Das erste Mal – die Premiere – das war 1978. Mit Karl Lorenz nahm der damalige Möllner Kirchenmusikdirektor den Kulturpreis in Empfang. Rund ein Jahr nach ihrer Gründung hatte die Stiftung Herzogtum Lauenburg die Auszeichnung für Kulturschaffende oder auch für Menschen und Institutionen, die sich um die Kultur verdient machen, aus der Taufe gehoben.
42 Jahre später kann man mit Fug und Recht sagen, dass der Kulturpreis mittlerweile selbst den Status einer Institution hat. 25 Gewinner gab es seither. Zuletzt fiel die Wahl der Jury auf den Möllner Künstler Ebrahim Sharghi (Foto). Das war 2018. Zwei Jahre zuvor ging die Auszeichnung an den Liedermacher Klaus Irmscher. 2014 war es der Filmclub Burgtheater Ratzeburg, der die Nase vorn hatte.
Diese kurze Auflistung der letzten drei Gewinner zeigt, wie unterschiedlich deren Arbeit und Wirken sind. Entscheidend sind letztendlich ihr Engagement und das, was sie damit erreichen. Strukturen, die es beispielsweise Nachwuchskünstlern ermöglichen, schöne Bilder zu malen oder zu präsentieren, sind für die Jury per se nicht minder wichtig als die schönen Bilder selbst.
Eine Übersicht der Kulturpreisträger finden Sie hier.
Normalerweise rückt die Kunst beim KulturSommer am Kanal erst mit der Eröffnung des Festivals in den Fokus. 2020 ist sie allerdings wesentlich früher dran. Das liegt daran, dass diejenigen, die sonst den roten Teppich für andere ausrollen oder ihnen eine Bühne geben, plötzlich gezwungen sind, ihr eigenes Stück zu spielen. Es heißt „Covid-19“ und ist ein echter Straßenfeger. In den Hauptrollen: KulturSommer-am-Kanal-Intendant Frank Düwel und Managerin Farina Klose.
Beide bewegen sich, als wären sie einem dänischen Dogma 95-Film entsprungen. Die Kulisse ist das heimische Wohnzimmer, es gibt keine Requisiten, sondern nur notwendige Arbeitswerkzeuge wie das Smartphone oder den Computer. Es erklingt keine eingespielte Filmmusik. Stattdessen bimmeln die Telefone und es wird kommuniziert, improvisiert, gerätselt, mit rohen Eiern jongliert. Was darf ich sagen? Was darf ich nicht sagen? Was kann ich machen? Was kann ich nicht machen? Wer sagt das? Wo steht das geschrieben?
Die beiden Helden sind ausgezogen beziehungsweise zu Hause geblieben, um etwas Unmögliches zu machen – einen realistischen KulturSommer am Kanal zu veranstalten. Der findet jetzt – na, wo wohl? – „In den Wolken“ statt. Zum Teil auch mal da drunter. Manchmal vielleicht aber auch nicht. Die Halbwertzeiten von Gewissheiten schrumpfen in diesen Zeiten schon mal auf ein paar Tage zusammen. Sicher ist immerhin: Wer jetzt ein Kultur-Großereignis durchplant, muss mit beiden Beinen fest in den Wolken stehen.
Für zwei Macher wie Frank Düwel und Farina Klose ist das kein Problem. Und ganz nebenbei arbeiten sie die Kriterien ihres eigenen Dogma 95-Films ab. Sie agieren im Hier und Jetzt und kommen ohne zeitliche oder lokale Verfremdung aus. Dass sie weder Waffengewalt noch Morde zeigen, muss an dieser Stelle nicht weiter betont werden.
[vc_row][vc_column][vc_column_text]Stell dir vor, es ist Ausstellung und keiner sieht hin. Das möchte die Stiftung Herzogtum Lauenburg für die Kunstschau „Vier Frauen – vier Perspektiven“ unbedingt vermeiden. Zu gehaltvoll, zu wertvoll und zu abwechslungsreich sind die Werke, die Birke Kästner, Ute Wilke, Marianne Schäfer und Anke Meixner den Kunstfreunden im Stadthauptmannshof (Mölln) zeigen wollten. Deshalb gibt es jetzt einen kleinen Film mit erklärenden Worten von Kuratorin Antje Ladiges-Specht, die dem Wesentlichen dieser versammelten Kunst nachspürt.
