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Flammende Appelle für eine bessere Welt

Schon als Junge legte Ebrahim Sharghi gerne Feuer. In Windeseile fegten die Flammen über das Papier und verwandelten die Welt, so wie er sie sah, in Kohlestriche. Blumen, Sträucher, Menschen, Tiere, Gebäude. Nichts war vor ihm sicher.

Damals in den Straßen von Teheran entdeckte der kleine Ebrahim seine „Lust am Zeichnen“, die ihn bis heute nicht verlassen hat. „Da brennt was“, sagt er und holt einen kleinen Block mit Skizzen hervor. Zwei Minuten brauche er für eine Zeichnung. – Wenn er einen Bleistift zur Hand hat. Mit dem Kugelschreiber funktioniert es nicht.

Die flammenschlagende Skizze. Es ist das Staunen über die Welt und der Versuch, sie auf Papier zu bannen. Eine Selbstvergewisserung, dass das, was er sieht, auch da ist. Dass diese Form, sich dem Hier und Jetzt zu widmen, etwas Besonderes sei, sei ihm nicht klar gewesen, meint Ebrahim Sharghi. „Ich war in der Schule zwar der Beste im Fach Kunst, aber ich dachte, das Talent dafür haben alle.“ Auch habe er als Kind nicht darüber nachgedacht, was das eigentlich ist – Kunst.

Die Zeit dafür findet er schließlich an der Universität. Aus dem Jungen, der einfach loslegt, wird ein Kunststudent. Ein Meister seines Fachs bringt ihn voran. Er lernt – will sich an alles heranwagen, kein Motiv auslassen und muss feststellen: Im Reich der Mullahs, die mittlerweile das Land regieren, geht das nicht. Das Training, dem er sich verschrieben hat, um sich weiter zu entwickeln, fällt aus. Wie, fragt er sich, könne er da den nächsten Schritt machen: eine Kunst erschaffen, die den Menschen etwas sagt?

Ebrahim Sharghi kehrt der Heimat den Rücken und geht nach Deutschland. Mehr als zwei Jahrzehnte später sitzt er an einem grauen Novembertag im Möllner Stadthauptmannshof und spricht über seine Arbeit, für die ihn die Stiftung Herzogtum Lauenburg mit dem Kulturpreis 2018 auszeichnet. Die Freude darüber ist groß. Sie steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er staunt wie ein kleiner Junge. Ich? Ich soll den Preis bekommen? Ja, er soll, er wird. Am kommenden Sonnabend ist es so weit.

Die Aussicht, plötzlich so in der Öffentlichkeit zu stehen, setzt dem 53-Jährigen ein wenig zu. Man möchte ihm zurufen: Nur Mut, es wird schon. Aber man weiß es ja von sich selbst, die Nervosität – Vorbote des unbekannten Terrains – lässt sich nicht besprechen wie eine Warze.

Immerhin lenkt das Gespräch hier ein wenig von dem großen Ereignis ab. Momentan arbeite er mit den Kittlitzer Bürgern an einem Friedensschild. Es sei das Dritte, das im Kreis Herzogtum Lauenburg entstehe. In Ratzeburg gebe es schon eins. Und in Mustin. „Wir wollen den Ort und seine Kultur schätzen“, sagt Ebrahim Sharghi.

Kittlitz – was ist das überhaupt? Mit Bürgern recherchiere er über die Geschichte und Sehenswürdigkeiten des Ortes. Dabei gehe es nicht um die bloße Darstellung und Anhäufung von Fakten, sondern darum, gemeinsam Entwicklungen zu Tage zu befördern, die im Alltag verschütt gegangen seien. „Wir entscheiden alles zusammen“, betont er. „Die Farbe, die Platzierung. So bekommen die Leute eine größere Beziehung zu dem Projekt.“

Gemeinsam die Welt schöner machen, damit möchte Ebrahim Sharghi einen Kontrapunkt gegen die Gewalt setzen. Gewalt geht für ihn vom Individuum aus. Täter ist immer der Einzelne. Ob nun im Syrischen Bürgerkrieg oder bei einem Selbstmordanschlag wie auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016.

Die Brandherde dieser Welt machen ihm zu schaffen. Jahre lang haben sie in ihm gearbeitet. Warum gehen wir Menschen nicht respektvoller miteinander um – wie wir es beispielsweise mit der Rose tun, fragt er sich. Diese Blume sei so prächtig, dass wir ihre Dornen nicht so ernst nehmen. Ebrahim Sharghi hat seinen Weg, seine Idee gegen die sich immer weiter hochschaukelnde Gewaltspirale gesucht und schließlich in seinem Friedensschild-Projekt gefunden.

Dieser Weg hat ihm nun den Kulturpreis der Stiftung Herzogtum Lauenburg eingebracht. Für ihn ist das Ansporn, nicht müde zu werden und weiter zu machen. Seine Idee endet dabei mitnichten an den Grenzen des Kreisgebietes. „Ich denke nicht lokal, sondern global“, stellt der Preisträger klar. Gerade habe er den Chemnitzer Bürgermeister wegen eines Friedensschildes angeschrieben.

