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Nördlich der A24

Nicht tot zu kriegen

So viel lässt sich nach mehr als 650 Jahren sagen: Dieser Mann ist einfach nicht totzukriegen. Auch wenn es Leute geben soll, die behaupten, er sei es. Nein, sein Tod ist nichts weiter als eine weitere Eulenspiegelei. Man muss nur die Zeichen, die er alle paar Meter hinterlässt, richtig deuten, und den Aufruhr, für den er in regelmäßigen Abständen sorgt.

Till, das ist die ewige Narretei. All jene, die in den kommenden Wochen auf den Möllner Marktplatz strömen, um die Eulenspiegel-Festspiele zu erleben, sollten sich das hinter die Ohren schreiben. Till, das ist der immerwährende Funke, an dem der Schabernack sich entzündet wie die Fackel an Olympias Flamme. Wer in seinem Namen spricht und seine Kappe trägt, dessen bemächtigt er sich und treibt ihn an zu Schabernack und bösen Streichen.

Das heißt im Klartext: Der Mann, der ab dem 9. August auf dem Möllner Marktplatz erscheint, schauspielert nicht. Er will nicht nur spielen, ihm ist es ernst und jeder, der mit ihm auf der Bühne steht oder seinem Treiben von der Tribüne aus zusieht, muss damit rechnen, Opfer seiner Eulenspiegeleien zu werden.

Vom Phänomen der ewigen Wiederkehr weiß schon der Lauenburgische Haushalts-Kalender zu berichten. „Wo so viele erlauchte Gestalten aus dem Dämmer der vergangenen Tage emporsteigen, wo so viel frohes Volk rumort, da duldet´s auch den einen, den Schalk nicht im Grabe an St. Nikolai. Vergnüglich lenkt er die Mähre von seinem Karren und wer seine Narrenschellen nicht erkennt, dem weist er sein Wappenzeichen, Eule und Spiegel, die ihm auch hier treu blieben“, heißt es in der Ausgabe des Jahres 1909. Anlass dieser Schilderung war ein Umzug im Jahr zuvor, mit dem die Lauenburger in der Stadt Mölln ihr Heimatfest begingen.

Die ersten Eulenspiegel-Festspiele gab es übrigens 1928. Die Handlung des Stücks, das damals aufgeführt wurde, war relativ simpel: Auf dem Marktplatz wird Till der Prozess gemacht und zum Tod durch Ertränken verurteilt. Das Urteil soll sogleich im Stadtsee vollstreckt werden. Dazu kommt es aber nicht.

Warum? Antwort siehe oben. Viel spannender ist an dieser Stelle ein Blick auf den Verfasser des „Dramas“: Er will Till umbringen! Um das zu deuten, muss man nicht Psychologie studiert haben. Der Mann hat schlicht Angst, Opfer von Tills Streichen zu werden. Leider sind sein Name, wie Stadtarchivar Christian Lopau versichert, und auch das Stück nicht mehr in den Archiven aufzufinden. Aber man kann sich vorstellen, dass Till ihn nicht ungeschoren davonkommen lassen hat. Womöglich ist die Tatsache, dass er dem Vergessen anheimgefallen ist, seine Strafe. Nach dem Motto: Wer mir, dem Eulenspiegel an den Kragen will, dessen Existenz „tillge“ ich von der Erde, so als hätte es ihn nie gegeben.

Martin Maier-Bode, Autor und Regisseur des Jahres 2018, erweist sich da als wesentlich klüger – wenn er auch wie so viele von der falschen Prämisse ausgeht, dass Eulenspiegel gestorben ist: Er kämpft darum, dass die Möllner „Nachwelt“ ihren Till für sich behält und dieser nicht etwa den Verlockungen der Ratzeburger erliegt.

Mehr zu den Till Eulenspiegel-Festspielen:

„Mit Till würde ich kein Bier trinken gehen“

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/13/nicht-tot-zu-kriegen/

 

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Nördlich der A24

Im Rausch der Zeit

Carsten Döbbensen, der Stadtarchivar der Stadt Mölln muss handeln. Er hat ein Ratsprotokoll aus dem Jahr 1350 entdeckt, in dem beschrieben wird, dass Eulenspiegel und der damalige Stadtrat sich derart zerstritten haben, dass Eulenspiegel öffentlich angekündigt hat, Mölln zu verlassen.

Das würde bedeuten, Eulenspiegel wäre in Wahrheit gar nicht in Mölln beerdigt worden. Döbbensen weiß nur einen Ausweg: Es gibt da diesen seltsamen Professor Knörping, der angeblich an einer Zeitmaschine tüfftelt. Und tatsächlich: Der verrückte Professor will Döbbensen und seiner Assistentin eigentlich die Höllenmaschine nur zeigen, da drücken sie den falschen Knopf. Die Drei reisen in das Mölln des 14. Jahrhunderts.