…über die brach liegende Ausstellung: „Das ist natürlich enttäuschend, dass sie niemand sehen kann. Aber ich bin dankbar für die schöne Eröffnung – auch für den Zuspruch, den wir bekommen haben. Mit einer Freundin bin ich in der Woche danach noch mal durch die Ausstellung gegangen. Das sind so schöne Räume und die Räume und die Dinge – gerade auch die Arbeiten von Birke Kästner und mir – passen so gut zusammen.“
…über ihren Umgang mit der Kontaktsperre: „Einerseits habe ich die Ruhe genutzt und mich in meiner Papierwerkstatt vergraben. Andererseits sind die Existenzängste da. Wenn man nichts zeigt, kauft auch niemand was.“
Ute Wilke…
…über die brach liegende Ausstellung: „Das ist schon schade. Es steckt ja viel Herzblut drin. Ich hatte unmittelbar vor der Vernissage noch drei Arbeiten fertiggemacht. Auf der anderen Seite habe ich vor diesem Virus aber auch Respekt. Ich gehöre ja auch mit zur älteren Generation. Ich denke, die Entscheidung seitens der Regierung ist richtig, dass man Versammlungen meidet. Ich sehe mich da als eine von vielen, die ein Opfer bringen muss.“
…über ihren Umgang mit der Kontaktsperre: „Zum einen beobachte ich das Weltgeschehen, die Natur – die ganzen Zusammenhänge. Die Situation ist ja auch ein Spiegel dessen, wie wir mit der Natur umgehen, wie wir beispielsweise Tiere essen. Ansonsten bin ich im Moment nur im Garten. Wenn ich den so weit habe, gehe ich wieder ins Atelier.“
Birke Kästner…
…über die brach liegende Ausstellung: „Man ist total traurig, weil es so eine wunderschöne Ausstellung ist, weil so viel Mühe und Arbeit dahintersteckt. Die Situation ist wirklich schwer aushaltbar. Ich hatte gehofft, dass man sich die Ausstellung weiterhin ansehen kann. So viele Menschen würden ohnehin nicht auf einmal hineingehen.“
…über ihren Umgang mit der Kontaktsperre: „Das fällt mir nicht so schwer. Es ist ja fast ein natürlicher Zustand als Künstler, dass man sich seinen Rückzugsraum schafft. Da ändert sich nicht viel, weil jetzt der Alltag fehlt. Der Stillstand macht auf jeden Fall etwas mit einem. Für die künstlerische Arbeit ist er eher befruchtend – ein Geschenk.“
Marianne Schäfer…
…über die brach liegende Ausstellung: „Ich bin schon etwas deprimiert. Das ist eine so gelungene Ausstellung – und eine sehr frauliche, wie ich finde. Man fragt sich jetzt, wie soll es weitergehen. Aber das gilt ja für viele Kulturschaffende, egal aus welcher Richtung.“
…über ihren Umgang mit der Kontaktsperre: „Momentan mache ich keine Kunst. Das blockiert mich total. Es ist ja nicht nur diese Ausstellung. Man weiß auch nicht, was mit dem Kultursommer ist. Da findet bei uns ja auch immer eine Ausstellung statt. Dafür habe ich schon eine Idee. Die Hälfte davon habe ich gefertigt, die andere Hälfte liegt brach. Mir fehlt da einfach der Mut.“
Dass man ein privilegierter Mensch ist, begreift man gemeinhin erst dann, wenn die Privilegien plötzlich verschwunden sind. Die schönen Seiten des Lebens verwandeln sich allzu schnell in Selbstverständlichkeiten und manchmal werden sie uns gar lästig. Essen gehen – Schon wieder? Das nächste Feuerwehrfest? Keine Lust. Ein Klassikkonzert – morgen? Nein, danke.
Zugegeben. Die Privilegien haben in einer Gesellschaft wie der unseren durchaus das Zeug, einen Menschen in den Overkill zu zwingen. Doch von 100 auf 0 zu kommen, wie es Covid-19 gerade auferlegt, ist auch kein Vergnügen.
