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Vorfahrt für die Jugend

Pegasus-Open-Air-Festival zieht um

Das Pegasus-Open-Air-Festival erfreut sich großer Beliebtheit. Mehr als 1.000 Besucherinnen und Besucher lockte die Veranstaltung bei der Premiere 2016 und im Jahr darauf an. Mittlerweile ist auch die Musikszene auf das Ereignis aufmerksam geworden. „In diesem Jahr hatten wir mehr als 200 Bands, die sich für einen Auftritt beworben haben“, sagt Florian Klein, Mitglied der Kultur-Community. Angesichts solcher Zahlen träumen er und seine Mitstreiter davon, das Ein-Tages-Festival in ein Zwei-Tages-Festival zu verwandeln.

Die gute Nachricht: Die Voraussetzungen dafür sind schon mal gegeben. Das Pegasus-Open-Air-Festival findet in diesem Jahr erstmals am Ziegelsee 1, in Mölln, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Jugendherberge statt.

„Am Ziegelsee können wir uns individuell einrichten“ sagt Klein. Erstmals könne man ein professionelleres Equipment wie eine veränderbare Bühne auffahren. Das sei im Kurpark, Veranstaltungsort der ersten beiden Auflagen des Festivals, nicht möglich gewesen. Dort sei man, was die Größe, aber auch die Deckenlast anbelange, eingeschränkt gewesen.

Zudem habe das Publikum auf dem Gelände jetzt freie Sicht auf die Bühne. Auch sei eine Vergrößerung der Fläche dank des angrenzenden Bolzplatzes denkbar, zählt Klein weitere Vorzüge des neuen Standortes auf.

Das Pegasus-Open-Air-Festival steigt am Sonnabend, 12. Mai, mit acht Live-Acts. Los geht es ab 14 Uhr. Für die An- und Abreise hat die Kultur-Community einen Shuttleservice eingerichtet. Die Busse pendeln zwischen Bahnhof und Festivalgelände. Es kann sich also niemand verlaufen. Mehr Infos unter https://www.pegasus-open-air.de/ und bei Facebook unter https://www.facebook.com/pegasusopenair/ und https://www.facebook.com/events/2012037268812247/.

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Vorfahrt für die Jugend

Im Bann der sprachbegabten Jugend

Im Saal ist es mucksmäuschenstill. Die Leute wollen wissen, wie die Geschichte ausgeht. Gebannt folgen sie der Stimme Gwendolin Fähsers, die die Erzählung vorträgt, als wäre sie selbst in das Badehaus des Benno Petersen geschlüpft. Benno Petersen, der an der Brutalität seines Vaters leidet, der sich freut, wenn Schläge unter Wasser erfolgen, weil sie dann gedämpft sind. Nachwuchsschriftstellerin Anneke Maurer hat diese Geschichte geschrieben. Sie ist – was die junge Frau in diesem Moment noch nicht weiß – in der Alterskategorie der Zwölf- bis 16-Jährigen die Gewinnerin des von der Stiftung Herzogtum Lauenburgs initiierten Wettbewerbs „Wanted: Junge Autor*inn*en“. Als Preis winken ihr ein hochwertiger Gutschein, die kostenlosen Teilnahme an einer Schreibwerkstatt und dieser Abend im Amtsrichterhaus Schwarzenbek, an dem die besten Texte von der Theaterpädagogin Fähser und Schauspieler Thomas Pohle dem Publikum vorgestellt werden.

Fähser nähert sich dem Ende der Geschichte. Benno Petersen liegt jetzt zusammengerollt auf den kalten Fliesen. Immer noch hängen die Zuhörer an den Lippen der Theaterpädagogin. Nach wie vor ist es mucksmäuschenstill im Saal. Ein Beleg auch für die Qualität des Textes. Andernfalls wäre es mit der Ruhe wohl längst vorbei.

Auch den nachfolgenden Erzählungen folgt das Publikum geradezu andächtig. Die Geschichten der sprachbegabten Jugend ziehen es in den Bann. Leni Nörenberg etwa, die in der Alterskategorie der Sechs- bis Elfjährigen gewonnen hat, zerrt die Zuhörer direkt in einen fürchterlichen Alptraum hinein. Bei Maria Schröder, die in der Alterskategorie der 17- bis 23-Jährigen die Nase vorn hat, startet das „Kopfkino“ – wie Vorleserin Fähser es ausdrückt. Ein Ehepaar besucht mit seinen Kindern die demente Oma. Mit flotten Dialogen gelingt es der Nachwuchsautorin ein mitreißendes familiäres Panorama zu entfalten.

Die Qualität der Siegergeschichten wie auch einiger anderer Wettbewerbsbeiträge sei erstaunlich gewesen, so das einmütige Urteil der Jury, der der Verleger Wolf-Rüdiger Osborn, die Journalistin Gabriele Heise, die Schulrätin Kathrin Thomas, der Redakteur Florian Grombein (Lübecker Nachrichten) sowie Jörg-Rüdiger Geschke, Vorstandsmitglied der Stiftung Herzogtum Lauenburg, angehören. Insgesamt musste das Gremium 50 Wettbewerbsbeiträge bewerten. Neben den drei Siegern erhalten Steffen Stiehler, Jana Burmeister, Lisbeth Riedel, Eva Schwecher, Anabel Puth und Dennis Tschernich eine Auszeichnung. Auch deren Texte bekommt das Publikum im nahezu vollbesetzten Amtsrichterhaus zu hören.