Weitere Links und Infos zur Kulturpreisverleihung 2018:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/19/kunst-zeichen-fuer-den-frieden/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/19/von-karl-lorenz-bis-ebrahim-sharghi/

Außerdem gibt es unter www.kulturportal-herzogtum.de unter der Rubrik Blitzlichtgewitter noch eine Bildergalerie zur Preisverleihung.

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Aus der Stiftung

Der Wegbereiter

Mit Horst Teltschik ist am Montag, 19. November, einer der Wegbereiter der Deutschen Einheit im Stadthauptmannshof (Mölln/Haupstraße 150) zu Gast. Im Rahmen der Reihe „Zeitzeugen Deutscher Geschichte“ spricht er über „Das Wunder des Jahres 1989/90 –Was machen wir daraus?“. Der Vortrag beginnt um 19.30 Uhr.

Horst Teltschik hat sich den Ruf eines „tragenden Steins im Fundament der Regierung Helmut Kohls“ erarbeitet. Er gehörte als stellvertretender Chef des Bundeskanzleramtes fast zwei Jahrzehnte zu den „engsten und wichtigsten Mitarbeitern und Beratern“ des Kanzlers der Einheit.

Er war ein loyaler und ambitionierter Berater des Kanzlers in außenpolitischen Fragen und wirkte im Hintergrund -aber mit großem Einfluss- gestaltend an der deutschen Wiedervereinigung mit.

Prof. Dr. Teltschik wird wie kaum ein anderer als unmittelbar Beteiligter an diesem historischen Prozess Einblicke in diese für unser Vaterland so schicksalhafte, historische Phase geben. Was aber genauso wichtig ist, ist der Blick in die Zukunft. Was machen die Deutschen mit dem Geschenk der Einheit? Wo stehen wir, wo wollen wir hin? Wie bettet sich diese Phase unserer Geschichte in den europäischen Einheitsprozess ein und wohin steuert Europa? Auch diese Fragen hat Horst Teltschik auf dem Zettel, der als einer der angesehensten Analysten in allen außen- und sicherheitspolitischen Fragen gilt.

Wer zu dieser herausragenden Veranstaltung kommen will, sollte sich aufgrund des zu erwartenden Andrangs per Telefon unter der Rufnummer 04542-87000 oder per Mail unter info@stiftung-herzogtum.de anmelden.

Begleitend zum Vortrag zeigt die Stiftung Herzogtum Lauenburg auf dem Atelierboden des Stadthauptmannshofes die Sonderausstellung „Der Weg zur deutschen Einheit“.

Weitere Infos und Veranstaltungen zur deutschen Teilung und zur Wiedervereinigung:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/12/der-weg-zur-deutschen-einheit-2/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/12/die-ddr-innerlich-nicht-anerkannt/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/30/ich-war-vom-sozialismus-ueberzeugt/

 

 

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Aus der Stiftung

Grenznah und Grenzen los

Unter dem Titel „Grenznah und Grenzen los“ widmet sich Lothar Obst am Sonnabend, 10. November, im Möllner Stadthauptmannshof der Zeit, als der Eiserne Vorhang das Leben der Menschen im Kreis Herzogtum Lauenburg mitprägte. Die Veranstaltung beginnt um 15.30 Uhr. Der Vortrag ist einer von mehreren Begleitveranstaltungen zur Ausstellung „Der Weg zur Deutschen Einheit“, die vom 6. bis 30. November im Stadthauptmannshof zu sehen ist.

Die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik war die am stärksten befestigte Grenze der Welt. Der Überwachungsaufwand war immens. Es gab eine Sperrzone, Kontrollstreifen sowie Signal- und Metallgitterzäune. Hinzu kamen Bunker, Wachtürme, Minen und zum Teil Selbstschussanlagen, die das Ganze perfektionierten. Von den 1.393 Kilometern des innerdeutschen Hochsicherheitstraktes erstreckten sich 86 Kilometer vom Priwall bis zur Elbe. Damit waren die Hansestadt Lübeck die einzige deutsche Großstadt und das Herzogtum Lauenburg der einzige schleswig-holsteinische Landkreis, die direkt an der Grenze lagen.

Lothar Obst beschreibt das regionale Grenzregime der zwischen Ostsee und Elbe zuständigen Grenzregimenter 6 (Schönberg) und 8 (Grabow), deren Truppengebäude auch heute oftmals noch sehr gut in der Landschaft erkennbar sind. Er schildert ferner Entstehung, Verlauf und Ausbau der Sperranlagen, berichtet von aufsehenerregenden Grenzzwischenfällen und spektakulären Fluchten und erinnert an die Opfer von Stacheldraht und Schließbefehl: Grenzerfahrungen im Herzogtum Lauenburg zwischen Mauerbau und Mauerfall.

Veranstalter ist die Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur der Stiftung Herzogtum Lauenburg.