Nun habe ich das Glück in diesen Tagen, wo uns die Gewissheiten und Selbstverständlichkeiten wie Sand durch die Finger gleiten, ein Privileg zu besitzen. Ich habe den Zugang zur Ausstellung „Vier Frauen – vier Perspektiven“. Der Schlüssel für das Herrenhaus der Stiftung Herzogtum Lauenburg half mir nicht nur bei der Arbeit am Thema der Woche, er gab mir auch die Chance für ein beständiges Stelldichein mit der Kunst.
So wandelte ich vergangene Woche unter Skulpturen, Bildern und Gefäßen. Ich filmte und fotografierte. Ich arbeitete. Sicher. Und doch fing die Kunst mich ein. Ute Wilkes Kolkrabe, der bunte Hahn, die vielen Vogelaugen, die Blicke, die einem nachsehen. Marianne Schäfers Wasservögel mit den langen Schnäbeln, wiedergegeben mit klaren Linien und Formen. Ein Fest der Harmonie aus porigem Holz. Ein paar Meter weiter dann ihre unruhigen Zwitterwesen. Halb Vogel, halb Mensch. All das wirkt in mir nach, ist mittlerweile so vertraut, dass die Objekte sich inzwischen anfühlen wie gute, alte Bekannte.
Nicht anders erging es mir mit den Werken von Birke Kästner und Anke Meixner, die im Foyer und im Seminarraum des Herrenhauses ihre Kunst ausgestellt haben. Meixners handgeschöpftes japanisches Papier, das zum symbolischen Grab für die Insektenwelt geworden ist, lässt sich nicht so ohne Weiteres beiseiteschieben. Einmal in meinem Sinn und Verstand ist es gekommen, um zu bleiben. Die Wesen, die nach uns sind, sagt die Künstlerin, sollen sich erinnern!
Ähnlich weit von der zeitlichen Dimension scheint auch Kästners Blick zu gehen. Ihre Keramikkunst gibt einem das Gefühl per Zeitmaschine in der Antike gelandet zu sein…
Ich weiß. Es ist nur ein Gefühl. Entstanden aus einem Privileg, während draußen Covid-19 sein Unwesen treibt.
Langsam und unaufhörlich frisst sich das Virus in die letzten Poren der Weltgesellschaft. Es tötet. Es zersetzt das wirtschaftliche und das kulturelle Leben. Ausnahmen? Gibt es nicht. Covid-19 kann nicht anders. Es folgt seiner Programmierung.
Für uns alle ist das schwer erträglich. Zumal es jenseits der eigenen vier Wände kaum noch Raum für Ablenkung gibt. Die Kontaktsperre setzt uns enge Grenzen. Kein Picknick im Freien. Kein Fahrradausflug ins benachbarte Bundesland. Mecklenburg-Vorpommern hat seine Grenzen dicht gemacht. Kein Grund zur Klage: Wir Schleswig-Holsteiner halten es genauso.
Und jetzt kommt noch Ostern. Vier freie Tage bei womöglich schönstem Wetter. Wie da Haltung wahren? Eine positive Grundstimmung gewinnen? Nicht leicht. Und es wird nicht leichter, je länger man drüber nachdenkt.
Vielleicht hilft es, wenn wir uns vergewissern, wie kostbar die Freiheiten sind, die unser Land in „normalen“ Zeiten auszeichnet. Vielleicht ist es tröstlich, dass diese Freiheiten wiederkehren werden. Vielleicht hellt es auch Ihre Stimmung auf, wenn Sie hören, wie Pastorin Hilke Lage – trotz Kontaktsperre – dem Osterfest frohen Mutes entgegenblickt. Kulturportal-Herzogtum.de hat mit der Seelsorgerin über ihre Arbeit in Zeiten von Corona gesprochen. Das Telefonat haben wir aufgezeichnet und veröffentlichen es als Podcast.
Das gilt auch für das Gespräch, das Kulturportal-Herzogtum.de mit Lothar Obst geführt hat. Der Geschichtsexperte, der sich als Tutor für die Akademie der Stiftung Herzogtum Lauenburg engagiert, erklärt im Interview die historischen Hintergründe, die zur Kreuzigung von Jesus Christus führten.
Mögen diese Podcasts Hoffnung, Ablenkung und Anlass zum Nachdenken sein.
Die Stiftung Herzogtum Lauenburg wünscht Ihnen ein frohes Osterfest!
