Kategorien
Nördlich der A24

„Es braucht mehr Kontakt und mehr Begegnungen“

Während die Öffentlichkeit seit Wochen und Monaten über Abschiebungen und eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik diskutiert, bemühen sich landauf, landab Menschen um die Integration von Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Die Debatte hat deren Arbeit nicht leichter gemacht, wie Uta Röpcke, Flüchtlingskoordinatorin für den Kreis Herzogtum Lauenburg, im Interview mit Kulturportal-Herzogtum.de zu berichten weiß.

Kulturportal-Herzogtum.de: Frau Röpcke, wie schwierig ist Ihr Job angesichts von Ablehnung und zum Teil sogar Feindseligkeit gegenüber Flüchtlingen, die wir seit geraumer Zeit erleben?

Uta Röpcke: Wir als Kreisverwaltung kriegen da gar nicht so viel ab. Das Ehrenamt kriegt es ab. Dabei nimmt die Bereitschaft, sich zu engagieren, ohnehin ab. Diese Stimmungslage trägt natürlich nicht gerade dazu bei, das umzukehren. 2015/2016 zu ‚Wir-schaffen-das-Zeiten‘ war noch alles toll. Heute muss sich das Ehrenamt mit der Frage auseinandersetzen, warum tust du dir das an?

KP: Haben Sie konkrete Beispiele?

Röpcke: Ein Thema ist der Wohnraum. Viele Flüchtlinge im Kreis sind als Obdachlose untergebracht. Das Ehrenamt hilft diesen Menschen bei der Wohnungssuche. Denen wird dann gesagt: Wenn Sie für einen Flüchtling fragen wollen, rufen Sie mich bitte nicht mehr an. Da gibt es klare Diskriminierungstendenzen.

KP: Liegt das an den Vorurteilen der Leute?

Röpcke: Das ist schwer zu beurteilen. Vielleicht hat da mal jemand schlechte Erfahrungen gemacht. Man kann auch schlechte Erfahrungen mit anderen Mietern machen. Bei Flüchtlingen lässt sich das aber viel leichter verallgemeinern. Aus einer negativen Einzelerfahrung bildet sich ein Vorurteil.

KP: Was kann man dagegen tun?

Röpcke: Ich glaube, dass es noch viel mehr Gelegenheiten zum Kontakt braucht. Im Alltag, aber auch wenn es darum geht, zusammen etwas auf die Beine zu stellen und zu feiern. Derzeit kann man leider beobachten, dass Gruppen von Flüchtlingen unter sich bleiben – beispielsweise in Geesthacht in der Mercatorstraße oder am Südring Wentorf. Früher gab es noch mehr Patenschaften – Leute, die mit den Flüchtlingen mal zum Schwimmen oder mal zum Einkaufen gehen.

KP: Wie will der Kreis diesem Negativtrend begegnen?

Röpcke: Wir arbeiten derzeit an einem Integrations- und Teilhabekonzept. Was können wir als Landkreis tun? Was haben wir für eine Haltung in der Sache? Wie kriegen wir unser Leitbild am besten umgesetzt? Welche Ziele setzen wir uns für die lokale Ebene in Zusammenarbeit mit den Städten und Ämtern?

KP: Jenseits solch grundsätzlicher Zielvereinbarungen – was geschieht aktuell?

Röpcke: Wir haben uns am Veranstaltungsflyer „Interkulturelle Begegnungen“ im Kreis Herzogtum Lauenburg 2018 beteiligt. Kreisweit haben wir uns darauf verständigt, dass statt eines großen Willkommensfestes diverse Begegnungsfeste auf lokaler Ebene stattfinden. In den Kommunen sind schließlich die Leute – die Sprach- und Kulturmittlerinnen und -mittler. Da gibt es Literatur, Musik, Essen und Tanz. Wir veranstalten im November die Regionalkonferenz ‚So geht Integration!‘ mit einigen Positivbeispielen aus unserem Kreis. Sie erzählen ihre Fluchtgeschichte, wie sie hier angekommen sind, welche Hürden sie nehmen mussten. Auf diese Weise bekommen die Geflüchteten ein Gesicht.

KP: Demnächst steht ja auch bundesweit die „Interkulturelle Woche“ an. Sind Sie da auch mitbeteiligt?

Röpcke: Wir zeigen in der Kreisverwaltung die Ausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“, die am 29. August eröffnet und auch während der „Interkulturellen Woche“ zu sehen sein wird.

KP: Wie kam es zu der Ausstellung?

Röpcke: Auf die Ausstellung sind wir aufmerksam geworden, weil die Diakonie Norderstedt sie gezeigt hat. Die Schau zeigt, wie emotional Feste und Traditionen verankert sind. Sie gibt aber auch Anknüpfpunkte, emotionale Bezüge zu schaffen, die sich teilen lassen.

KP: Wir haben jetzt mehrmals das Wort „interkulturell“ verwendet. Was bedeutet Interkulturalität überhaupt?