„Für das Schreiben brauchen Sie Talent und das haben Sie bewiesen“, hat Verleger Osburg die Nachwuchsschriftsteller zum Start in den Abend gelobt. Die Texte hätten die Jury „berührt“, „teilweise auch erschüttert“. Osburg macht aber auch klar, dass die Schriftstellerei nicht immer nur eitel Sonnenschein ist. „Das Schreiben ist harte Arbeit und die können Sie sich nicht ersparen.“

 

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Vorfahrt für die Jugend

Badehaus

In den kommenden Wochen veröffentlicht die Stiftung Herzogtum Lauenburg die neun von der Jury ausgezeichneten Texte. Hier nun die Geschichte von Anneke Maurer, die in der Altersgruppe der Zwölf- bis 16-Jährigen die Nase vorn hatte.

Ich weine und versuche dabei, so viel Flüssigkeit aus meinem Körper zu pressen, dass ein Schwimmbad in unserem Haus entsteht.

Ich heiße Benno Petersen und sitze mit Schnorchel auf dem Toilettensitz, ich habe mich im Badezimmer eingeschlossen, aber das Schlüsselloch ist groß genug für jedes

Geräusch, es saugt die Luft vom Wohnzimmer auf, trägt jedes Wummern und Wimmern bis in meine Ohrmuschel.

Mein Gehirn ist selbst voller Wasser, eine Waschmaschine, alles wird herumgewirbelt, aber nichts sauberer, nur alles gerät durcheinander und am Ende sehe ich mich nur noch mit den Händen an den Ohren auf den kalten blauen Fliesen.

Petersen – klingt nach einer zufriedenen, stereotypischen Familie, Mutter — Vater — Kind, manchmal möchte ich herausschreien: WARUM SIEHT UNS KEINER? WARUM HELFT IHR UNS DENN NICHT?

Aber ich habe Angst davor, dass uns geholfen wird, weil ich fürchte, was danach geschieht.

Im Wasser ist die Welt viel leiser. Eine flüssige Luft, die dich umschließt und nur dich.

Und alles darum herum ist außen. Und blass.

Die Schläge sind gedämpft, die Schreie nur ein fernes Blubbern. Gedämpft, gedämpft, ein Schlag wie auf Fell und dann kann ich endlich die Hände von den Ohren nehmen und wenn Wasser in die Gehörgänge eindringt, erscheint alles nur noch ferner, und selbst wenn das Gehirn dabei zu schimmeln anfängt, ist das nicht schlimm.

Im Wasser ist die Welt viel leichter.

Die Hand, die ausholt, die auftrifft Haut auf Haut, das Wasser bremst Schwung, Schlag und Schmerz. Ein Akt der Zeitlupe in einem Haus voll H20.

Ich heiße Benno Petersen, aber ich wünschte, es wäre nicht so. Ich wünschte, ich wäre Leon Hagen oder Paul aus der C, jeder, nur nicht der Junge auf dem Toilettensitz, der sich einen Schnorchel in den Mund steckt, um sich selbst ans Atmen zu erinnern.

Ich wünsche mir, dass mein Vater ertrinkt in dem Schwimmbad aus meinen eigenen Tränen.

Durch den Wasservorhang vor meinen Augen erinnert der blaugekachelte Badezimmerboden beinahe an Schwimmbadfliesen und ich gebe mich der Illusion hin.

Die Linie des Gürtels, beinahe Anmut, beinahe Schönheit, wie sie im Wasser Schlangentänze zieht, diese unglaubliche Faszination des Harmlosen.

Irgendwann sind die Tränen dann wirklich eine Allergie, vom Chlor, und ich brauche mich in der Schule nicht wegen der roten Augen zu schämen vor Leons und Pauls, die doch alle zusammen keine, keine Ahnung haben.

Ich schwimme vorbei an meinem Bett, dem Kleiderschrank. In die Küche, durchs Wohnzimmer, es macht den Eindruck einer Erinnerung, bloß eine angehaltene Welt, denn nun ist alles vorbei, alles still, das ist bloß ein Schwimmbad.

Ich springe vom Badewannenrand. Mein Körper, wie er das Wasser zu beiden Seiten verdrängt, mein Geist meinen Vater und meine Mutter, die uns keine Hilfe holt.

Dann bin da nur ich, eine nackte Seele, aber das Gefühl vom Wasser auf der Haut ist viel zu befreiend, um mich der Nacktheit zu schämen.

Ich schlage auf. Dann schlage ich auf den kalten blauen Fliesen auf, die mich treffen, wie die Erkenntnis, dass zwischen meinem Vater und mir nur Sauerstoff liegt, der viel zu schnell verbraucht ist und dann liegt da nichts mehr, bis auf mich, auf den kalten Fliesen, zusammengerollt, in einer Pfütze aus Wasser und Salz und mit viel zu bunter Haut; nackt, zitternd, aber nicht vor Kälte.

Ich heiße Benno Petersen und ich muss weitaus mehr trinken, um ein Schwimmbad zu weinen.