Die neue Ausgabe von „Unser Herzogtum“ ist raus. Das von „Klar & Deutlich Media“ herausgegebene Magazin enthält wieder jede Menge spannende Storys aus der Region, darunter eine Fortsetzungsgeschichte über Karlheinz Goedtke, die Klaus Schlie, Präsident der Stiftung Herzogtum Lauenburg und Vorsitzender des Freundeskreis Karlheinz Goedtke verfasst hat. Den ersten Teil veröffentlicht Kulturportal-Herzogtum.de mit freundlicher Genehmigung von „Klar & Deutlich Media“. Zur gesamten Ausgabe geht es hier.
Karlheinz Goedtke Bildhauer und
Grafiker aus Mölln – Teil I
„Als 1955 Schüler meiner zehnten Klasse für eine Gemeinschaftsarbeit Motive aus der Kunstlandschaft Schleswig-Holsteins suchten, da wählten sie für das Herzogtum Lauenburg neben dem Ratzeburger Dom den Eulenspiegel auf dem Möllner Marktplatz. Sie sahen in dieser lebensgroßen Figur den Geist Eulenspiegels, wie er ihnen aus der Literatur geläufig war, so vollendet eingefangen und einbezogen in die Umgebung, dass er ihnen Funktion oder Teil des historischen Marktes schien“. So beschrieb Hans Jürß in einer Laudatio 1977 das sicher bekannteste Werk des Möllner Bildhauers Karlheinz Goedtke. Bereits diese erste öffentlich aufgestellte Plastik auf dem Marktplatz in Mölln besitzt „symbolische Kraft“ für die Stadt Mölln, in der Till Eulenspiegel bis heute „lebt“.
„Zauber der Identifikation“ nennt es der Autor Karl Strube in einem Aufsatz über Goedtke. Dieser „Zauber der Identifikation“ wird bei uns im Kreis Herzogtum Lauenburg durch sehr viele Werke von Goedtke deutlich. Gleich, ob der „Junge Weidehengst“ in Ratzeburg als Symbol, das sich im Wappen des Kreises wieder findet oder die „Wölfe“ in Schwarzenbek, der „Lauenburger Rufer“ oder der „Taschenmann“ vor dem Kreissparkassengebäude in Ratzeburg – immer ist die Plastik Goedtkes ein Symbol für den Ort, wo sie aufgestellt ist.
Über 500 plastische Werke stehen als „Kunst im öffentlichen Raum“ auf Wegen oder Plätzen oder finden ihren Weg in die privaten Sammlungen. Unbekannter sind dagegen Goedtkes Skizzen und Zeichnungen, die in kleiner Auflage gedruckt wurden. Noch unbekannter sind eine ganze Reihe von Skizzenbüchern, die seit den frühen siebziger Jahren auf vielen Reisen durch Europa und dem afrikanischen Kontinent entstanden sind. Auf diesen Reisen fand Goedtke zahlreiche Anregungen für seine neuen Motive.
Die Begegnungen mit den Menschen und den Tieren Afrikas, die Safaris in die Steppen, Savannen und Wüsten hat der Künstler in einer Vielzahl von Motiven verewigt. Diese „kleinen Arbeiten“ waren sicherlich auch die entscheidende Anregung zur weiteren Arbeit in seinem Atelier in Alt-Mölln. Die kompletten Darstellungen von Nashörnern, Elefanten oder die stolze Haltung einer Beduinengruppe haben ihren Ursprung in diesen Reisen, die den künstlerischen Horizont von Karlheinz Goedtke entscheidend erweitert haben. Bereits 1990 wurde in den Räumen der Stiftung Herzogtum Lauenburg als „besondere Auszeichnung des Künstlers Karlheinz Goedtke“ eine permanente Ausstellung seiner Werke im Stadthauptmannshof in Mölln eröffnet, die allerdings nicht lange Bestand hatte.“
Klaus
Schlie
Teil
II erscheint in Ausgabe 18 von „Unser Herzogtum“.
Im Internet kursieren die Videos von den Menschen in Italien. Sie stehen auf den Balkonen – und singen. Um sich Mut zu machen. Um für einen Moment die bedrückende Realität in Zeiten von Corvid-19 zu vergessen.