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Von Karl Lorenz bis Ebrahim Sharghi

Das erste Mal – die Premiere – das war 1978. Mit Karl Lorenz nahm der damalige Möllner Kirchenmusikdirektor den Kulturpreis in Empfang. Rund ein Jahr nach ihrer Gründung hatte die Stiftung Herzogtum Lauenburg die Auszeichnung für Kulturschaffende oder auch für Menschen und Institutionen, die sich um die Kultur verdient machen, aus der Taufe gehoben.

40 Jahre später kann man mit Fug und Recht sagen, dass der Kulturpreis mittlerweile selbst den Status einer Institution hat. 25 Gewinner gab es seither. 2016 fiel die Wahl der Jury auf den Möllner Liedermacher Klaus Irmscher. Zwei Jahre zuvor ging die Auszeichnung an den Filmclub Burgtheater Ratzeburg. 2018 ist es nun mit Ebrahim Sharghi ein bildender Künstler.

Diese kurze Auflistung der letzten drei Gewinner zeigt, wie unterschiedlich deren Arbeit und Wirken sind. Entscheidend sind letztendlich ihr Engagement und das, was sie damit erreichen. Strukturen, die es beispielsweise Nachwuchskünstlern ermöglichen, schöne Bilder zu malen oder zu präsentieren, sind für die Jury per se nicht minder wichtig als die schönen Bilder selbst.

Weitere Links und Infos zur Kulturpreisverleihung 2018:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/19/kunst-zeichen-fuer-den-frieden/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/11/19/flammende-appelle-fuer-eine-bessere-welt/

Außerdem gibt es unter www.kulturportal-herzogtum.de unter der Rubrik Blitzlichtgewitter noch eine Bildergalerie zur Preisverleihung.

 

 

 

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„Eine Zeit der Grundsatzentscheidungen“

Das Mittelalter scheint heute unendlich weit weg. So weit, dass der eine oder andere gar nicht mehr weiß, wann diese Zeit überhaupt gewesen sein soll. Es gibt aber auch Leute wie Lothar Obst, die das ganz genau wissen und die sich darüber unterhalten können, als seien Karl der Große oder Otto der Große Männer, die bis vor kurzem noch die Geschicke des Landes geführt hätten. Wer sich davon überzeugen will und sich obendrein für das Mittelalter interessiert, dem sei die Veranstaltungsreihe „1.100 Jahre Ottonen (919-2019): Als Norddeutschland zum Zentrum des Reiches wurde“ empfohlen, die am 27. September mit einem Vortrag im Möllner Stadthauptmannshof startet.

Lothar Obst wird dann über Otto den Großen sprechen. Was reizt ihn daran, sich mit dieser weit zurückliegenden Epoche der deutschen Geschichte zu befassen? „In dieser Zeit entstand das, was wir heute in Deutschland und Europa vorfinden“, erklärt Lothar Obst sein Interesse. Eine besondere Bedeutung für die Entwicklung des Reiches komme dabei den Ottonen zu. Mit ihren „staatspolitischen Grundsatzentscheidungen“ hätten sie zur Entstehung des deutschen Föderalismus beigetragen.

Wie sahen diese Grundsatzentscheidungen aus? Nachdem er den Widerstand gegen seine Herrschaft in den einzelnen Regionen– wie etwa in Sachsen – gebrochen hatte, habe Otto das Reich dauerhaft befrieden hatte, führt Lothar Obst aus. Dafür habe er versucht über Hochzeiten, „Herzogtümer mit Brüdern und Schwestern zu besetzen“. Man müsse sich vorstellen, so der Experte, dass es damals keinen Beamtenapparat und Staat, wie wir ihn heute kennen, gab. Doch Ottos Hochzeitspolitik scheiterte. Die Herzogtümer blieben stark. Um seine Macht zu sichern, habe der König deshalb das „ottonische Reichskirchensystem“ etabliert. Er benannte Bischöfe und übertrug ihnen weltliche Macht. Diese sei wegen des für die Geistlichen geltende Zölibats auf Zeit angelegt gewesen. Gleichzeitig habe Otto mit der Hofkapelle eine Kaderschmiede für Bischöfe begründet. Hier habe er aus den Reihen des Adels Nachwuchs für Besetzung oder Neubesetzung von Bischofsämtern gewonnen.

Doch es sei nicht nur die politische Grundlegung, die ihn am Mittelalter fasziniere, betont Lothar Obst. Ihn fasziniere auch die starke Verbindung von Politik und Religion in dieser Zeit. Im Mittelalter sei das politische Programm der Herrscher das Christentum gewesen, auch wenn es den Königen und Fürsten zweifelllos um „knallharte Machtpolitik“ gegangen sei. Gleichzeitig habe das Christentum der Politik Stabilität gegeben.

Kirchengeschichtlich habe die Verquickung von Christentum und Politik immer wieder dazu geführt, dass die Kirche sich „entgeistigte“. Die Folge sei die Entstehung des Zisterzienser-Ordens im 11. Jahrhundert oder im 13. Jahrhundert die Begründung der Franziskaner und der Dominikaner gewesen. Auch Luther und die Reformation würden sich so erklären lassen.