 

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Das Tor zum Glück

Der folgende Text stammt aus der Feder von Lisbeth Riedel (Foto). Im Rahmen des Schreibwettbewerbs „Wanted: Junge Autor*inn*en“, initiiert von der Stiftung Herzogtum Lauenburg, belegte sie damit den dritten Platz in der Altersgruppe der Zwölf- bis 16-Jährigen.

Hallo, mein Name ist Einstein. Aber ich habe noch viele andere Namen. Einer der schlimmsten ist „Schnuckelchen“! Wer nennt einen ehrwürdigen Goldhamster schon Schnuckelchen? Ach, ihr wusstet nicht, dass ich ein Hamster bin? Naja, jetzt schon. Ich wohnte im Norden Afghanistans in einer fünfköpfigen Menschenfamilie, die mir treu ergeben war. Hä? Warum lacht ihr? Natürlich waren sie mir treu ergeben. Immerhin kümmerten sie sich um mich, seit ich denken konnte. Mein Leben war perfekt: morgens ausschlafen, kuscheln, fressen, Mittagsschlaf, fressen, kuscheln, kuscheln, kuscheln, schlafen. Perfekt! Bis mich Mali, die Älteste der Familie, ein 13 oder 14-jähriges Mädchen mit schwarzen Haaren, auf mein Futter warten ließ. Ich roch den Geruch des Essens der vom Basar in der Nähe zu mir herüberschwebte. Mein Magen knurrte.

Ahhhhhh! Ich schrak zusammen. Vor lauter Hunger hatte ich den Jüngsten der Familie übersehen! Dreijährig, klein und selten dumm. Er packte mich und hob mich hoch. Hilfe! Polizei! Überfall! „Wau wau!“, rief der Knirps. Ok … Drei Jahre alt und kann noch nicht mal den Unterschied zwischen einem räudigen Köter und einem ehrwürdigem Hamster wie mir erkennen? Ein weiterer Beweis, dass wir Hamster klüger sind als Menschen. Zum Glück kam in diesem Moment Mali ins Zimmer und rettete mich aus den Klauen ihres Bruders. Mann, war ich froh sie zu sehen! Obwohl ich eigentlich sauer auf sie hätte sein müssen, weil sie mein Fressen vergessen hatte. Sie schickte ihren Bruder fort und setzte mich zurück in meinen Käfig. Aber etwas war anders als sonst. Sie wirkte heute so seltsam und ernst. Zum Glück fing sie bald an zu reden. Sie hatte ja keine Ahnung, dass ich sie verstand. „Weißt du, Hamsti, irgendwie ist jetzt alles anders als früher.“ Hä? Das verstand ich nicht. Was meinte sie nur? „Mein Vater hat gestern mit mir gesprochen.“ Na und? Das ist doch normal! „Er sagte, ich sei jetzt erwachsen.“ Also bitte. Das Kind war erst dreizehn oder vierzehn. Ein Alter, in dem Hamster übrigens schon längst erwachsen sind. „Er meint, ich müsse heiraten! Ich weiß, jedes Mädchen muss irgendwann heiraten, aber ich hab den Typen noch nie gesehen. Wie soll ich den dann lieben? Aber Papa lässt da nicht mit sich reden! In zwei Monaten soll die Hochzeit stattfinden, und dann soll ich zu ihm ziehen! Ich fühl mich so schlecht!“ Ok … Ich wusste, dass es in Afghanistan und vielen anderen Ländern Sitte ist, Mädchen sehr früh zu verheiraten. Im Unterbewusstsein wusste ich auch, dass Mali früher oder später heiraten musste, aber darüber hatte ich bisher noch nicht nachgedacht. Ich überlegte, welche Folgen das für mich haben könnte, und nach einigem Hin und Her hatte ich eine Liste im Kopf:

  1. Malis Futterdienst war beendet. Mich würde jemand anderes füttern (hoffentlich nicht Malis Monster von einem Bruder).
  2. Es gab einen weniger, der Lärm machte (positiv).
  3. Ich hatte mehr Platz in Malis Zimmer (vorausgesetzt, die lassen mich aus meinem Käfig).

Alles in allem war die Hochzeit also gar nicht so schlimm. Von mir aus konnte Mali ruhig heiraten. Drastische Nebenwirkungen gab es für mich ja nicht. Später stellte sich heraus, dass es doch Nebenwirkungen für mich gab. Sogar ganz gewaltige!