Kultur
trotz(t) Corona – das ist für mich die Botschaft, die dahintersteht. Kulturportal-Herzogtum.de
möchte sich daran ein Beispiel nehmen und weiterhin über die Kultur im Kreis
berichten. Schließlich hören die Musiker, Schauspieler, Filmemacher und Künstler
– Virus hin oder her – nicht auf, kreativ zu sein. Fragen kann man ja zum Glück
auch übers Telefon stellen und die Antworten – der Digitalisierung sei Dank –
lassen sich per Mausklick in die Öffentlichkeit bringen.
Seit heute (16. März) ist die Literaturwerkstatt das Thema der Woche. Das Gespräch mit HannaH Rau liegt schon ein paar Wochen zurück. Zu diesem Zeitpunkt war Corona noch eine weitgehend chinesische Angelegenheit. So schnell ändern sich die Zeiten…
Auch die Leiterin der Literaturwerkstatt zeigt sich
angesichts des Virus trotzig. In einem Newsletter schreibt sie: „Wir brauchen jetzt
Geschichten. Wir sollten uns jetzt die Geschichten erzählen, die trösten und
gut tun, lesen, Filme gucken, schreiben. Wir arbeiten bereits daran, einen Teil
meines Seminarprogramms ins Internet zu verlegen, damit ich dort mit Euch bald
in Gruppen oder allein schreiben kann.
Falls Ihr jetzt beim Aufräumen Euren Roman in der Schublade findet und
überlegt, was Ihr damit machen könnt: Sprecht oder schreibt mich an.
Schreibcoaching klappt auch per Telefon und Mail. Warum das jetzt gerade auch
für mich als Künstlerin wichtig ist? Himmelshaken.“
Zum Trost und Trotz hat hat HannaH Rau ihrem Newsletter dieses Gedicht beigefügt:
Sie weiß den Sonnenstand frei Hand und sammelt Schrauben zu drehn den Himmel unters Dach mit leisem Klicken
Die meiste Zeit der Kunst ist Warten Die größte davon ist Warten Die Zeit ist die Kunst
Der Mann ist ein – zeitloser – Superstar, ein Magier, ein Joker, ein Monument. Wie kaum ein zweiter hat William Shakespeare in menschliche Abgründe geschaut und sie in seinen Figuren verewigt. Wer´s nicht glaubt, hat beim Kanu-Wander-Theater Gelegenheit, sich davon zu überzeugen. Auf dem Spielplan steht 2020 Shakespeares „Was ihr wollt“.
Michelle Affolter hat sich für diese Komödie entschieden. Sie
führt beim Kanu-Wander-Theater erstmals Regie. Die handfesten Gründe, die für die
Shakespeare-Inszenierung sprechen, kann sie vermutlich im Schlaf runterbeten.
Doch bei Affolter kommt noch etwas anderes hinzu: Aus ihr spricht die pure Begeisterung
für den Dramatiker, die Freude, sich seines Stoffes anzunehmen und ihn in die
heutige Zeit zu übersetzen.
Die Begeisterung ist so authentisch, dass sie im Grunde sagen kann, was sie will. Etwa den Satz: „Ich bin wahnsinnig verliebt in Shakespeare.“ Bei manch anderem klingt so ein Satz einfach nur aufgesetzt. Bei Affolter denkt der Zuhörer: Verdammt – vielleicht sollte ich mal (wieder) einen Shakespeare zur Hand nehmen!
Das Stück „Was ihr wollt“ fasziniert die junge Regisseurin vor
allem wegen der Erwartungshaltung, die sich durch das Stück zieht. Eine Art
Wasserzeichen, das Affolter mit dem Imperativ „Es muss etwas passieren“ umschreibt.
Unter diesem Blickwinkel erscheint es geradezu logisch, dass sie das Stück als
Silvestersause inszeniert.
Für den Zuschauer bedeutet diese Spielauffassung vor allem
eines: Spannung! Was wird sich da im Laufe der Handlung entladen? Wie gehen die
Liebesgeschichten um Olivia, Orsino und Cesario aus? Wie löst die Regisseurin
das Geflecht aus Intrigen und Verwechslungen auf. Gibt der Ausgang Anlass zur
Hoffnung oder bleibt ein bitterer Nachgeschmack?
So ganz sicher ist sich Affolter da – noch – nicht.
Shakespeare – der Superstar, Magier, Joker, das Monument – hat ihr mit seiner
offenen Dramaturgie Spielraum für einen Dreh am Ende des Stücks eröffnet. Auf
dem Ausgang wird sie noch eine Weile herumkauen.