Röpcke: Ich tue mich schwer mit dem Begriff. Pragmatisch betrachtet meint er die Begegnung zwischen der einen und der anderen Kultur. Aber eine Kultur ist für mich immer nur ein Modell, das in seiner Reinform gar nicht existiert. Ich gehe da lieber vom Individuum aus. Menschen haben unterschiedliche Erfahrungshorizonte. Eine als homogen verstandene Kultur kann dagegen zu Vorurteilen führen.

KP: Frau Röpcke, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kategorien
Nördlich der A24

Schmöker über das Landleben

Für die Recherchen seines Buches „Gute Qualität muss wachsen“ ist Rainer Wiedemann viel unterwegs gewesen. Er hat Höfe im Norden und Süden Schleswig-Holsteins besucht. Er hat sich Richtung Osten und Richtung Westen auf den Weg gemacht. Herausgekommen ist ein 256 Seiten umfassender Schmöker mit Bildern und Texten.

Geschichte und die Geschichten diverser Bauern finden sich darin. Bio-Landwirte sind ebenso vertreten wie auch herkömmliche Landwirte. Es tauchen Menschen wie der 1983 in Pforzheim geborene Philipp Hennig auf, die Landwirtschaft in einer Hofgemeinschaft betreiben oder der Ruheständler Martin Störtenbeker, der auf der Insel Fehmarn einen Hof führte. Ein Hof mit Tradition. Die Familie ist nachweislich bereits seit rund 200 Jahren auf der Insel vertreten. Martin Störtenbeker, Jahrgang 1939, hat den Zweiten Weltkrieg als Kleinkind miterlebt. Er erinnert sich, wie seine Mutter nach dem Tod ihres Mannes ab 1944 die Geschicke des Hofes übernahm und bis in die 60er Jahre hinein nicht mehr abgab.

Manche von seinen Interviewpartnern seien „froh“ über seinen Besuch gewesen, sagt Rainer Wiedemann rückblickend. Es habe sie gefreut, dass ihnen da plötzlich jemand gegenübersaß, der ihre Familiengeschichte aufschrieb. Umgekehrt habe es auch Leute gegeben, die froh gewesen seien, wenn er wieder weg war.

Wiedemanns oberste Maxime für die Interviews war, seine Gesprächspartner „nicht zu bedrängen“. Auf diese Weise hätten sie „alle freisprechen können“. Bei der Wiedergabe der Interviews habe er sich bemüht, alles „so sachlich wie möglich festzuhalten“. So hätten seine Gesprächspartner freisprechen und missliebige Bemerkungen aus dem Manuskript streichen können. Dies sei in der Regel aber kaum geschehen, so Wiedmann.

„Gute Qualität muss wachsen“ ist 2017 im Wachholtz-Verlag erschienen und hat die ISBN-Nummer 978-3-529-05190-6.

Im Möllner Stadthauptmannshof zeigt Rainer Wiedemann derzeit seine gleichnamige Ausstellung „Gute Qualität muss wachsen“, die noch bis einschließlich 7. Oktober jeweils sonnabends und sonntags in der Zeit von 11 bis 16 Uhr zugänglich ist. Der Eintritt ist frei. Zudem bietet Rainer Wiedemann am 7. Oktober um 14 Uhr eine Führung an.

Mehr Infos über Rainer Wiedemann und seine Ausstellung:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/09/24/die-bauern-haben-mir-nicht-mal-milch-verkauft/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/09/24/gute-qualitaet-muss-wachsen/

 

Kategorien
Nördlich der A24

„Gute Qualität muss wachsen“

Die Debatten um Massentierhaltung, Glyphosat und Gentechnik zeigen: Landwirte und Verbraucher haben sich weit voneinander entfernt und sich außer gegenseitige Vorhaltungen nicht viel zu sagen. Ein untragbarer Zustand. Schließlich brauchen beide Seiten einander. Ein erster Schritt aus der Beziehungskrise wäre, wenn die Beteiligten aufeinander zugehen und das Gespräch suchen würden. Gelegenheit dazu gibt die Ausstellung „Gute Qualität muss wachsen – Landleben in Schleswig-Holstein damals und heute“, die noch bis Sonntag, 7. Oktober, im Möllner Stadthauptmannshof zu sehen ist. Der ehemalige Kunsterzieher Rainer Wiedemann aus Lübeck-Kronsforde widmet sich darin der Entwicklung der Landwirtschaft sowie dem Arbeitsalltag der Bauern.

Seine Fotografien hat Wiedemann mit erklärenden Texten versehen. Themen sind neben der herkömmlichen Landwirtschaft auch der Ökolandbau und die Ökoviehhaltung. Zudem geht sein Blick zurück bis in die Kriegszeit. Wie wurden damals die Felder bestellt? Welche Hilfsmittel gab es? Wie stand es um die Tierhaltung? Außerdem zeichnet er die Arbeit der Bauern im Zyklus der Jahreszeiten nach. Ergänzt wird die Ausstellung von Leihgaben des Museums „Vergessene Arbeit“ in Steinhorst, das von der Bezirksgruppe Steinhorst-Sandesneben im Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg betrieben wird.