Zwei Monate später

Uuuuaaah! Wer störte mich da beim Schlafen? Was soll der Lärm? Ach so. Mali und ihre Mutter standen im Zimmer. Mali in einem weißen Kleid. Ihre Mutter legte ihr aufgeregt einen Schleier über den Kopf. Mali lächelte gequält, während ihr Kopf verschwand. Hatte ich was verpasst? Ach nein, stimmt ja! Heute war Malis Hochzeit! Als die beiden endlich das Zimmer verließen, konnte ich wieder schlafen. Von der Trauung und der Hochzeitsfeier bekam ich also nichts mit. Ich war auch nicht scharf drauf! Höchstens auf die Hochzeitstorte wäre ich eventuell scharf gewesen. Aber wer nahm schon einen Hamster mit zu einer Hochzeit? Während die Feier stattfand, richtete ich mich auf die nächsten Jahre ohne Mali ein. Umso erstaunter war ich dann, als Mali spät abends ins Zimmer stürmte und rief: „Ich hätte dich fast vergessen! Du kommst doch mit! Du bist schließlich mein Hamster!“ Was? Das war doch wohl ein Witz! Doch mir blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn schon hatte sie meinen Käfig gepackt und rannte mit ihrer Mutter zu einem bereitstehenden Auto und wir fuhren los. Ich schaute zurück zu dem Haus, das immer kleiner wurde. Das Haus in dem ich aufgewachsen war und mein ganzes Leben verbracht hatte. Auf einmal bekam ich eine riesige Wut auf Malis Eltern und die des Ehemannes. Denn ich wusste, dass in meiner Heimat die Eltern bestimmen, wer wen heiratet. Aber in diesem Moment konnte ich nichts anderes tun, als zu warten. Als wir angekommen waren, erwartete uns ein vierzigjähriger dicker Mann mit schlechten Zähnen. Vielleicht der Vater vom Bräutigam. Aber ich wurde bitter enttäuscht, denn es war Malis Ehemann! Glaubt mir, unter dem Begriff ‚Traumtyp‘ stellte ich mir was anderes vor!

Einige Zeit später

Die letzte Zeit war ein Alptraum. Ein mindestens ebenso großer wie Malis Ehemann selbst! Auch wenn Mali am Anfang nur meine Bedienstete war, langsam machte ich mir wirklich Sorgen um sie! Diese ganze Misere kam eigentlich daher, dass Malis Mann ein Trinker war. Spät abends, wenn sich Mali schlafen legen wollte, kam er nach Hause und war betrunken. Deshalb konnte Mali nicht mehr richtig schlafen. Sie war mittlerweile total verändert: Früher war sie ein fröhliches, fleißiges Mädchen gewesen – doch nun? Es schien, als hätte das Leben für sie keinen Sinn mehr. Sie hatte dunkle Augenringe und weinte oft und viel. Entweder aus Müdigkeit, einfach so, oder weil ihr Mann sie schlug. Und er schlug sie oft. Meist, wenn er betrunken war. Wenn Mali vor Schmerz laut aufschluchzte, ging mir das durch Mark und Bein.

Weil Mali und ihr Mann sich kaum um mich kümmerten (der Mann war sich zu fein dafür und Mali hatte ohnehin zu viel zu tun), lief ich frei in der Gegend herum. Auf einem meiner Streifzüge fand ich etwas, was unser Leben verändern könnte. Womit ich Mali helfen könnte! Beflügelt von dieser Entdeckung rannte ich heimwärts. Als ich angekommen war, rief ich aufgeregt: „Mali, Mali, du musst sofort mitkommen!“ Ich gestikulierte wild: „Ich hab etwas entdeckt! Ein Helfershaus! Da kannst du hin! Die werden dir helfen! Komm jetzt!“ Doch sie tätschelte mir nur den Kopf und sagte: „Ach, ist unser kleiner Ausreißer wieder aufgetaucht. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht!“ Stimmt ja: Menschen können unsere Sprache nicht verstehen! Außerdem war Malis Mann zu Hause. Schlechtes Timing also. In den nächsten Tagen bot sich leider auch keine Gelegenheit, Mali zum Helfershaus zu bringen. Und so hatte ich Zeit, einen Plan zu entwickeln: Mali besaß ein sehr schönes Medaillon, das ihr sehr viel bedeutete. Dieses Medaillon war der Schlüssel zum Erfolg! Am folgenden Nachmittag packte ich das Medaillon mit den Zähnen und zog es möglichst auffällig an Mali vorbei. Natürlich sprang sie sofort auf und wollte mir die Kette wegnehmen, aber darauf hatte ich nur gewartet. Ich flitzte los durch die Stadt, über den Basar, Richtung Helfershaus. Als ich das Tor erreicht hatte, legte ich die Kette davor und wartete auf Mali. Da kam sie, nahm die Kette und wollte wieder verschwinden, doch dann stockte sie. „Jugendschutzzentrum“, las sie langsam. Eine Frau kam aus dem Tor. „Kann ich dir helfen?“, fragte sie Mali. „Wolltest du zu uns?“ „Ja, äh, nein! Mein Hamster hat mich hergeführt. Wo bin ich hier?“ „Dein Hamster? Interessant! Na ja. Du bist hier vor dem Tor zum Jugendschutzzentrum. Wir helfen Kindern, die in Not sind.“ „In Not? Allen Kindern in Not?“ „Ja, allen, denen wir helfen können. Brauchst du auch Hilfe?“ „ Ja, vielleicht“, murmelte Mali. „Komm erst mal herein. Wir trinken eine Tasse Tee und du kannst mir alles erzählen. Ich heiße Jasza. Ich bin hier Sozialarbeiterin. Deinen kleinen Freund kannst du übrigens mitnehmen.“ Und Mali nahm mich auf ihre Schulter und ging hinter Jasza her. Durch das Tor zum Glück!