„Was ihr wollt“, Kanu-Wander-Theater, KulturSommer am Kanal, 12. & 13. Juni, ab Schmilauer Brücke, Schaalseekanal, Freitag ab 15 Uhr, Sonnabend ab 11 Uhr
Hanne Lenze-Lauch muss das Große und Ganze im Blick haben. Auf Details zu achten, sagt sie, bringe relativ wenig. Die junge Frau weiß, wovon sie spricht. 2019 war sie erstmals bei dieser sehr speziellen Produktion dabei. Sie kennt das Gelände am Schaalseekanal – die Bühne des Kanu-Wander-Theaters. Sie ist theoretisch wie praktisch in der Lage, die besonderen Umstände der Aufführungen in ihre Ideenwelten miteinzubeziehen.
Zwei Dinge nennt sie, auf die es für die Produktion
ankommt: Die Kleider müssen für das Publikum, das sich mit dem Kanu von Szene
zu Szene vorarbeitet, gut sichtbar sein. „Eine Signalwirkung haben“, wie die
Kostümbildnerin es ausdrückt. Und: Für die Helden des Stücks, die an den
verschiedenen Stationen von verschiedenen Darstellern gespielt werden, müsse
man sich etwas einfallen lassen, dass einen „Wiedererkennungswert“ habe.
Die aktuelle Produktion – 2020 steht William Shakespeares
„Was ihr wollt“ auf dem Spielplan – dürfte für die erfahrene Kostümbildnerin* in
dieser Hinsicht ein Klacks sein. Viola, Orsino und Co. sollen mit ihrer Kluft im
modetechnisch schillernden und schrägen Zeitalter von Boy George, Nena und Co. landen.
„Ich finde, dass in den 80er Jahren viel aus Shakespeares
Zeiten drinsteckt“, begründet Lenze-Lauch den Schritt, sich dem Neobarock
zuzuwenden. Vom Grundschnitt, stellt sie klar, hätte auch der große Dramatiker des
16. Jahrhunderts solche Kleider tragen können.
Die schrillen Textilien haben natürlich auch einen
dramaturgischen Hintergrund: Regisseurin Michelle Affolter inszeniert das Stück
als berauschende Silvestersause. Dementsprechend „überschäumend“ sollen die
Kleider sein. Zudem unterstreichen sie das Melodramatische der Shakespearschen
Verwechslungskomödie.
Affolter – 2019 noch Regieassistentin – führt nach dem
Fortgang von Kerstin Steeb erstmals Regie. Affolters alte Rolle füllt nun Lisa
Pottstock aus. Geblieben sind der Spaß und die gute Stimmung im Team, was Lenz-Lauch
sehr wichtig ist. „Der Humor ist die Basis von allem“, stellt sie fest. Wichtig
sei aber auch, dass man ähnliche ästhetische Vorstellungen habe.
Diese Vorstellungen müssen jetzt, da die heiße Vorbereitungsphase für die Produktion beginnt, nach und nach endgültig Gestalt annehmen. Die Frauen werden deshalb in den kommenden Wochen immer mal wieder die Köpfe zusammenstecken, um zu entscheiden, wie die Charaktere am Ende optimal angezogen sind. Dabei werden sie darauf achten, dass die Kostüme für die Darsteller auch praktikabel sind – und nicht zum Klotz am Bein mutieren. Das vorauszusehen, sei nicht immer einfach, sagt Lenze-Lauch. Abgesehen davon kann sie sich auf eine gewisse „Leidensfähigkeit“ der Darsteller verlassen. Beim letzten Mal, sagt die Kostümbildnerin hätten einige einen Wollpullover tragen müssen – mitten im Sommer!
*Hanne Lenze-Lauch entwirft seit 2007 Kostüme für Theateraufführungen. Grundlage ihrer Arbeit ist der äußerst praktisch orientierte Studiengang Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis, den die geborene Aumühlerin in Hildesheim absolviert hat.
„Was ihr wollt“ , Kanu-Wander-Theater, KulturSommer am Kanal, 12. & 13. Juni, ab Schmilauer Brücke, Schaalseekanal, Freitag ab 15 Uhr, Sonnabend ab 11 Uhr
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.