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Aus der Stiftung

Novemberrot – ein Essay von Helge Berlinke

1918.  Noch so ein runder Geburtstag, der zum Rückblick einlädt. Wer will, kommt aus dem Gedenken gar nicht mehr raus. Es gab und gibt immer genügend Tote, an die man erinnern kann. Nur – wen interessiert es? Und wenn es interessiert, wer versteht es? In einer Welt, die von den Trumps, Putins, Orbans und Erdogans regiert wird, beschleicht einen in diesen Tagen das Gefühl, dass es nicht allzu viele sind. Das kollektive Gedächtnis scheint mancherorts ausradiert. Andererseits: Aufgeben ist keine Option. Ohne Gedenken verkäme auch die demokratische Gesellschaft zur vergessenen Geschichte.

1918 also. Das Jahr, in dem der Erste Weltkrieg zu Ende geht. Ausgelöst haben ihn letztendlich ein übler Mix aus Nationalismus, Größenwahn und Gier. Es braucht nur die Ignoranz und Dummheit der Regierenden, um die Lunte zum Glimmen zu bringen. Im August 1914 ist es soweit. Und die Völker Europas? Berlin ist eine Wolke. Die Masse ist begeistert, jubelt dem Inferno entgegen. Nicht anders ist es in Paris, London oder Wien.

Vier Jahre und 10 Millionen Tote später sieht es anders aus. Ob Soldaten oder Zivilisten – die Menschen haben die Schnauze voll von dem Gemetzel, möglich gemacht durch die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts. Kein Kanonenfutter mehr sein – davon träumen insbesondere die deutschen Einheiten an der Westfront. Die Männer sind physisch und psychisch am Ende. Wracks in Uniform. Ausgemergelt und ausgehungert sehen sie sich seit dem Kriegseintritt der Amerikaner einer menschlichen und materiellen Übermacht gegenüber.

Der Schriftsteller Erich Maria Remarque hat die Lage der Soldaten in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ eindrücklich beschrieben: „Sommer 1918 – nie ist schweigend mehr ertragen worden als in dem Augenblick des Aufbruchs zur Front“, schreibt er. Und weiter: „Die wilden und peitschenden Gerüchte von Waffenstillstand und Frieden sind aufgetaucht, sie verwirren die Herzen und machen den Aufbruch schwerer als jemals.

Sommer 1918 – nie ist das Leben vorne bitterer und grauenvoller als in den Stunden des Feuers, wenn die bleichen Gesichter im Schmutz liegen und die Hände verkrampft sind zu einem einzigen: Nicht! Nicht! Nicht jetzt noch! Nicht jetzt noch im letzten Augenblick.“

Die deutschen Soldaten wissen, was los ist. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Feind die Front durchbricht. Im Oktober entscheidet die Marineführung schließlich, die Entscheidungsschlacht mit den Briten herbeizuführen. Womit sie nicht rechnen: Den Matrosen reicht es – sie halten das Vorgehen für sinnlos, wollen nicht noch im letzten Augenblick sterben und verweigern massenhaft den Befehl. In Kiel üben sie den Schulterschluss mit der Arbeiterschaft und gründen einen Arbeiter- und Soldatenrat. Von der Fördestadt breitet sich der Aufstand aus und mündet in der Novemberrevolution.

Am 9. November 1918 ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Balkon des Berliner Reichstages die Republik aus. Einen Steinwurf entfernt proklamiert der Spartakist Wilhelm Liebknecht im Hof des Stadtschlosses „die freie sozialistische Republik Deutschland“. Es ist der Auftakt eines politischen Machtkampfes zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. Liebknecht und seine Parteigenossen wollen die Revolution weiter anheizen und streben eine Räterepublik an. Die Sozialdemokraten unter der Führung von Friedrich Ebert fürchten, die Kontrolle über die Masse zu verlieren und ersuchen in dieser Stunde um Hilfe beim Heer. Wieder fließt Blut. Die Revolution wird niedergeschlagen. Der Publizist Sebastian Haffner* hat die Sozialdemokraten dafür später des Verrats bezichtigt, weil sie das Bündnis mit den kaisertreuen Militärs eingingen.

Warum „verrieten“ Ebert und seine Mitstreiter die Revolution? Waren sie nicht selbst Marxisten? Waren sie nicht gerade deshalb von Wilhelm II. drangsaliert worden? Ebert, so heißt es, habe sich davor gefürchtet, dass die Räte Lenins Vorbild folgen und Deutschland in einen bolschewistischen Staat umwandeln. Eine Furcht, die – wie die aktuelle Forschung zeigt – offensichtlich unbegründet war. Die Mehrheit der Menschen, die damals auf die Straße gingen, lehnten das sowjetische Modell ab**.