Die Ausstellung ist jeweils sonnabends und sonntags in der Zeit von 11 bis 16 Uhr zugänglich. Der Eintritt ist frei. Zudem bietet Rainer Wiedemann am 7. Oktober eine Führung an. Gestartet wird um 14 Uhr.

Infos über Rainer Wiedemann und über seine Arbeit:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/09/24/die-bauern-haben-mir-nicht-mal-milch-verkauft/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/09/24/schmoeker-ueber-das-landleben/

 

 

 

Kategorien
Nördlich der A24

Ein Hauch von Blues im Lämmerhof

Alle Wege führen in den Lämmerhof (Mannhagen): In den kommenden Wochen machen sich diverse Vertreter der Singer-Songwriter-Szene dorthin auf. Die „Stalltournee“ startet am Freitag, 28. September, mit dem Auftritt des bluesorientierten Dänen Tim Lothar. Lothar heimste für seine Musik bereits mehrfach Preise ein. Ein weiterer Höhepunkt steht am 10. November an, wenn Mathew James White die Bühne betritt.

Eine Gitarre, eine starke Stimme und sehr persönliche Songs in einer Intensität, die atemlos macht – damit packt Tim Lothar sein Publikum.

Tim Lothar, aufgewachsen in Kanada, spielt in Clubs und auf Festivals in ganz Europa. Als Solokünstler präsentiert er fast ausschließlich eigene Songs. Eigene Erlebnisse und beobachtete Begebenheiten liefern ihm jede Menge Material.

Sein erstes Album erhielt weltweit beste Kritiken. Für das zweite Album bekam Tim Lothar zwei der wichtigsten dänischen Preise. Im Lämmerhof präsentiert er sein neuestes Album.

„Wir freuen uns riesig, dass wir so tolle Musiker wie Tim Lothar dafür gewinnen konnten, in den Lämmerhof zu kommen, fiebert Veranstalter Christian Brüggemann dem Auftakt der „Stalltournee“ entgegen.

Kategorien
Ausstellungen Nördlich der A24

„Ich war vom Sozialismus überzeugt“

Andreas Wagner, Jahrgang 1964, leitet seit 2013 das Grenzhus in Schlagsdorf. Er wuchs in der DDR auf, war Mitglied der SED und leistete drei Jahre Armeedienst. Von 1985 bis 1990 studierte er Geschichte und Marxismus-Leninismus. Als sich der Widerstand gegen das SED-Regime formierte und in Leipzig Ende der 80er Jahre die Montagsdemonstrationen stattfanden, blieb er zunächst auf Distanz. Wagner, Kind einer Arbeiterfamilie, glaubte noch an die DDR. Nach der Wende lernte und forschte er in Rostock und Hamburg.

Im Interview mit Kulturportal-Herzogtum.de spricht er darüber, wie der „alte“ Andreas Wagner den jungen heute sieht und welche Rolle seine Biografie für das Grenzhus spielt.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Wagner, was haben Sie am 9. November 1989 gemacht?

Andreas Wagner: Das weiß ich nicht mehr.

KP: Das wissen Sie nicht mehr?

Wagner: Die Reisefreiheit war eine schöne Sache, aber mir war es damals wichtiger, wie es mit der DDR weitergeht, wie man einen besseren Sozialismus entwickeln kann.

KP: Was haben Sie in der Zeit gemacht?

Wagner: Ich habe in Leipzig studiert…

KP: …wo im Herbst ´89 die Montagsdemonstrationen gegen die SED stattfanden.

Wagner: Genau. Montags habe ich damals immer in einem auswärtigen Archiv geforscht. Die Vorbereitungen für die Demonstrationen bekam ich auf den Weg zum Bahnhof mit. Am 7. Oktober 1989 musste ich mit ansehen, wie Menschen vor der Nikolaikirche von der Polizei auseinandergetrieben wurden. So eine Gewalt hatte ich bis dahin nicht erlebt. Entsprechend angespannt war die Atmosphäre in der Stadt vor dem Durchbruch am 9. Oktober. Bei der übernächsten Demonstration bin ich dann mitgegangen.

KP: Warum nicht vorher?

Wagner: Ich habe über viele Dinge damals anders gedacht als heute. Ich war von der Idee des Sozialismus überzeugt. Gleichzeitig war mir klar, dass sich etwas in der DDR verändern muss. Aber ich habe das bestehende System nicht in Frage gestellt. Ich hätte damals kritischer auftreten können, als ich es gemacht habe. Das beschämt mich heute.

KP: Worüber denken Sie heute anders?

Wagner: Über vieles. Aber im Rückblick ist mir bewusst, welche geringe Bedeutung damals Begriffe wie Individualität, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit für mein Denken hatten.

KP: Welche Vorstellung hatten Sie vom Sozialismus?