Epilog

Wenn mich jemand fragen würde: „Haben diese Ereignisse dich verändert?“, würde ich sagen: Ja, das haben sie! Früher war Mali für mich nur meine Bedienstete. Ich hatte alles, was ich brauchte, und deshalb war es mir nie in den Sinn gekommen, dass es anderen Lebewesen nicht so gut gehen könnte wie mir. Erst Malis Geschichte hat diese Einbildung verdrängt. Viele Menschen und Hamster sind so wie ich: Sie sind weder absichtlich ignorant noch wollen sie so sein. Und deshalb sollten sie etwas von der Gewalt gegen Frauen und Kinder in vielen Ländern hören. Damit sie etwas ändern können. Denn Mali ist kein Einzelfall. Und nicht alle haben so viel Glück wie sie. Apropos: Mali ist mittlerweile sogar Klassenbeste! Sie darf wieder die Schule besuchen, lebt im Jugendschutzzentrum und hat ihre Lebensfreude wieder.

Lisbeth Riedel

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Nördlich der A24

Besuch von Volker Jänig

Zu einem besonderen Chorkonzert lädt Kantor Thimo Neumann am Sonntag, 25. März, um 18 Uhr in die St. Nicolai-Kirche Mölln ein: Die MarienKantorei  aus Lemgo  singt unter der Leitung von Neumann`s Vorvorgänger Volker Jänig.

Volker Jänig, der in der Zeit von 1998 bis 2010  als Kreiskantor in Mölln wirkte, präsentiert mit seinem Chor Werke aus verschiedenen Jahrhunderten. Zu hören sind Stücke zum Thema Passion. Unter anderem handelt es sich um Werke von Johannes Brahms, Hugo Distler und Marcel Poulenc.

Die MarienKantorei mit etwa 35 Sängerinnen und Sängern ist ein A-Capella-Chor, der wöchentlich probt. Professionelle Stimmbildung begleitet die Proben. Die Kantorei unternimmt rund alle zwei Jahre eine größere Reise. 2015 war das Ensemble in den USA. Das Repertoire des Chores umfasst alle Epochen von der Renaissance über die Bach-Motetten bis hin zu Kompositionen der Moderne.

Foto: Silke Roschewski

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Vorfahrt für die Jugend

Kein Leben ohne Upps

Das Upps ist da. In der Aula der Grundschule Breitenfelde sitzen die Kinder auf Bänken und beobachten, wie es köchelt, dampft und regnet. Upps ist die Hauptfigur in dem Stück des Lübecker Wassermarionetten Theaters, das Anna und Wolf Malten an diesem Morgen aufführen. Upps – das Wasser, gespielt von Wolf, hat sich in ein sprechendes Wesen verwandelt. Es bringt Anna mit seiner Wandelbarkeit immer wieder zum Staunen. Es zeigt, dass es Lebewesen gibt – wie beispielsweise Quallen –, die nur aus Upps bestehen und dass der Dreck in den Meeren die Quallen gefährdet. Und dass eine Dusche ohne Wasser eine reichlich trockene Angelegenheit ist.

Wolf Malten kommt bei seinem Spiel ohne erhobenen Zeigefinger aus. „Wir wollen die Kinder zum Nachdenken anregen“, sagt er, der auch der Verfasser des Stücks mit dem Titel „H2 upps“ ist. Um dem Nachwuchs die Bedeutung des Wassers nahezubringen, tingelt das Ehepaar – wenn es nicht gerade an seinen festen Spielort aktiv ist – über die Dörfer. Vier Vorstellungen an einem Tag sind die Regel. In Breitenfelde sind es drei. Hinzukommen drei Stunden, die sie für den Aufbau der Bühne benötigen. Der Aufwand zeigt, dass hier zwei „Überzeugungstäter“ am Werk sind.

Der Lohn sind die begeisterten Kinder, die dem Stück mit Feuereifer folgen und sich immer wieder mit Zwischenrufen zu Wort melden, und die die entscheidende Erkenntnis mit nach Hause nehmen: „Wenn wir gut zu Upps sind, wird Upps auch gut zu uns sein.“ (kp)

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Nördlich der A24

„Musikalische Gedanken über Leben und Tod“

Mit der „Hamburger Ratsmusik“ startet am Sonnabend, 3. März, in der St. Nicolai-Kirche die von Kantor Thimo Neumann erstmals organisierte Konzertreihe „1. Möllner Meisterkonzerte“. Das international bekannte Ensemble spielt unter dem Titel „Deth –Life – Musikalische Gedanken über Leben und Tod“ Kompositionen aus der Zeit der Renaissance und des Barock. Konzertbeginn ist um 18 Uhr.

Die „Hamburger Ratsmusik“, ein Ensemble mit 500-jähriger Geschichte, tritt in verschiedenen Besetzungen auf: In Mölln präsentiert es sich als Duo. Simone Eckert und Ulrich Wedemeier bringen die Viola da Gamba und die Theorbe zum Einsatz. Sie laden zum kreativen Dialog zwischen Tradition und Gegenwart – von Alter Musik und lebendiger Interpretation. Hamburgs kühle Brise sorgt bis heute für allzeit frischen musikalischen Wind.

Die Anfänge der Hamburger Ratsmusik reichen zurück bis ins 16. Jahrhundert. Nach dem Grundsatz „Gott zu Ehren und Hamburg zur Lust, Ergötzlichkeit und Nutz“ leistete sich die Stadt ein Eliteensemble von acht Ratsmusikern, das vielen fürstlichen Hofkapellen Konkurrenz machen konnte. Seine erste Blüte erreichte das Ensemble im 17. und 18. Jahrhundert unter Musikern wie William Brade, Johann Schop, Georg Philipp Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach. Das Ensemble spielt heute noch in unterschiedlichen Besetzungen im In- und Ausland.