Wird es den drei Zeitreisenden gelingen, Eulenspiegels mitunter böse Streiche gegenüber den Möllner Ratsherren in harmlose Scherze umzudeuten? Kein leichtes Unterfangen, wo doch ausgerechnet die Frauenwelt des mittelalterlichen Mölln ein Hühnchen mit dem unverschämten Charmeur zu rupfen hat. Es beginnt ein Verwirrspiel mit wechselnden Identitäten, überraschenden Wendungen und verwickelten Missverständnissen. Das Alles in einem mittelalterlichen Mölln, das der heutigen Eulenspiegelstadt in vielem verdächtig ähnlich ist…

Im Rahmen der Eulenspiegel-Festspiele sind zehn Aufführungen von „Im Rausch der Zeit“ geplant. Zu sehen ist es vom 9. bis 11. August, vom 16. bis 18. August sowie vom 23. bis 26. August. Die Aufführungen beginnen jeweils um 20.30 Uhr.

Karten gibt es unter https://www.moelln-tourismus.de/e-eulenspiegel-festspiele-2018.

Weitere Infos und Berichte zu den Till Eulenspiegel-Festspielen:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/13/mit-till-wuerde-ich-kein-bier-trinken-gehen/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/13/nicht-tot-zu-kriegen/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/eulenspiegel-festspiele-es-ist-angerichtet/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/weiter-so-till/

Text: moelln-tourismus.de/Foto: kulturportal-herzogtum.de

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Vorfahrt für die Jugend

Wie zeichnet man Mangas?

Wie zeichnet und gestaltet man Mangas? Wie baut man Figuren und Geschichten auf? Worauf kommt es bei diesen Comics im japanischen Stil an? All das können Mangafans am Freitag, 28. September, und Sonnabend, 29. September, im Rahmen eines zweitägigen Workshops lernen.

Die Leitung des Workshops hat Lennart Schütt. Der in Geesthacht aufgewachsene erfahrene Mangaka vermittelt das „Handwerkszeug“ in der Theorie und vor allem in der Praxis. Mit viel Zeit zum Zeichnen bringt er Einsteiger und Fortgeschrittene ihren eigenen Figuren und Stories einen großen Schritt näher. Der Workshop für Jugendliche und Junggebliebene ist eine Kooperation mit dem Lebenshilfewerk Mölln – Hagenow gGmbH.

Veranstaltungsort ist die Kulturwerkstatt Robert-Koch-Park. In der Hindenburgstraße 15. Am 28. September beginnt der Workshop um 17 Uhr, das Ende ist für 20 Uhr vorgesehen. Am 29. September geht es dann von 14 bis 20 Uhr weiter.

Bild: Lennart Schütt

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Nördlich der A24

Eulenspiegel-Festspiele – es ist angerichtet!

Auf dem Möllner Marktplatz steht seit ein paar Tagen eine große Tribüne mit 485 Sitzplatzgelegenheiten. Von weitem wirkt es wie ein riesiges, schwarzes Tier, das sich angesichts der Hitze in den Schatten des Till Eulenspiegel-Museums verkrochen hat. Dieses Tier ist aus den Händen fleißiger Männer erwachsen. Zig Einzelteile haben sie dafür herangeschleppt – Betonplatten, Holzbretter, Metallscheiben, Metallstreben, Sitzschalen –, die dann von ihnen fachkundig miteinander verschraubt wurden.

„10.000 Kilogramm haben die hier bewegt. Beeindruckend bei den Temperaturen“, zollt Kurdirektor Jochen Buchholz den Handwerkern Respekt. Wenn am Donnerstag, 9. August, die Premiere von Martin Maier-Bodes Regiearbeit zu sehen ist, werden die Männer von der Bildfläche verschwunden sein. Deshalb ist hier – bevor die Schauspieler auf die Bühne stürmen – der Ort und die Stelle, um ein Lob auf die Arbeiter auszusprechen. Das gilt natürlich auch für all jene, die bei der Installierung der Licht- und Tonanlage beteiligt waren. 120 Theaterscheinwerfer, 48 Mikrofone haben sie aufgebaut. Und dann sind da noch die Kostümschneider, die 75 Garderoben genäht haben.