Dennoch entschied Ebert, die Revolution niederzuschlagen und bürdete damit dem neuen Staat eine schwere Hypothek auf. Die Toten und die begrabenen Träume der Aufständischen machten die Weimarer Republik, den ersten demokratischen Staat auf deutschen Boden, für einen Großteil der politischen Linken zum Hassobjekt, das es zu bekämpfen galt. Die politische Rechte wiederum haderte mit der Abdankung des Kaisers und der Weltkriegsniederlage. Sie sehnten sich ins Kaiserreich zurück.

Stellt sich die Frage für den Betrachter, ob da angesichts des blutigen Endes irgendetwas war, an das es sich zu erinnern lohnt? Die Antwort lautet ja. Als Erstes wären die Matrosen zu nennen, die sich dem Weiter-So des sinnlosen Mordens widersetzten. Vor ihrem Mut gilt es sich zu verbeugen. Und dann sind da noch all jene, die für Menschlichkeit und eine solidarische Gesellschaft auf die Straße gingen und dafür ihr Leben riskierten.

Zu gedenken ist auch jenen, die in Lenin ein Vorbild sahen. Irren ist schließlich menschlich und die Irrtümer des Sowjetkommunismus waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgebraucht. Ähnlich ließe sich für all die Konterrevolutionäre argumentieren. Auch sie waren Gefangene ihrer Zeit. Nur: Ein Recht auf Unrecht zu bestehen, wie es viele von ihnen taten, das gibt es nicht. Mord bleibt Mord.

Helge Berlinke

Veranstaltung und Ausstellung zur Novemberrevolution:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/10/15/geburtsstunde-der-demokratie-2/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/10/15/der-traum-von-freiheit-und-einheit/

 

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„Kulturbetrieb neue Impulse gegeben“

Die Stadt Husum hat Frank Düwel mit dem Storm-Preis 2018 ausgezeichnet. Laudator Christian Demandt, Geschäftsführer des Storm-Zentrums, würdigte die besondere Arbeitsweise des 55-Jährigen Regisseurs. Er verstehe es die verschiedensten Menschen – Laien und Profis – für Theaterprojekte wie den „Schimmelreiter“ zusammenzubringen und zu außergewöhnlichen Leistungen anzutreiben.

In seiner Rede berichtete Demandt auch von Düwels besonderem Verhältnis zu Theodor Storm. Der Preisträger, der in Meldorf aufwuchs, fand als Jugendlicher in der Welt um ihn herum „so ziemlich alles bescheuert“. Deshalb sei er häufig zum Deich hinausgelaufen, um seine Wut ins Meer hinauszuschreien. Erst durch die Lektüre von Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ habe er gemerkt: „Ich bin nicht allein.“

Lob für Düwel gab es auch von Lauenburgs Kreispräsidenten Meinhard Füllner: Die Auszeichnung mit dem Theodor-Storm-Preis sei „hochverdient“. Düwel habe – wie auch bei seiner Arbeit als Intendant des KulturSommers am Kanal – „dem Kulturbetrieb neue Impulse gegeben“. Er verstehe es, „verstaubte Literatur in neue Dimensionen zu führen und damit auch jüngeren Generationen Zugang zu verschaffen“.

Regisseur Düwel hatte 2017 anlässlich des 100. Geburtstages des Schriftstellers das Stück „Storm – das Meer – die Geister – Du“ mit zwei Laiendarstellergruppen in Hamburg und Husum aufgeführt. Weiter zurück liegt die dreiteilige Schimmelreiter-Inszenierung (2013-2015). In diesem Jahr hat er das Stück „John Riew“ inszeniert.

Bei der Preisverleihung im Alten Gymnasium (Husum) waren neben Laudator Demandt und Kreispräsident Füllner auch Husums Bürgermeister Uwe Schmitz, Bürgervorsteher Martin Kindl, Landtagspräsident Klaus Schlie sowie Wolfgang Engelmann, Vizepräsident der Stiftung Herzogtum Lauenburg, zugegen.

Foto: Stadt Husum

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Exkursionen in die Vergangenheit

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – 2019 jährt sich zum 1.100 Mal die Geburtsstunde der ottonischen Zeit. Anlässlich dieses Jubiläums laden die Stiftung Herzogtum Lauenburg und der Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg zu Vorträgen und Exkursionen unter der Federführung des Experten Lothar Obst. Zum Auftakt der Reihe „1.100 Jahre Ottonen (919 – 2019): Als Norddeutschland zum Zentrum des Reiches wurde“ spricht der 61-Jährige am Donnerstag, 27. September, um 19.30 Uhr im Möllner Stadthauptmannshof über „Otto der Große und seine Bedeutung“. Weiter geht es am 29. November mit dem Vortrag „Theophanu, Ottos Kaiserin“, ebenfalls um 19.30 Uhr im Stadthauptmannshof.