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Nördlich der A24

Angela W. Röders spielt „Rose“

Die Lebensgeschichte einer in der Ukraine geborenen Jüdin erzählt und verkörpert die Schauspielerin Angela W. Röders am Donnerstag, 1. März, in der Maria-Magdalenen-Kirche. Grundlage ihres Auftritts ist das von Martin Sherman geschriebene Ein-Personen-Stück „Rose“. Die Heldin hält Totenwache für ein palästinensisches Mädchen, das von ihrem fanatischen Enkel erschossen worden ist. Die schreckliche Gegenwart ruft Erinnerungen in ihr wach. Sie erzählt von ihrer alten Heimat und von Amerika, ihrer neuen, von der Fluchtodyssee, die sie zwischenzeitlich in das ersehnte Palästina führte, von schmerzlichen Verlusten, Liebe und Entscheidungen, die zum Neuanfang für ein Miteinander ohne Hass und Vergeltung führten. Veranstaltungsbeginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei

Der Hamburger Schauspielerin Angela W. Röders liegt das Solostück ob seiner Aussagekraft und seiner Botschaft sehr am Herzen. Als sie gefragt wurde, ob sie es sich vorstellen könne, „Rose“ in der besonderen Atmosphäre einer alten Dorfkirche aufzuführen, sagte sie sofort zu. Ein Mustiner Freundeskreis hatte diese Idee aufgeworfen und den Kontakt zum Verein Miteinander leben gesucht, ob dieser im Rahmen des Projektes „Zugänge schaffen“ eine solche Aufführung unterstützen könnte. „Wir sind sehr dankbar über diese Initiative, liegt sie doch genau im Fokus unserer Arbeitsgruppe „Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft“ und ihres präventiven Konzeptes „Begegnungen und Austausch mit jüdischem Leben schaffen. Von daher unterstützen wir sehr gern und freuen uns auch auf ein ungewöhnliches Theaterereignis an einem ungewöhnlichen Ort“, so Mark Sauer, Vorsitzender des Vereins Miteinander leben.

Der Verein Miteinander leben setzt sich seit 2016 in dem Modellprojekt „Zugänge schaffen“ dafür ein, jüdisches Leben und jüdische Themen möglichst niederschwellig den Menschen nahezubringen.

 

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Nördlich der A24

„Till konnte die Dummheit der kleinen Leute nicht ertragen“

Manfred Sahm, Mitglied des Niederdeutsch-Beirats der Stiftung Herzogtum Lauenburg, hat die Abenteuer des Till Eulenspiegel ins heutige Plattdeutsch übersetzt. Der 74-Jährige lebt mit seiner Frau in Mölln. Vor diesem Hintergrund erscheint seine literarische Arbeit über den berühmten Volksnarren irgendwie logisch. Ist sie aber nicht: Sahm, pensionierter Kriminalbeamter, hat die meiste Zeit seines Lebens in anderen Städten verbracht. Geboren und aufgewachsen ist er in Kiel. Gelebt hat er zudem in Eckernförde, Ratzeburg, Lübeck und Hamburg. Mölln ist erst seit fünf Jahren seine Heimat.

Das Kulturportal sprach mit ihm über die Entstehung des Buches, über das Leben des Till Eulenspiegel, der um 1300 sein Unwesen nicht nur in Mölln und Umgebung getrieben haben soll, und den Spaß, andere zu veräppeln.

Kulturportal: Herr Sahm, können Sie sich daran erinnern, wann Sie das erste Mal von Till Eulenspiegel gehört haben?

Manfred Sahm: Da war ich noch ein Kind. Meine Mutter und ich waren damals zu Besuch in Mölln. Ich weiß noch, dass wir uns den Brunnen auf dem Marktplatz angesehen haben. Das nächste Mal bin ich ihm dann begegnet, als meine Frau und ich nach Mölln gezogen sind. Ein Kollege hat mir erzählt, dass er Mitglied in der Eulenspiegel-Gilde ist und mich gefragt, ob ich ihn nicht mal zu einem Treffen begleiten wolle. Ich bejahte und bin dann dabeigeblieben. So kam es, dass ich mich irgendwann gefragt habe: Was steckt dahinter?

KP: Und haben Sie eine Antwort?

Sahm: Wenn man sich mit Till beschäftigt, stößt man automatisch auf die Frage: Hat er gelebt?

KP: Hat er?

Sahm: Ich habe mir diverse Doktorarbeiten besorgt und bin zu dem Schluss gekommen: Ja, er hat gelebt. Davon sind auch die meisten Wissenschaftler überzeugt. Ich auch, denn wenn er nicht gelebt hätte, hätte er ja auch nicht in Mölln beerdigt werden können. Eine ganz andere Frage ist, ob er die 96 Abenteuer, die ihm zugeschrieben werden, alle erlebt hat: Nein, hat er nicht. Der Autor hatte von anderen Schreibern – wie es damals üblich war – Geschichten übernommen.

KP: Wie kommt es überhaupt, dass wir diese Abenteuer heute noch kennen?

