können der Kunst mehr Raum geben. Gegenwärtig haben solche Nachrichten allerdings immer einen faden Beigeschmack. Viele Galerien und Ausstellungshäuser haben aktuell geschlossen. Kunst findet vor allem im digitalen Raum statt. Wie sehen Sie das? Wie sehen die Künstlerinnen und Künstler das?

Von Schilcher: Das ist für die meisten eine große Herausforderung. Wir sind da mit vielen – auch mit unseren ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten – in Kontakt. Einige sind durch die Pandemie finanziell hart getroffen. Vielen Galerien geht es auch nicht sonderlich gut. Aber viele Leute entwickeln neue Strategien, um sich weiter zu positionieren und zu zeigen. Wenn es im analogen Raum nicht möglich ist, dann halt im digitalen Raum. Das ist auch eine Chance.

KP: Spiegelt sich das auch bei Ihnen wider?

Von Schilcher: Wir haben einige Künstler, die in Kooperation mit uns arbeiten. Da sind beispielsweise die Hamburger Künstlerinnen Ina Arzensek und Sarah-Christina Benthien vom LÜP**. Sie entwickeln prozessorientierte ortsspezifische, forschende Formate, die auch auf die aktuelle Situation eingehen.

KP: Das hört sich ziemlich abstrakt an.

Von Schilcher: Das ist es tatsächlich auch, wenn man so darüber spricht. Greifbarer sind die Ergebnisse, die sich daraus entwickeln, zum Beispiel in Form von Mailart. Da werden Kunstwerke per Email verschickt. Oder auf dem Postweg. Da ist schon sehr viel Kreativität im Spiel, wie man das Publikum erreicht oder wie Leute in den künstlerischen Prozess involviert werden können. Das geht auch unter Pandemiebedingungen.

KP: Diese Form der Kunstentwicklung und Kunstverbreitung kommt aber nicht allen Künstlerinnen und Künstlern entgegen. Es gibt Kreative, die sagen: Wenn wir unsere Kunst nur in eine virtuelle Galerie stellen können, kaufen die Leute nichts. Geht das Künstlern, die mit digitalen Möglichkeiten arbeiten und spielen genauso?

Von Schilcher: Das kann ich nicht sagen. Ich weiß, dass viele aus der Not eine Tugend machen. Aber prinzipiell lässt sich Analoges nicht ersetzen. Wenn man durch eine Ausstellung geht und Videos ansieht oder Installationen, ist es etwas anderes, als sich das Ganze beispielsweise auf vimeo.com anzusehen. Man steht da einer Sache gegenüber, die in ihrer Substanz vielleicht nicht unbedingt nur digital ist. Andererseits wächst der Anteil der komplett digital arbeitenden Künstlerinnen und Künstler. Das ist natürlich der Zeit geschuldet. Corona hat da gewisse Tendenzen vielleicht noch verstärkt.

KP: Irgendwie ist man ja auch dankbar, dass es die eine oder andere digitale Lösung gibt…

Von Schilcher: Es eröffnet unter anderem auch Möglichkeiten sich Ausstellungen anzusehen, die man sonst nicht gesehen hätte, weil sie beispielsweise zu weit weg sind. Ich habe wegen der Schließungen viele virtuelle Rundgänge gemacht, mir online Ausstellungen angeguckt und an digitalen Künstlergesprächen teilgenommen.

KP: Frau von Schilcher, ich danke Ihnen für das Gespräch.

*Ehemaliges Kaufhaus in Lauenburg

**Labor für Übergänge und Prozesse

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Durchbruch für die Stadtgalerie

Für Ulrike Mechau-Krasemann und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter vom Verein Künstlerhaus Lauenburg war es eher ein Hirngespinst. Etwas, was man mal so dahinsagt, ohne ernsthaft daran zu glauben. „Wir haben da drüber gewitzelt“, erinnert sich die Vorsitzende. „Vielleicht können wir ja irgendwann die Räume des Nebengebäudes für die Errichtung einer Stadtgalerie bekommen.“

Von 2011 bis 2016 hatte es im Hagenström – einem ehemaligen Kaufhaus – so eine Stadtgalerie gegeben. Seitdem war der Verein Künstlerhaus Lauenburg offiziell auf der Suche. Bis dann Franz Hitzler, ehemaliger Eigentümer der gleichnamigen Werft, vorstellig wurde. Er ließ Mechau-Krasemann wissen, dass er das Gebäude neben dem Künstlerhaus – Elbstraße 52 – gekauft hatte.

Das Hirngespinst, der Traum, über den man Witze macht, materialisierte sich. Unverhofft. Ganz plötzlich stand er in Gestalt des erfolgreichen Geschäftsmannes in der Tür. Hitzlers Intention: Die Nummer 52 zu einem Ort für Kunst und Kultur zu machen. Konkret hatte er da an den Verein Künstlerhaus Lauenburg gedacht.

„Herr Hitzler ist immer schon ein Förderer und Unterstützer von uns gewesen“, sagt Mechau-Krasemann. Ein überaus großzügiger, wie sich im Falle der Nummer 52 herausstellt hat. Das Erdgeschoss des Gebäudes – 120 Quadratmeter groß – hat er mittlerweile an den Verein Künstlerhaus Lauenburg überschrieben. Damit ist der Weg für die „Künstlerhaus Stadtgalerie Lauenburg“ frei. Die Umbauarbeiten dafür sind seit April im Gange.