Wagner: Angestoßen durch die Perestroika-Politik von Gorbatschow wuchs meine Hoffnung auf einen dritten Weg, einen demokratischen Sozialismus, in dem Mitbestimmung, Offenheit und Meinungsstreit möglich sind. Doch in der DDR bewegte sich kaum etwas. Es war eine bleierne Zeit. Wirtschaftlich wuchsen die Schwierigkeiten. Die Gebäude zerfielen. Die Atmosphäre war wie verriegelt und zugemauert. Wir stritten um Begriffe, weil wir nicht mehr mit den alten Losungen auf die 1. Mai-Demonstration gehen wollten. Wir merkten gar nicht, wie die Zeit darüber hinwegging.

KP: Und dann kam die Wende und schließlich das Ende der DDR. Sie waren ausgebildeter Lehrer für Marxismus-Leninismus.

Wagner: Letztendlich war es ein Geschichtsstudium und mich lockte die Forschung. Trotz mancher Einschränkungen haben wir das Handwerkszeug eines Historikers gelernt. Davon zehre ich heute noch. Das Studium hat mir inhaltlich und fachlich viel gegeben. Wir hatten Lehrer, die auch international mitreden konnten.

KP: Trotzdem stelle ich es mir schwierig vor, sich unter diesen Vorzeichen in der sich mit einem Schlag ändernden Forschungslandschaft zu behaupten. Es gab doch bestimmt Vorbehalte.

Wagner: Vorbehalte spielten weniger eine Rolle. Für junge Leute boten sich viele neue Chancen, zum Beispiel durch Sprachkurse, Studienaufenthalte im Ausland und die neuen Forschungsfreiheiten. Schwieriger wurde es nur, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen und nach der Ausbildung einen bezahlten Job zu finden. Vorbehalte habe ich kaum gespürt, am Anfang gab es sogar ein großes Interesse an den DDR-Lebenserfahrungen. Für viele Bundesdeutsche war es ein fremdes Land. Ich habe überwiegend einen respektvollen Umgang kennengelernt. In Hamburg wollte mein betreuender Professor wissen, was ich an der Leipziger Uni gelernt hatte, das war wichtiger als meine DDR-Prägungen.

KP: Heute sind Sie promovierter Historiker und seit 2013 Projektleiter im Grenzhus. Welche Rolle spielen Ihre persönlichen DDR-Erfahrungen in der Arbeit?

Wagner: Die spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die museale Arbeit orientiert sich an wissenschaftlichen Kriterien. Unsere Erkenntnisse müssen belegbar, überprüfbar und in historische Zusammenhänge eingebettet sein. Wir wollen zu einem (selbst-)kritischen Nachdenken über Geschichte und Gegenwart beitragen. Im Unterschied zur DDR-Erinnerungspolitik geht es uns nicht um Bekenntnisse zu politischen Vorgaben, sondern um Fragen an die Geschichte. Wir wollen zeigen, welche Konsequenzen das Handeln von Menschen hatte, damit wir zukünftig sensibel dafür sind.

KP: Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Grenzhus?

Wagner: Ausgangspunkt unserer Erinnerungsarbeit sind die Opfer des DDR-Grenzregimes. Wir erzählen diese Schicksale, damit sich solche Menschenrechtsverletzungen nicht wiederholen. Gleichzeitig fragen wir nach den Funktionsmechanismen des Systems. Dabei geht es um Zwang und Angst, aber auch Identifikation und Mitmachen und um die vielen Zwischenstufen, die das Leben in einer Diktatur ausmachen. Und wir wollen dazu beitragen, Trennendes zu überwinden. Die ideologische Konfrontation im Kalten Krieg sowie der Umbau Ostdeutschlands haben Gräben hinterlassen. So wollen wir auch einen Beitrag zur Überwindung von Mauern in den Köpfen leisten, gerade an der ehemaligen Trennlinie zwischen Ost und West.

KP: Und erreichen Sie die Menschen? Gibt es Rückmeldungen

Wagner: Viele sagen uns, dass wir so weitermachen sollen. Einige melden sich im Nachhinein und sagen: „Das habe ich damals gar nicht so gesehen.“

KP: Herr Wagner, ich danke Ihnen für das spannende Gespräch.

Infos zur neuen Dauer- und einer weiteren Ausstellung im Grenzhus:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/20/multimediale-grenzgeschichten-fuer-die-naechste-generation/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/20/heimat-ich-bin-ein-mensch-2/

Kategorien
Nördlich der A24

Die Feste der Welt entdecken

Die Sorge um das Dasein begleitet den Menschen durchs Leben. Es braucht ein Auskommen, das zumeist mit harter Arbeit verbunden ist. Umso wichtiger sind die Momente der Erholung, des Durchatmens, des Abstandgewinnens. Feste – auch das ist den Menschen rund um den Globus gemein – bieten diese Momente. Der Kreis Herzogtum Lauenburg hat sich dieses Themas angenommen und präsentiert vom 29. August bis 28. September die Wanderausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“: Interkulturelle Feste – Ein Anker für die Seele“. Es ist der Aufgalopp für eine Vielzahl von Veranstaltungen, die im Rahmen der Interkulturellen Woche vom 23. bis 30. September auf dem Programm stehen.