Sahm: Sie wurden aufgeschrieben. Der erste, der dies tat, war Hermann Bote. Bote, Zollschreiber von Beruf, konnte kein Latein und verfasste die Geschichten in niedersächsischer Sprache – also in Plattdeutsch. Dieser Text ist leider verloren gegangen. Er diente aber offensichtlich als Vorlage für die Fassung des Franziskanermönchs Dr. Thomas Murner.

KP: Was sagen uns die Geschichten heute über Till als Person?

Sahm: Dass er ein Mann niederer Herkunft war. Er hat mit Mutter und Vater auf dem Lande gelebt. Die Mutter wollte, dass er etwas lernt. Till hatte anderes im Sinn: Schon als Knabe war er zu Scherzen aufgelegt. Im Dorf hat er die Kinder veräppelt, hinter dem Rücken des Vaters seinen Mors – Hintern – gezeigt. „Alle sagen, dass ich ein Schelm bin“, stellt er seinem Vater gegenüber fest, so als wundere er sich selbst darüber.

KP: Wie würden Sie Till von seiner Persönlichkeit her charakterisieren?

Sahm: Er war ein Individuum, das sich nicht angepasst hat. Sympathisch war er sicherlich nicht. Dafür hat er viel zu viele Leute geärgert.

KP: Konnte so einer in der mittelalterlichen Ständegesellschaft überhaupt überleben? Mit seinen Streichen hat er ja wohl kein Geld verdient?

Sahm: Er hat sich die Lebensumstände damals zu Nutze gemacht und ist wie ein wandernder Geselle über Land gezogen. Er hat einfach behauptet, dass er Kürschner, Stubenheizer oder Tischler ist. Sogar als Turmbläser hat er sich verdingt oder als Arzt und Professor ausgegeben. Deshalb dürfte er auch nicht in Narrenkleidung umhergezogen sein. Darin hätte er die Rolle des Handwerkers oder Künstlers schlecht spielen können.

KP: Waren wenigstens die Auftraggeber vor seinen Scherzen sicher?

Sahm: Nein, auch sie hat er genarrt. Gerne hat er sie dafür beim Wort genommen. Einmal hat ein Schneider zu ihm gesagt: Mach aus diesem Stoff einen Wolf – also eine Jacke. Woraufhin Till den Stoff zerschnitten hat.

KP: Das klingt, als wäre niemand vor ihm sicher gewesen?

Sahm: Till war ein Volksnarr. Er hat Schabernack mit Hochstehenden, Pfaffen und Handwerksmeistern getrieben. Er hat Herbergswirte hochgenommen. Kleine Leute hat er geärgert, weil er ihre grenzenlose Dummheit nicht ertragen konnte.

KP: Herr Sahm, Hand aufs Herz – jetzt, wo ihr plattdeutscher Till Eulenspiegel hier vor uns liegt: Würden Sie auch gerne gelegentlich die Rolle des Narren spielen?

Sahm: Früher habe ich schon Scherze mit anderen getrieben. Allerdings so, dass niemand Schaden davon hat. Mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem man solche Streiche nicht mehr macht.

KP: Dafür bringen Sie nun den niederdeutschen Lesern, Tills „Spijööken un Aventüern“ nahe. Wie kam es überhaupt, dass sie sich diesem Projekt verschrieben haben?

Sahm: Nachdem ich von Botes Fassung auf „Neddersässisch“ gelesen hatte, fand ich, das wäre doch was: Den Eulenspiegel komplett ins Niederdeutsch von heute zu übertragen.

KP: Botes Fassung ist ja – wie Sie sagten – verloren gegangen. Auf welcher Version basiert Ihre Übersetzung?

Sahm: Ich habe mich an der Reclam-Übersetzung von Murners mittelhochdeutschem Till gehalten. Ich habe mich bemüht, möglichst textgetreu zu sein. Allerdings handelt es sich nicht um eine reine Wort-für-Wort-Übersetzung. Hier und da musste ich auch mal etwas umschreiben.

KP: Ich würde sagen, es hat sich gelohnt. Hic fuit, Herr Sahm. Vielen Dank für das Gespräch.

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Südlich der A24

„Die Teppichfabrik ist Vergangenheit und Zukunft“

Renate Lefeldt lebt seit 17 Jahren in Geesthacht. Als Vertreterin der Grünen sitzt die pensionierte Lehrerin in diversen Ausschüssen der Geesthachter Ratsversammlung. Obendrein engagiert sie sich für einen kulturellen Aufbruch der Kommune an der Elbe. Lefeldt ist Mitbegründerin und Sprecherin der Gruppe „Geesthachter Kulturvisionen“. Eine von mehreren Mitstreiterinnen und Mitstreitern an ihrer Seite ist Gundel Wilhelm. Sie arbeitete, bis sie in den Ruhestand ging für die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS), heute Helmholtz-Zentrum. Wilhelm zog vor 55 Jahren nach Geesthacht. Das Kulturportal unterhielt sich mit beiden Frauen über die Ziele ihrer Gruppe.

Kulturportal: Frau Lefeldt, wie kam es überhaupt zur Gründung der Gruppe?