Darüber hinaus sind drei Exkursionen geplant, in der das Wirken der Ottonen veranschaulicht werden soll. Eine mehrtägige Tour führt zur Wiege des Reiches nach Quedlingburg und Gernrode, wo Heinrich I. (919-936) zu Hause war. Darüber hinaus ist ein Besuch Magdeburgs geplant, wo Otto der Große (936-973), an der Erneuerung des römischen Imperiums arbeitete. Überdies geht es nach Hildesheim, zu den „Ottonischen Gottesburgen“. Bei diesem Ausflug stehen Otto II. und III. (973-1002) sowie die Bernwardinische Kunst im Fokus.

Zeugnisse dieser Kunst finden sich in Hildesheim, das heute das kulturelle Zentrum zwischen Harz und Heide, Weser und Elbe ist. Der Anfang der Stadtgeschichte ist untrennbar mit dem bischöflichen Krummstab verbunden. Erst der Bischofssitz ermöglicht das Entstehen einer Stadtgemeinde. In seiner Obhut siedeln Ritterschaft, Handwerker und Kaufleute. Am Schnittpunkt uralter Handelswege gründet 815 der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme, das neue Bistum auf dem Domhügel.

Keine 200 Jahre später prägt Bernward, Spross eines sächsischen Grafen-geschlechtes, ein Mann von außergewöhnlicher Begabung, enger Freund und Berater Kaiser Ottos II. und dessen Ehefrau Theophanu und Erzieher von deren Sohn Kaiser Ottos III. als Hildesheimer Bischof von 993 bis 1022 eine kunstvolle Ära in Sachsen. Bernwardinische Kunst durchdringt die Schlussepoche der sächsischen Ottonen nach der Jahrtausendwende.

Die Architektur dieser Zeit bringt die sogenannten „ottonischen Gottesburgen“ hervor – das sind in Stein aufgerichtete Monumentalbauten mit wuchtigen Mitteltürmen über den klar ausgeschiedenen Vierungen, Treppentürmen an den Flanken der Querschiffe, zumeist doppelchörig als architektonischer Ausdruck der bipolaren Einheit von Kirche und Staat. „Bollwerke Gottes“ hat man diese geschlossenen Mauermassen des Steinbaus auch genannt, die architektonisch mehr einer Wehrburg denn einem Sakralbau gleichen. Drei mächtige deutsche Kaiser geben dieser Zeit ihren Namen, die als „Ottonik“ der Romanik in Deutschland unmittelbar vorangeht. St. Michael in Hildesheim ist das bedeutendste Bauwerk dieser Epoche, die vieles, was vordem aus der Antike übernommen worden war, von Grund auf und mannigfaltig bewegt und umgeformt hat.

Weitere Infos zur Ottonen-Reihe und zum Mittelalter:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/09/10/zeit-der-grundsatzentscheidungen/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/09/10/von-wegen-finster/

 

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Konzerte, Krimis & noch viel mehr

Rechtzeitig zum Ende des diesjährigen KulturSommers am Kanal legt die Stiftung Herzogtum Lauenburg das zweite Halbjahresprogramm 2018 vor. Konzerte, wissenschaftliche Vorträge, Ausstellungen, Lesungen: Die Stiftung hat gemeinsam mit etlichen Kooperationspartnern ein Programm erstellt, das alle Teile des Kreises berücksichtigt. Neben dem Sitz der Stiftung im Stadthauptmannshof Mölln werden als Veranstaltungsorte auch andere Städte wie Lauenburg, Ratzeburg oder Geesthacht berücksichtigt, aber auch kleinere Orte wie Borstorf oder Rondeshagen sind mit einbezogen.

Musikalisch setzt die Stiftung wie immer auf Vielfalt: Ein Konzert mit drei A-Cappella-Ensembles (baff!, Die Syrinx, ARTgenossen) findet am 28.9. statt. Zwei Kooperationen mit dem Folkclub Herzogtum Lauenburg führen nach Frankreich und nach Schweden: Das französische Ensemble Arbadétorne spielt traditionelle Musik aus der Region Vendée, dem Nordwesten Frankreichs am 8.9. mit vorhergehendem Tanz-Workshop. Die Lieder des schwedischen Rokokodichters Carl Michael Bellman werden von Günter Gall und Konstantin Vassiliev am 2.11. interpretiert (in Kooperation mit der Stadt Ratzeburg).
Im Bereich Literatur zeigen drei Veranstaltungen die ganz unterschiedlichen Möglichkeiten des geschriebenen Wortes: Der in der Region und darüber hinaus bekannte Lyriker Klaus Rainer Goll gibt am 7.9. einen Einblick in seine Begegnungen mit Katia Mann mit Gedichten, Tagebucheinträgen sowie Briefen. Der nordfriesische Autor Hannes Nygaard liest am 26.10. aus seinem aktuellen Krimi, der in unsere Region führt. Zwei Tage später liest der Möllner Manfred Sahm aus seiner modernen, lesbaren niederdeutschen Fassung des Eulenspiegel-Buchs von Hermann Bote (gedruckt 1515), musikalisch begleitet von Peter Paulsen.

Die diesjährige Herbstausstellung widmet sich nicht der Kunst, sondern dem Wandel in der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein. Fotos und Texte ergeben zusammen mit Leihgaben des Museums „Vergessene Arbeit“ in Steinhorst eine informative Ausstellung für unsere ländliche Region.