Die Wanderausstellung ist das Ergebnis einer Projektarbeit des Diakonischen Werkes Hamburg-West/Südholstein und war zuletzt in Norderstedt zu sehen. Um uns unbekannte traditionelle Feierlichkeiten aus anderen Erdteilen näherzubringen, hat die Journalistin Hanna Gieffers Gespräche geführt und Informationen gesammelt. Das Ergebnis ist eine spannende Schau mit Fotos, Info-Texten und Kochrezepten, bei der zudem neun Migranten zu Wort kommen. Die Kurdin Fatima Sheiki beispielsweise spricht über Newroz, das Neujahrsfest, das in ihrer Heimatstadt Hasaka gefeiert wird. Die 14-Jährige floh zusammen mit Ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Seit 2015 lebt sie in Norderstedt.

Newroz feiern die Kurden am Datum der Tag- und Nachtgleiche. Das Fest wird nicht nur in Syrien begangen, auch im Iran, in der Türkei, Albanien und Usbekistan gibt es Menschen, die das Neujahresfest zelebrieren. Die Kurden gedenken an diesem Tag zusätzlich dem Widerstand gegen die Unterdrückung ihrer Nationalität. Vor den Feierlichkeiten wird das Haus geputzt. Dieser Akt steht für das Erwachen der Natur nach dem Winter.

Die Ausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“: Interkulturelle Feste – Ein Anker für die Seele“ ist in der Kreisverwaltung, Barlachstraße 2, in Ratzeburg zu sehen. Das Haus hat montags bis donnerstags in der Zeit von 8 bis 12 und 14 bis 16 Uhr geöffnet. Freitags ist es zwischen 8 und 12 zugänglich.

 

Kategorien
Nördlich der A24

Interkulturelle Woche? Interkulturelle Wochen!

Angefangen hat alles mit einem Gottesdienst. „Das war 2008“, erinnert sich Heiko Steiner, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Herzogtum Lauenburg, an die erste interkulturelle „Woche“ seiner Einrichtung. Heute – elf Jahre später – hat dieser Gottesdienst Tradition gewonnen, ist aber nur eine Festivität unter vielen.

„Mittlerweile sind es so viele Veranstaltungen, dass es für uns schwierig geworden ist, sie alle in einer Woche zu bündeln“, sagt Steiners Kollegin Diana Bauder, die für den Fachbereich Migration und Integration zuständig ist. Deshalb habe das Diakonische Werk Herzogtum Lauenburg aus der „Interkulturellen Woche“ „Interkulturelle Wochen“ gemacht.

Offiziell steht die Interkulturelle Woche, die auf eine Initiative der Katholischen, der Evangelisch-Lutherischen und der Griechisch-Orthodoxen Kirche zurückgeht, bundesweit vom 23. bis 30. September auf dem Programm. Im Lauenburgischen gehen die Uhren nun – siehe oben – anders. Den Auftakt der Festivitäten bildet am Mittwoch, 29. August, die Eröffnung der Ausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“ in der Kreisverwaltung, Barlachstraße 2, in Ratzeburg. Organisiert hat die Schau der Kreis Herzogtum Lauenburg.

Das Diakonische Werk startet seinen Veranstaltungsreigen drei Tage später. Am Sonnabend, 1. September, steigt auf dem Ratzeburger Marktplatz das „Markt-Soccerturnier*“. „Da treten gemischte Teams gegeneinander an“, sagt Geschäftsführer Steiner. Für Zugewanderte und Einheimische sei dies eine tolle Gelegenheit, um sich in lockerer Atmosphäre zu begegnen – ob nun als Zuschauer oder Aktive.

„Wir als Diakonie können die Brücke sein“, ergänzt Diana Bauder. Die diplomierte Sozialpädagogin unterstreicht, dass es dabei nicht nur um das Verhältnis zwischen Einheimischen und Migranten gehe, sondern auch um das Verhältnis der Migranten untereinander.

Um bei dieser Brückenarbeit voranzukommen, hat das Diakonische Werk in der ersten Septemberwoche weitere Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Am Mittwoch, 5. September, steht ab 10 Uhr in der Internationalen Begegnungsstätte (Mölln, Bahide-Arslan-Gang) ein Internationales Frauenfrühstück** auf dem Programm, bei der die Teilnahme kostenlos ist. „Wir freuen uns aber über Beiträge zum Buffet“, so Diana Bauder.

Gespannt sind Heiko Steiner und sie auf das Grillfest in Gudow***, das am Freitag, 7. September, am Kaiserberg 23 geplant ist. „Wir würden uns freuen, wenn da richtig viele Leute kommen. Dadurch dass wir das Fest direkt in der dortigen Gemeinschaftsunterkunft des Kreises machen, bewegen sich die Besucher mitten im Leben der Flüchtlinge“, betont Heiko Steiner. Das Grillen beginnt um 14 Uhr.

Einen Tag nach dem Grillen – am Sonnabend, 8. September – ist dann Musik Trumpf. Ab 19 Uhr gibt es im Petri Forum, Am Markt 7, in Ratzeburg orientalische Live-Musik und orientalischen Tanz****. Der Eintritt ist frei.