Ohne all diese Helfer wäre die Veranstaltung auf dem Möllner Markplatz pures Wunschdenken. Davon konnten sich auch die Sponsoren der Freiluftkomödie – die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg (Hauptsponsor), Stiftung Herzogtum Lauenburg, Damm Container Recycling, die Herzogtum Lauenburg Marketing Service GmbH, der Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg e.V. sowie die Stadt Mölln – bei einem Rundgang überzeugen.

Für ein außergewöhnliches Theaterereignis ist alles angerichtet. Stand jetzt fehlt nur noch das passende Wetter und ein gut harmonierendes Ensemble.

Im Rahmen der Eulenspiegel-Festspiele sind zehn Aufführungen von „Im Rausch der Zeit“ geplant. Zu sehen ist es vom 9. bis 11. August, vom 16. bis 18. August sowie vom 23. bis 26. August. Die Aufführungen beginnen jeweils um 20.30 Uhr.

Karten gibt es unter https://www.moelln-tourismus.de/e-eulenspiegel-festspiele-2018.

Weitere Infos und Berichte zu den Till Eulenspiegel-Festspielen:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/im-rausch-der-zeit/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/weiter-so-till/

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Nördlich der A24

Weiter so, Till!

„Ratzeburg ist ein Problem“, schallt es über den Marktplatz. „Es liegt zu nahe an Mölln. Eigentlich müsste es zu Mecklenburg-Vorpommern gehören.“ Schmähungen von Möllns Nachbarstadt sind eine Zutat des von Regisseur Martin Maier-Bode verfassten Stücks für die Till Eulenspiegel-Festspiele 2018. Lacher sind da – zumindest seitens der Möllner – schon mal garantiert.

Maier-Bode sitzt auf der Tribüne und lächelt. Zumindest äußerlich ist bei ihm wenige Tage vor der Premiere von Nervosität nichts zu sehen. Richtig laut geworden ist er nur vor dem Probelauf. Das Mikro in der rechten Hand, mit dem linken Arm rudernd, hat er seinem Ensemble ins Stammbuch geschrieben: Wenn was schiefgeht, keine Diskussionen! Einfach weitermachen.

Die Darsteller geben ihm auch wenig Anlass, sich aufzuregen. Sie sind mit Eifer bei der Sache und haben offensichtlich Spaß. Statt „Mach´s noch einmal, Till!“ lautet das Motto zumeist eher „Weiter so“. Hier und da hapert es mal mit dem Text oder es bewegt sich jemand falsch auf der Bühne. In der Regel entpuppt sich das als eine Sache von Sekundenbruchteilen. Richtig ins Stocken gerät das Treiben auf dem mit einem Textil überzogenen Pflaster selten, was durchaus ein kleines Wunder ist, wenn man sieht, dass mitunter mehr als 30 Leute gleichzeitig auf die Bühne stürmen. Es herrscht ein scheinbar wildes Durcheinander, in dem sich Knäule bilden und auflösen, in dem die Schauspieler mal hierhin und mal dorthin flitzen, in dem krakelt und getuschelt wird.

Die Premiere am kommenden Donnerstag, 9. August – so viel wird an diesem Abend klar – ist nicht in Gefahr. Das Ensemble hat das Drehbuch augenscheinlich genau studiert. Was fehlt, ist nur noch der Feinschliff.

Im Rahmen der Eulenspiegel-Festspiele sind zehn Aufführungen von „Im Rausch der Zeit“ geplant. Zu sehen ist es vom 9. bis 11. August, vom 16. bis 18. August sowie vom 23. bis 26. August. Die Aufführungen beginnen jeweils um 20.30 Uhr.

Karten gibt es unter https://www.moelln-tourismus.de/e-eulenspiegel-festspiele-2018.

Weitere Infos und Berichte zu den Till Eulenspiegel-Festspielen:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/eulenspiegel-festspiele-es-ist-angerichtet/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/im-rausch-der-zeit/

 

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Ausstellungen

„Sehe mir immer alle Ausstellungen an“

So etwas wie das Sommerloch kennt Susanne Raben-Johns nicht. Im Büro der Standesbeamtin für das Amt Lauenburgische Seen (Ratzeburg) geht es zu wie im Taubenschlag. Kollegen und Kunden geben sich die Klinke in die Hand. Dementsprechend startet das vereinbarte Interview für Kulturportal-Herzogtum.de mit Verspätung. Raben-Johns hat die 15. Auflage von „Dörfer zeigen Kunst“ organisiert, die am 28. Juli beginnt. Im Interview erzählt sie von den Anfängen der Veranstaltung und ihrer Arbeit für die große Kunstschau, die in diesem Jahr in 20 Gemeinden zu sehen ist.