Die beiden Gebäude sollen miteinander verbunden werden und über einen neuen Eingang zu erreichen sein. „Historisch gehören diese Häuser zusammen“, erklärt Mechau-Krasemann. Dementsprechend hat der Verein Künstlerhaus Lauenburg keine Probleme mit dem Denkmalschutz. Im Gegenteil: Dass die Fassade zur Elbstraße wiederhergestellt wird, habe die Behörde begrüßt.

Überhaupt erfährt das Projekt Stadtgalerie viel Zuspruch – und große Unterstützung. „Wir haben 62.000 Euro über Mitglieder und Freunde für den Verein gesammelt. Das ist unglaublich“, so Mechau-Krasemann. Geld gibt es zudem über einen Antrag der Aktiv-Region Sachsenwald-Elbe. 228.000 Euro fließen von dort in das Projekt. Darin enthalten sind 37.000 Euro vom Land Schleswig-Holstein, 20.000 Euro vom Kreis Herzogtum Lauenburg und 10.000 Euro von der Stadt Lauenburg. Eröffnet werden soll die Galerie im Oktober mit einer Ausstellung mit Arbeiten von Christian Helbing, ehemals Stipendiat des Künstlerhauses, und der Künstlergruppe LÜP.

Für den Verein und für die Einrichtung bedeutet dies einen enormen Schub, von dem auch der Tourismus und die Kulturszene der Stadt profitieren dürften. „Der Platz hier zwischen Elbschifffahrtsmuseum, Künstlerhaus und Maria Magdalenen-Kirche ist ja ohnehin ein Hotspot und bekommt jetzt noch mehr Input“, betont Mechau-Krasemann.

Sie, die den Verein Künstlerhaus Lauenburg 2005 mitgegründet hat und seitdem auch den Vorsitz führt, macht aber auch deutlich, dass es diese weitere Aufwertung dieses Hotspots nicht zum Nulltarif gibt. „Wegen der laufenden Kosten brauchen wir weiterhin die Unterstützung des Landes, des Kreises und der Stadt.“

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Dem Sound der Stadt nachspüren

Es ist 2021 einiges los im Künstlerhaus Lauenburg: Die Einrichtung feiert in diesem Jahr 35. Geburtstag, bekommt eine Stadtgalerie und hat ein abwechslungsreiches Programm in der Planung. Eines von vielen Highlights ist die Eröffnung des Klangparcours‘ am Donnerstag, 20. Mai. Mit dieser Kunstaktion lädt das Künstlerhaus zu einem ganz besonderen Spaziergang ein: An mehreren Stationen können die Besucherinnen und Besucher den Sound Lauenburgs erleben.

„Das sind die Klänge der Stadt, die über verschiedene Workshops in den offenen Ateliers in Zusammenarbeit mit den Stipendiaten entwickelt wurden“, sagt Isabelle von Schilcher, künstlerische Leiterin der Einrichtung. „Die Stationen sind in der Unter- und Oberstadt verteilt. Die künstlerischen Arbeiten sind mittels QR-Code erfahrbar. Dazu gibt es einen Faltplan, den man sich in der Touristeninformation oder im Künstlerhaus abholen kann.“

Möglichkeiten, an einer offiziellen Führung durch den Klangparcours teilzunehmen, gibt es gleich mehrfach. Beispielsweise im Rahmen des Aktionstages des Netzwerkes Norddeutscher Künstlerhäuser (NNK) am Sonntag, 30. Mai, an dem sich das Künstlerhaus beteiligt. Wer an diesem Tag verhindert ist, sollte sich den Sonnabend, 26. Juni, vormerken: An diesem Tag kann man ab 18 Uhr im Rahmen des KulturSommers am Kanal dem Sound Lauenburgs nachspüren.

Bereits am Sonnabend, 8. Mai, ab 11 Uhr wird der Öffentlichkeit auf der Brache der Hamburger Straße „eine größere skulpturale Architektur“ vorgestellt. Kreiert hat das Kunstwerk das Künstlerduo „Baltic Raw“. Anlass ist der Städtebautag. „An diesem Tag präsentieren wir zudem eine begehbare Bibliothek, die man sich erlaufen kann“, so von Schilcher.

Weitere Events sind ein Konzert mit dem Trio Omphalos in der Maria Magdalenen-Kirche am Sonntag, 27. Juni, um 17 Uhr sowie eine Lesung mit Hanne Römer am Freitag, 2. Juli, um 18 Uhr. Beide Veranstaltungen gehören zum Programm des KulturSommers am Kanal. Die Autorin Hanne Römer ist eine ehemalige Stipendiatin. Ihr Auftritt im Künstlerhaus ist der Auftakt zu einer Reihe, in der ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten zu Wort kommen.  

Auf Hochtouren laufen bereits die Planungen für das Programm zum 35. Geburtstag des Künstlerhauses. „Wir haben uns dafür entschieden, dass wir das Jubiläumsprogramm nicht geballt an einem Wochenende durchziehen, erklärt von Schilcher. „Stattdessen gehen wir im Herbst mit mehreren Highlights an den Start.“ Auf diese Weise hoffe man, ein größeres Publikum zu erreichen.

Fest steht, dass das Jubiläumsprogramm am 13. Oktober mit einer Lesung von Valentin Moritz startet. Auch das Datum für die offizielle Eröffnung „Künstlerhaus Stadtgalerie Lauenburg“ ist im Kalender markiert: Am 23. Oktober hebt sich der Vorhang für die neuen Räumlichkeiten.

Foto: Montage/K. H. Mierke/Lit.-Haus Wien

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