Die Vorträge der Lauenburgischen Akademie für Wissenschaft und Kultur behandeln die verschiedensten Themen aus der Perspektive der jeweiligen Fachgebiete (z.B. „Frühe Kulturlandschaften in Europa“ von Prof. Holger Behm am 20.9. oder „Das Herzogtum Sachsen-Lauenburg im Dreißigjährigen Krieg“ von Prof. Joachim Reichstein am 1.11.). Besonders aber wird darauf hingewiesen, dass der über viele Jahre als Tutor für die Akademie tätige Historiker Prof. Dr. Eckardt Opitz am 4.9. in Mölln seinen letzten Vortrag halten wird, in dem er seine Forschungen über das Herzogtum Lauenburg resümiert.

Ebenso hervorzuheben ist die Kooperation mit dem Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg für die Reihe „1.100 Jahre Ottonen (919-2019)“. Den Auftakt macht Lothar Obst mit zwei Vorträgen (am 27.9. über Otto den Großen und am 29.11. über Theophanu).

Auch der Natur-/Umwelt-Bereich wird weiterhin berücksichtigt: Es gibt z.B. Vorträge über den Fischartenatlas (Prof. Heiko Brunken am 23.10.) oder über die Pflanzen in den Pflasterfugen (Dr. Erich Lüthje am 20.11.). Der jährliche Apfeltag auf der Ratzeburger Streuobstwiese findet am 15.9. statt. Der Eintritt zu wissenschaftlichen Vorträgen der Stiftung und der Akademie ist im Übrigen kostenlos.

Die Advents- bzw. Weihnachtszeit kommt auch bei der Stiftung nicht zu kurz: Am 1.12. findet die traditionelle Lauenburgische Weihnacht statt; diesmal aber wird auf die Mitwirkung regionaler Künstler gesetzt. Ein entsprechender Aufruf wird noch veröffentlicht. Bei einem SingAlong! am 15.12. singen vier Musiker aus der Region mit dem Publikum unterschiedlichste Advents- und Weihnachtslieder aus verschiedenen Zeiten und Ländern.

Ein Höhepunkt ist sicherlich der Vortrag von Prof. Horst Teltschik am 19.11. Der stellvertretende Chef des Bundeskanzleramts unter Helmut Kohl wird als unmittelbarer Zeitzeuge über die Vorgänge während der Wendezeit berichten. Begleitend dazu gibt es eine Ausstellung, die den Weg zur Deutschen Einheit nachvollzieht.

Alle zwei Jahre wird der Kulturpreis der Stiftung verliehen. In diesem Jahr findet die Verleihung am 17.11. statt.

Die Stiftung ist stets an Kooperationen interessiert, besonders im ländlichen Raum. Die bereits lange bestehende Reihe „Die Akademie geht aufs Land“ bietet die Möglichkeit, historische Besonderheiten direkt vor Ort den interessierten Einwohnern nahezubringen. Bei Interesse wenden Sie sich an die Geschäftsstelle unter Tel. 04542-87000 oder info@stiftung-herzogtum.de. Die Stiftung prüft dann, ob es zur angefragten Gemeinde passende Forschungsergebnisse gibt. Das Programm des zweiten Halbjahrs ist bereits jetzt im Stadthauptmannshof Mölln erhältlich. Ebenso wird es in den Tourist-Informationen des Kreises sowie bei den Kooperationspartnern ausliegen.

 

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„Die Liebe ist die Antithese zur Optimierung“

Am kommenden Sonntag, 24. Juni, beginnt mit dem Mittsommerfest in Ratzeburg der KulturSommer am Kanal 2018. Das Sommerfestival steht in diesem Jahr unter dem Motto „Am Horizont… die Liebe“. Kulturportal-Herzogtum.de sprach vorab mit Intendant Frank Düwel über dessen Entstehung und welche Bedeutung die Liebe für ihn hat.

Der 55-Jährige wurde kürzlich für seine Arbeit mit dem Theodor-Storm-Preis ausgezeichnet. Düwel ist Regisseur und als Dozent an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg tätig. Dort widmet er sich der Musiktheater-Regie sowie der Leitung von Projekten.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Düwel, der KulturSommer am Kanal steht in diesem Jahr unter dem Motto „Am Horizont…die Liebe“. Wollen Sie damit sagen – schließlich handelt es sich beim Horizont ja nur um eine optische Täuschung –, dass Liebe unerreichbar ist?

Frank Düwel: Nein, natürlich nicht. Liebe ist nicht unerreichbar. Aber: Liebesglück ist nicht jeden Tag. Sie ist nicht alltäglich und sie ändert sich. Je nach Lebensabschnitt verbinden Menschen andere Dinge damit. Insofern ist Liebe für mich dynamisch.

KP: Aus Ihrer Antwort höre ich heraus, dass Sie an die Liebe glauben.