Renate Lefeldt: Da muss ich ein wenig ausholen. Während des Landtagswahlkampfes hatten wir uns als Grüne entschlossen, das Thema Kultur auf die Tagesordnung zu setzen und zu der Veranstaltung „Kultur im Dialog“ ins SmuX eingeladen. Die Resonanz war überraschend gut. Es wurde sehr lebhaft diskutiert. Ich schlug deshalb vor – falls das Interesse bestünde –, den Dialog fortzusetzen. Dafür konnten sich die Teilnehmer in eine Liste eintragen.

KP: Was hat Sie und Ihre Mitstreiter so bewegt, dass Sie sich jetzt regelmäßig treffen?

Gundel Wilhelm: Anfangs ging es nur um die Teppichfabrik und wie wir das Areal nutzen können, um das Image Geesthachts über die Kultur aufzuwerten.

KP: Ist das Image der Stadt so schlecht?

Wilhelm: Das Geesthacht-Image könnte besser sein. Das hat auch mit diesem Gelände zu tun. Während des Zweiten Weltkrieges schufteten dort in einer Munitionsfabrik 20.000 Zwangsarbeiter. Die Menschen wurden schlecht behandelt, waren unterversorgt.

KP: Diese Geschehnisse liegen immerhin mehr als 70 Jahre zurück. Sind die wirklich noch so präsent?

Wilhelm: Wir wollen zu unserer Vergangenheit stehen. Aber die Gruppe, das muss ich zugeben, ist da durchaus gespalten. Die eine Seite ist stark auf die Vergangenheit fixiert, die andere blickt mehr in die Zukunft.

Lefeldt: Ich persönlich wünsche mir ein Kulturkonzept für die Stadt, in der auch die Vergangenheit ihren Platz hat. Im Übrigen gibt es bei uns noch eine dritte Gruppe, die sich nur für Teppichfabrik interessiert.

Wilhelm: Die Teppichfabrik ist Vergangenheit und Zukunft!

KP: Frau Lefeldt, Sie sagten gerade, dass Sie sich ein Kulturkonzept für Geesthacht wünschen. Fehlt es der Stadt an Strukturen?

Lefeldt: Auf jeden Fall. Die Stelle des Kulturdezernenten wurde vor Jahren gestrichen. Wir brauchen aber einen Kulturverantwortlichen, einen Kulturetat – und ein Kulturkonzept.

KP: Und ist das alles in Sicht?

Lefeldt: Einen Etat gibt es bereits. Ein Kulturverantwortlicher soll kommen. In der Gruppe haben wir über die Entwicklung eines Kulturkonzeptes nachgedacht. Aber ganz ehrlich: Wenn man sich die Konzepte anderer Städte ansieht und den Arbeitsaufwand, den das bedeutet, ist das für uns nicht zu schaffen. Diese Aufgabe ist im Rathaus besser aufgehoben.

KP: Finden Sie dort Gehör?

Lefeldt: Ja, unbedingt. Wenn Bürgermeister Schulze kann, nimmt er an unseren Sitzungen teil…

Wilhelm: Er ist sehr engagiert…

Lefeldt: …und aufgeschlossen, wenn es um unsere Vorschläge und Ideen geht.

KP: Apropos Ideen. Was plant Ihre Gruppe aktuell, um den Kulturstandort Geesthacht zu stärken? Was wird aus der Teppichfabrik?

Lefeldt: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie da der Stand ist. Der Insolvenzverwalter verlangt 3 Millionen Euro…

Wilhelm: … und ist nicht kooperationsbereit. Es wird gepokert. Das Ganze steht auf des Messers Schneide.

KP: Angenommen Sie könnten einen Teil der denkmalgeschützten Gebäude für die Kultur nutzen, was würden Sie machen?

Lefeldt: Es gibt in Geesthacht viele kleine Museen und Vereine wie das Heimatmuseum, das Geesthacht Museum, den Heimat- und Geschichtsverein oder den Förderkreis Industriemuseum, die man dort unter einem Dach unterbringen könnte.

Wilhelm: Ich weiß von drei Privatleuten, die ihre Sammlungen zur Verfügung stellen würden. Allerdings nur, wenn deren Ausstellungen Hand und Fuß haben.

Lefeldt: Ein weiterer Vorschlag ist es, ein Kultur- und Begegnungszentrum mit Proberäumen für Bands und Ateliers für Künstler zu etablieren. Aber das alles liegt für mich derzeit in weiter Ferne und ist bei unseren letzten Treffen auch nicht Thema gewesen.

KP: Was war denn Thema?

Lefeldt: Wie wir das Image von Geesthacht aufwerten können und wie wir Leben in die City bringen. In der Adventszeit hat Frank Kaldenbach in der Fußgängerzone erstmals einen Weihnachtsmarkt organisiert, der gut angenommen wurde und dieses Jahr wiederholt werden soll. Am 9. Juni plant die Stadt mit unserer Unterstützung eine große Kulturnacht mit Lesungen, Musik – auch für Kinder, Vorträgen und Sketchen.

Wilhelm: Die Veranstaltungen finden alle citynah statt, sind also fußläufig zu erreichen.

Lefeldt: Solche Events sind natürlich erst ein Anfang. Um das Image der Stadt zu verbessern und die Stadt überregional bekannter zu machen, werden wir noch einiges tun müssen.

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https://kulturportal-herzogtum.de/2018/01/31/kulturaufbruch-in-der-wachsenden-stadt/