Wer kurz hinter Ritzerau links abbiegt und das Forstgehöft 2 ansteuert, kommt nicht so ohne Weiteres auf die Idee, dass sich hinter dieser Adresse ein Veranstaltungsort verbirgt. Ein holpriger Feldweg führt von der Straße zu den Gebäuden. Dahinter beginnt der Wald. Eingeweihte aber wissen: Dies ist die Heimstätte des Heuboden-Theaters und des Wintersalons, mit denen Gwendolin Fähser die Kulturszene des Kreises seit einigen Jahren bereichert. Auch für 2019 hat sich die 75-Jährige einiges vorgenommen. So will sie im Rahmen des KulturSommers am Kanal einen Schwerpunkt für das Kinderprogramm setzen, zusammen mit Sohn und Schwiegertochter, die seit diesem Jahr zum Team gehören. In das Veranstaltungsjahr startet sie nun schon zum vierten Mal mit der „Kleinen Kulturbrise“, für die sie den Wintersalon öffnet. Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit Fähser über das Format und über die Rahmenbedingungen für Kultur auf dem Land.
Kulturportal-Herzogtum.de: Frau Fähser, Ihre „Kleine Kulturbrise“ findet auf dem Land und obendrein auch noch in der Winterzeit statt. Haben Sie gar keine Sorge, dass die Leute zu Hause bleiben?
Gwendolin Fähser: Ich sehe die Kulturbrise eher als persönliche Bereicherung. Das hat mir die Angst vor einem halbleeren Raum genommen, was zum Glück noch nicht vorgekommen ist. Aber selbst dann wäre es mir das wert, wenn ich einen tollen Abend hatte.
KP: Aber die Veranstaltungen kosten doch auch Geld.
Fähser: Als Veranstalterin achte ich darauf, dass ich die Kosten einhole. Überschüsse gebe ich gerne weiter. Für die Künstler ist es zumeist der Hauptberuf – da muss das Geld stimmen!
KP: Sie deuteten gerade an, dass die Kulturbrise gut besucht wird. Wie schaffen Sie es, dass die Leute die Veranstaltung registrieren?
Fähser: Am Anfang war es mit der Werbung sehr kompliziert. In der Stadt können Sie ja plakatieren. Auf dem Land ist so etwas aufwändiger und ich weiß bis heute nicht, wie viele Leute man über diese Schiene erreicht. Ich lege in den Läden Flyer aus, und vieles läuft über Email-Adressen, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe. Besonders nett und kollegial ist es, wenn andere Veranstalter wie die Avantgarde Schiphorst anfragen, ob sie meine Veranstaltungsankündigungen weiterleiten dürfen. Und der Ritzerauer Bürgermeister beispielsweise schickt meine Einladung an die Bürger weiter.
KP: Was ist das für ein Publikum, das zur ‚Kulturbrise‘ kommt?
Fähser: Es ist schon so etwas wie ein Stammpublikum, zumeist Leute aus der Region. Es kommen aber auch Gäste aus Hamburg und Lüneburg hierher.
KP: Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Kulturprogramme auf die Beine zu stellen? Als Lehrerin haben Sie sich sehr stark im Fachbereich Theaterpädagogik engagiert…
Fähser: Ich habe es an meiner Schule geschafft, Darstellendes Spiel zum Wahlpflichtfach zu machen. Ich habe Stücke inszeniert, Workshops geleitet und ich war zehn Jahre Regisseurin der KabaRettiche.
KP: Programme zu gestalten ist dann noch mal etwas ganz anderes, als Inhalte selbst auf die Bühne zu bringen. Ich sehe da schon einen Rollenwechsel…
Fähser: Jein. Wenn jemand kommt und mir eine tolle Inszenierung präsentiert, kann ich noch was lernen.
KP: Apropos Inszenierung – wo entdecken Sie eigentlich die Künstler, die bei Ihnen auftreten?
Fähser: Weil wir mit der kulturellen Landpartie im Wendland verschwägert sind, sehe ich öfter Sachen aus Berlin. Auch das Hermannshoftheater aus Wümme habe ich dort kennen gelernt. Ich frage die Künstler dann, ob sie sich vorstellen können, bei uns aufzutreten. Aber natürlich kommen auch Leute aus der Region zu uns.
KP: So wie der Cellist Peter Köhler, mit dem Sie zusammen auf die Bühne gehen. Haben Sie selbst nie mit dem Gedanken gespielt, sich ausschließlich der Kunst zu verschreiben?
Fähser: Ich komme aus einem Künstlerhaushalt. Mein Vater war Regisseur und Schauspieler. Ich erinnere mich noch, dass ich in der Abiturzeit hin- und herschwankte. Als ich eines Tages in einem Filmabspann den Schriftzug „und viele andere“ las, sagte ich mir, da willst du nicht stehen. Also nahm ich den geraden Weg zur Schule und nicht den abenteuerlichen Weg zur Kunst.
KP: So ein Stück weit, wenn ich an Ihre Regiearbeit denke, sind Sie ihrem Vater dann aber doch gefolgt. Außerdem geben Sie Lesungen – bei der Kulturbrise tragen Sie Texte von Goethe, Grass und George vor.
Fähser: Ich lese einfach wahnsinnig gerne. Irgendjemand hat mal zu mir gesagt: Sie lesen die Gedichte nicht, Sie sind das Gedicht! Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut.
KP: Frau Fähser, ich danken Ihnen für das Gespräch.
Infos zum Programm der „Kleinen Kulturbrise“:
https://kulturportal-herzogtum.de/2019/02/18/spiel-mit-mythen-feuer-und-farbe/
Mal Rückzugsort, mal Konzertsaal