Während das Diakonische Werk Herzogtum Lauenburg im Nordkreis Interkulturelle Wochen organisiert, konzentriert sich im Südkreis die AWO auf die offizielle Interkulturelle Woche. Geplant sei, sagt AWO-Mitarbeiterin Ricarda Heil, vom 24. bis 30. September die Ausstellung „Kultur im Flur“ im AWO Integrations Center am Markt 26 in Geesthacht. Sie zeige Fotos, Ölmalerei und Bleistiftzeichnungen von Künstlern mit Fluchterfahrung. Die Vernissage ist am Montag, 24. September, um 13.30 Uhr. Darüber hinaus findet im AWO Integrations Center am Donnerstag, 27. September, ein „Internationaler Literaturabend“ statt, an dem Texte bekannter und unbekannter Autoren gelesen werden. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr. Weitere Infos gibt es unter Tel. 0160-7122851 oder per Mail unter ricarda.heil@awo-sh.de.

Das Diakonische Werk Herzogtum Lauenburg hat zu den Interkulturellen Wochen einen Flyer herausgebracht, den Interessierte sich unter http://diakonie-rz.de/cms/front_content.php?idcat=90 herunterladen können. Darin finden sich auch alle weiteren geplanten Veranstaltungen. Der Flyer liegt zudem in diversen Einrichtungen aus.

*Kooperationspartner und Veranstalter sind das Team Gleis 21/Stellwerk/JMD (Jugendmigrationsdienst), Kreissportjugend, Landessportverband S.H., Stadtjugendpflege, Straßensozialarbeit

** Kooperationspartner und Veranstalter sind die Migrationsberatung Mölln, die Ev.-Luth. Kirchengemeinde Mölln, das Familienzentrum, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Mölln und das Amt Breitenfelde

*** Kooperationspartner und Veranstalter sind die Gemeinschaftsunterkunft Gudow und der Runde Tisch für Flüchtlinge Gudow

**** Kooperationspartner und Veranstalter sind die Beratungsstelle ehrenamtliche Flüchtlingshilfe und die Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Ratzeburg

Kategorien
Nördlich der A24

Wenn Leben gelingt

Zum Auftakt der Kultur- und Umweltwochen des Forums für Kultur und Umwelt gastiert am Freitag, 31. August, der bekannte Journalist Franz Alt im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg (Ratzeburg). Sein Festvortrag trägt den Titel „Wenn Leben gelingt – Anleitung zum Glücklichsein“. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr.

Der bekannte Journalist und Philosoph Dr. Franz Alt wird über seine neueste Veröffentlichung berichten. Darin geht es unter anderem um ungelöste Probleme in Politik, Umwelt, Religion und Gesellschaft. Franz Alt erklärt, warum alles mit allem zusammenhängt. Auch wirft er die Frage auf, wo heute eigentlich der große Lebensentwurf geblieben ist. Viele Menschen fühlen sich abgehängt, andere wiederum wie in einem Hamsterrad gefangen. Er rät dazu, dass die von Menschen verursachten Probleme auch von Menschen gelöst werden sollten. Franz Alt vertritt die These: „Du kannst die Probleme selbst lösen. Nimm die Herausforderung an!“

Das Buch ist ein kleines Hoffnungsversprechen an alle, die sich vom Alltag und der heutigen Zeit überfordert fühlen. „Der Sinn unseres Hierseins ist doch, dass wir glücklich werden“, behauptet Franz Alt, aber auch: „Zu einem gelingenden Leben gehört, dass wir zum Glück nicht immer glücklich sein müssen.“

Foto: Bigi Alt

Kategorien
Nördlich der A24

„Mit Till würde ich kein Bier trinken gehen“

Martin Maier-Bode ist Kabarettist und Autor. Der gebürtige Rheinländer hat die Till Eulenspiegel-Festspiele 2018 inszeniert. Die Freude am Sprachwitz entdeckte er als Jugendlicher. Sein Vater drückte ihm damals einen Band mit Gedichten von Kurt Schwitters in die Hand. Dessen dadaistische Texte inspirierte seine Freunde und ihn zu einem öffentlichen Auftritt. Maier-Bode war davon so ermutigt, dass er anfing, eigene Texte zu verfassen und sich als Kabarettist auf die Bühne zu stellen. Mit Erfolg: Unter anderem ist er heute Chef-Autor des MDR-Kabarettformats „Kanzleramt Pforte D“. Zudem ist er Mitglied des Ensembles des Düsseldorfer Kom(m)ödchens und tourt mit seinem Soloprogramm „Kabarett alternativlos“ durch die Republik.

Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit ihm über Karneval, Till Eulenspiegel und über die Frage, ob Humor grenzen hat.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Maier-Bode, Sie sind gebürtiger Düsseldorfer – da denkt man sofort an Karneval. Sind Sie Karnevalist?

Martin Maier-Bode: Nicht so richtig. Es gibt da eine Alternative – eine sogenannte Sitzung. Sie heißt „Stunk“. An der stricke ich selbst mit. Da bin ich Autor und Regisseur.

KP: Was gefällt Ihnen nicht am Karneval?