Düwel: Ich weiß, dass es sie gibt. Ich habe aber auch erfahren, dass Menschen unter der Liebe unterschiedliche Dinge verstehen. Vor kurzem habe ich mit einem Teenager gesprochen, der darüber irritiert war, dass er in seiner Beziehung nicht immer nur Sex haben will. Ich habe ihm gesagt, dass das Ok ist.

KP: Was versteht Frank Düwel unter der idealen Liebe?

Düwel: Den anderen so zu lieben, wie er ist.

KP: Für den KulturSommer am Kanal haben Sie in diesem Jahr „Die schöne Magelone“ inszeniert. In dem Stück werden die Liebenden voneinander getrennt. Was geschieht mit dieser unerfüllten Liebe?

Düwel: Der junge Peter, den es in die Welt hinaus verschlägt, wo er Abenteuer erlebt, vergewissert sich fern von Magelone seiner Fähigkeit zur Liebe. Mir fällt dazu ein Titel von Rio Reiser ein. Er singt „Halt dich an deiner Liebe fest“. Damit meint er nicht, dass man sich an den anderen festkrallen soll, sondern an seiner Fertigkeit zu lieben. Die Geschichte offenbart aber noch etwas anderes.

KP: Das da wäre?

Düwel: Dass man lernt, zu lieben, und dass man es erträgt, geliebt zu werden. Der allererste Reflex der erwachsenen Liebe ist, dass man sich gar nicht vorstellen kann, geliebt zu werden und wenn man geliebt wird, dass man es aushalten kann.

KP: Peter und Magelone. Ein junges Paar, frisch verknallt und kurz darauf wieder voneinander getrennt. Kann man da überhaupt von Liebe sprechen oder geht es eher um Verliebtheit?

Düwel: Zunächst ist es Verliebtheit. Indem sie sich vermissen, beginnen sie sich zu lieben. Ich würde da aber keine Kategorien aufbauen. Es ist vollkommen Ok, verliebt zu sein – dass eine Person kommt und wieder geht. Mein Freund und ich haben aus der Nähe heraus angefangen, uns zu lieben. Es gibt die unterschiedlichsten Wege. Man muss der Liebe zugestehen, dass sie überraschend sein kann.

KP: Eine überraschende Wendung ist das Umschlagen von Liebe in Hass. Mir fällt dazu der Satz Milan Kunderas ein: Im Reich des totalitären Kitsches herrscht die Diktatur des Herzens.

Düwel: Es gibt tatsächlich etwas Totalitäres im Gefühligen. Wenn jemand sagt, ich fühle etwas und das ist deshalb genauso für dich, wird es gefährlich. Etwas zu fühlen, ist etwas, was man selbst erlebt. Wenn man die Liebe erlebt und sie mit anderen teilen kann, ist das ein Glück.

KP: Kommen wir nochmal auf das Motto des diesjährigen KulturSommers am Kanal zu sprechen. Was war am Anfang – das Motto oder das Programm?

Düwel: Der Titel steht immer schon vor dem Programm fest. Bevor wir im Herbst die ersten Aufrufe für den nächsten KulturSommer starten, überlege ich mir, welche Themen in der Gesellschaft schwingen.

KP: Die Liebe – ketzerisch gesagt – kommt mir da eher nicht in den Sinn.

Düwel: Ich habe festgestellt, dass sich ganz allgemein ein Optimierungskult entwickelt hat. Nach dem Motto: Wenn ich mich gut ernähre, Sport treibe und wenn ich nur raffiniert und klug genug bin, habe ich Erfolg. Die Liebe ist die Antithese zur Optimierung. Die Liebe ist das Lebendige, Nichtkontrollierbare. Die Liebe ist das Medium, mit dem man seine Schwächen versöhnen kann.

KP: „Am Horizont…die Liebe“ – der Titel verweist auch auf die geografische Dimension des KulturSommers am Kanal. Geht es im Programm auch um Heimatliebe?

Düwel: Zunächst einmal ist Heimat für mich nicht auf Geografie beschränkt. Brahms ist für mich auch Heimat. Wenn man Glück hat, ist das, was man als Kind das erste Mal schmeckt, riecht und entdeckt, so schön, dass man es nicht wieder loswird. Sonst gibt es – wie gesagt – Brahms oder Rio Reiser.

KP: Das Festival zeichnet sich auch dadurch aus, dass viele Menschen aus dem Kreis sich an den Veranstaltungen beteiligen können. Haben Sie das Gefühl, dass das diesjährige Motto bei den Akteuren ankommt?

Düwel: Auf jeden Fall. Das Thema Liebe bewegt die Leute. Im produktiven Prozess – etwa bei den Proben – erlebe ich, dass viel darüber gesprochen wird. Das ist großartig.

KP: Herr Düwel, ich danke für das spannende Gespräch.

Mehr zum Start in den KulturSommer am Kanal lesen Sie unter

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/06/18/kultursommer-eroeffnet-in-ratzeburg/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/06/18/kinderchor-trifft-cello/

http://kultursommer-am-kanal.de/startseite/

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