Maier-Bode: Die verordnete Fröhlichkeit und dass er organisiert ist. Wenn sich Vereinsstrukturen entwickeln, ist die Gefahr groß, dass das eine völlig verkrampfte Veranstaltung wird. So etwas passt nicht zum wilden Humor.

KP: Karneval ist ja traditionell das Ereignis, wo der Obrigkeit mal so richtig die Leviten gelesen werden. Gefällt Ihnen das?

Maier-Bode: Ich finde das gehört zur demokratischen Kultur. In der Demokratie muss man Wort und Bild frei nutzen können. Wie beim Karneval oder auch bei den Satiresendungen im Fernsehen. Das alles sind zum Teil gute Ergänzungen zum Meinungsbild. Eine Sendung wie ‚Die Anstalt‘ beispielsweise ermöglicht, dass die Leute hinter die Strukturen schauen können.

KP: Wenn Sie das so sehen, müsste Ihnen Till Eulenspiegel ziemlich sympathisch sein.

Maier-Bode: Sympathisch? Was Eulenspiegel macht, ist eher zweischneidig. Sein Humor ohne Rücksicht auf den Stand der Person hat für mich schon etwas mit unserer Aufklärung zu tun. Da schimmert die Freiheit von Humor durch. Aber er setzt mir zu sehr auf Schadenfreude. Für mich ist das keiner, mit dem ich gerne ein Bier trinken würde.

KP: Ist Humor wirklich frei?

Maier-Bode: Da muss man immer über Funktionen nachdenken. So einer wie Eulenspiegel kann als Typ unheimlich viel bewegen. Am Ende besteht aber die Gefahr, dass da ein großer Zyniker drinsteckt. Das interessiert mich nicht als Mensch. Ich bin überhaupt kein Zyniker. Ich gehe da eher mit Kurt Tucholsky, der war nicht nur Satiriker, sondern auch Moralist. Auch ‚Die Anstalt‘ finde ich toll. Da merkt man, die wollen was, die schmeißen sich voll rein. Ich mag auch Jan Böhmermann – da steckt ein großer demokratischer Geist hinter.

KP: Ist Eulenspiegel ein Zyniker?

Maier-Bode: Er ist zumindest verantwortungslos und kein Menschenfreund. In meinem Stück finden wir ihn zunächst als zeitgenössischen Grobian auf und machen ihn dann zu einem zeitlosen Modell, indem er lernt, Menschen zu lieben.

KP: Als zeitgenössischer Grobian ist Eulenspiegel in die Geschichte eingegangen. Einerseits – andererseits ist er womöglich eine äußert aktuelle Figur. Ich denke da an den hässlichen, brutalen und menschenfeindlichen Humor, der sich in den sozialen Medien Bahn bricht und der mit Donald Trump seine politische Verkörperung gefunden hat.

Maier-Bode: Ich würde vielleicht sagen, Trump ist ein zu Macht gekommener Eulenspiegel. Eulenspiegel funktioniert aber nur, wenn er keine Macht hat – weil er jemand ist, der Fragen stellt. Was den menschenfeindlichen Humor anbelangt, so ist festzuhalten, dass man Verantwortung für das eigene Wort – die eigene Sprache hat. Das fehlt Trump. Das fehlt auch Seehofer, wenn er verniedlichend vom ‚Asyltourismus‘ spricht. Der Eulenspiegel-Humor wiederum kann für Engstirnigkeit stehen, aber auch dafür, dass alle Menschen gleich sind. Wir wollen, dass er für letzteres steht.

KP: Womit wir bei Ihrer Arbeit wären. Wie ist es zu Ihrem Engagement für die Eulenspiegel-Festspiele gekommen?

Maier-Bode: Der Regisseur der letzten Festspiele – Dominik Pätzholdt – ist ein guter Freund von mir. Der hatte gegenüber Kurdirektor Jochen Buchholz meinen Namen erwähnt. Als Herr Buchholz mich dann fragte, ob ich mir ein Engagement vorstellen könnte, war ich sofort interessiert. Eulenspiegel ist für einen Satiriker einfach eine spannende Figur.

KP: Wie ging es dann weiter?

Maier-Bode: Als Nächstes habe ich dann die Leute vor Ort kennen gelernt. Ich stieß da auf einen netten und engagierten Haufen, der für Leben im Ort sorgen will.

KP: Sie haben dann nicht nur den Posten des Regisseurs übernommen. Sie haben auch noch das Stück „Im Rausch der Zeit“ selbst geschrieben…

Maier-Bode: Ja, wobei das Schreiben weniger ein Problem war als die Inszenierung. Weil ich auch noch so viel spiele, haben wir das Konstrukt mit Sascha Mey als Co-Regisseur entwickelt.

KP: Und funktioniert es?

Maier-Bode: Ich hatte Sascha Mey in Krefeld mal als Regie-Assistent erlebt, aber dass die Zusammenarbeit so gut sein würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Uns beide kann man vermutlich nachts wecken und wir geben auf Fragen zur Inszenierung dieselbe Antwort. Das ist wirklich ein Geschenk!

KP: Sascha Mey und Sie sind beide Profis. Bei den Eulenspiegel-Festspielen haben Sie es mit einem reinen Laienensemble zu tun. Wie bewerten Sie dessen Leistung?

Maier-Bode: Unsere Darsteller haben allesamt ein sehr hohes Niveau erreicht. Das Stück basiert auf einem schnellen Dialogtext, was eine große Herausforderung bedeutet, weil die Darsteller das Timing einhalten müssen. Und das tun sie.

KP: Teilweise tummeln sich mehr als 30 Leute auf der Bühne. Ganz schön schwer als Regisseur, aber auch als Zuschauer den Überblick zu behalten. War die große Besetzung von vornherein geplant?

Maier-Bode: Nein. Wir haben Anfang September ein Casting gemacht. Das war insofern auch sinnvoll, weil ich mich noch mitten im Schreibprozess befand. Das Casting lief dann so gut, dass wir dann fast alle Menschen mitgenommen haben.

KP: Herr Maier-Bode, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Weitere Links:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/13/nicht-tot-zu-kriegen/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/im-rausch-der-zeit/

Kategorien
Nördlich der A24

Nicht tot zu kriegen

So viel lässt sich nach mehr als 650 Jahren sagen: Dieser Mann ist einfach nicht totzukriegen. Auch wenn es Leute geben soll, die behaupten, er sei es. Nein, sein Tod ist nichts weiter als eine weitere Eulenspiegelei. Man muss nur die Zeichen, die er alle paar Meter hinterlässt, richtig deuten, und den Aufruhr, für den er in regelmäßigen Abständen sorgt.

Till, das ist die ewige Narretei. All jene, die in den kommenden Wochen auf den Möllner Marktplatz strömen, um die Eulenspiegel-Festspiele zu erleben, sollten sich das hinter die Ohren schreiben. Till, das ist der immerwährende Funke, an dem der Schabernack sich entzündet wie die Fackel an Olympias Flamme. Wer in seinem Namen spricht und seine Kappe trägt, dessen bemächtigt er sich und treibt ihn an zu Schabernack und bösen Streichen.

Das heißt im Klartext: Der Mann, der ab dem 9. August auf dem Möllner Marktplatz erscheint, schauspielert nicht. Er will nicht nur spielen, ihm ist es ernst und jeder, der mit ihm auf der Bühne steht oder seinem Treiben von der Tribüne aus zusieht, muss damit rechnen, Opfer seiner Eulenspiegeleien zu werden.

Vom Phänomen der ewigen Wiederkehr weiß schon der Lauenburgische Haushalts-Kalender zu berichten. „Wo so viele erlauchte Gestalten aus dem Dämmer der vergangenen Tage emporsteigen, wo so viel frohes Volk rumort, da duldet´s auch den einen, den Schalk nicht im Grabe an St. Nikolai. Vergnüglich lenkt er die Mähre von seinem Karren und wer seine Narrenschellen nicht erkennt, dem weist er sein Wappenzeichen, Eule und Spiegel, die ihm auch hier treu blieben“, heißt es in der Ausgabe des Jahres 1909. Anlass dieser Schilderung war ein Umzug im Jahr zuvor, mit dem die Lauenburger in der Stadt Mölln ihr Heimatfest begingen.

Die ersten Eulenspiegel-Festspiele gab es übrigens 1928. Die Handlung des Stücks, das damals aufgeführt wurde, war relativ simpel: Auf dem Marktplatz wird Till der Prozess gemacht und zum Tod durch Ertränken verurteilt. Das Urteil soll sogleich im Stadtsee vollstreckt werden. Dazu kommt es aber nicht.

Warum? Antwort siehe oben. Viel spannender ist an dieser Stelle ein Blick auf den Verfasser des „Dramas“: Er will Till umbringen! Um das zu deuten, muss man nicht Psychologie studiert haben. Der Mann hat schlicht Angst, Opfer von Tills Streichen zu werden. Leider sind sein Name, wie Stadtarchivar Christian Lopau versichert, und auch das Stück nicht mehr in den Archiven aufzufinden. Aber man kann sich vorstellen, dass Till ihn nicht ungeschoren davonkommen lassen hat. Womöglich ist die Tatsache, dass er dem Vergessen anheimgefallen ist, seine Strafe. Nach dem Motto: Wer mir, dem Eulenspiegel an den Kragen will, dessen Existenz „tillge“ ich von der Erde, so als hätte es ihn nie gegeben.

Martin Maier-Bode, Autor und Regisseur des Jahres 2018, erweist sich da als wesentlich klüger – wenn er auch wie so viele von der falschen Prämisse ausgeht, dass Eulenspiegel gestorben ist: Er kämpft darum, dass die Möllner „Nachwelt“ ihren Till für sich behält und dieser nicht etwa den Verlockungen der Ratzeburger erliegt.

Mehr zu den Till Eulenspiegel-Festspielen:

„Mit Till würde ich kein Bier trinken gehen“

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/13/nicht-tot-zu-kriegen/