Kulturportal-Herzogtum.de: Frau Raben-Johns, wie kam es eigentlich zu Ihrem Engagement bei „Dörfer zeigen Kunst“?

Susanne Raben-Johns: Da muss ich ein wenig ausholen: Vor 15 Jahren gab es bei uns in der Verwaltung die Dorfentwicklungsplanung. Im Zuge dessen wurden Radwege und Reetdachhäuser saniert und es entstanden in den Gemeinden Dorfkaffees und Direktvermarkterläden. Martin Fischer, damals Amtsvorsteher, stellte daraufhin die Frage, wie wir das mit Leben füllen können. Er wollte, dass auch andere das erleben.

KP: Und die Antwort lautete „Dörfer zeigen Kunst“?

Raben-Johns: Zunächst einmal luden wir Menschen ein, von denen wir wussten, dass es Kunstschaffende sind. Außerdem mussten die Gemeinden sich bereit erklären, die Dorfgemeinschaftshäuser zur Verfügung zu stellen. Beim ersten Mal – das war 2005 anlässlich des 850. Geburtstages des Bistums Ratzeburg – hieß die Veranstaltung dann zunächst „Mit Kunst durch die Natur“.

KP: Ich komme noch mal zu meiner Eingangsfrage zurück. Wie kam es dazu, dass Ihnen die Organisation angetragen wurde?

Raben-Johns: Wie es bei Gesprächsrunden manchmal ist – es wurde mit dem Finger auf mich gezeigt. Ich war damals Protokollführerin des Förderprogramms.

KP: Hatten Sie denn überhaupt einen Bezug zur Kunst?

Raben-Johns: Ich wurde dank meiner Patentante, die Kunst unterrichtet, schon als Kind an sie herangeführt. Das heißt aber nicht, dass ich im Urlaub sofort in jedes Kunsthaus renne. Prinzipiell würde ich mir gerne mehr anschauen, aber privat fehlt mir oft die Zeit dafür.

KP: Bei „Dörfer zeigen Kunst“ gibt es in diesem Jahr Bilderschauen in 20 Gemeinden. Haben Sie sich schon überlegt, welche Sie besuchen werden?

Raben-Johns: Bisher habe ich es immer geschafft, mir alle Ausstellungen anzusehen. Mir macht das einfach Freude. Ich plane die Besuche immer mit der Karte. Drei oder vier Orte an einem Tag kann man gut schaffen. Zudem laden die Gemeinden ja zu einer Vielzahl besonderer Veranstaltungen ein.

KP: Wenn Sie zurückblicken, wie sehen Sie die Entwicklung der Veranstaltung seit 2005? Würden Sie sagen, dass das Interesse größer geworden ist?

Raben-Johns: Ja. Die Besucherzahlen sind mit jedem Jahr gestiegen. Es sind in jedem Jahr neue Künstler vertreten. Die Medien – sogar NDR Kultur – berichten darüber, dass man mittlerweile erstaunt ist, wenn man auf Menschen trifft, die noch nichts von „Dörfer zeigen Kunst“ gehört haben.

KP: Das klingt ausgesprochen positiv. Planen Sie als Organisatorin, künftig noch mehr Gemeinden einzubinden oder ist mit 20 das Ende der Fahnenstange erreicht?

Raben-Johns: Zunächst einmal würde ich mich selbst nicht als Organisatorin bezeichnen. Bei mir laufen lediglich die Fäden zusammen. Für vier Wochen sind 20 – wenn die Ausstellungen immer nur an den Wochenenden öffnen – eine gute Zahl. Damit gibt man jedem die Möglichkeit, sich alle Orte anzuschauen.

KP: Sie sagten gerade, Sie seien nicht die Organisatorin der Veranstaltung, sondern diejenige, bei der die Fäden zusammenlaufen. Wie darf sich der Laie die Organisation dieser großen Veranstaltung denn vorstellen?

Raben-Johns: Viele Dinge haben sich mittlerweile eingespielt und haben sich dadurch vereinfacht. Im Oktober oder spätestens November frage ich bei den Gemeinden an, ob sie im Jahr darauf dabei sein wollen. Im Januar laden wir dann alle Gemeinden und Künstler zu einem Rückblick und Ausblick ein. Die Planungen für die Ausstellungen finden dann jeweils vor Ort statt. Ich kümmere mich um die Ankündigung im Reisebegleiter des KulturSommers am Kanal, die Erstellung des Flyers und die Aktualisierung der Internetseite. Das alles funktioniert aber nur, weil wir wirklich eine Gemeinschaft sind und jeder seine Punkte erfüllt.

KP: Frau Raben-Johns, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr zur Veranstaltung:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/07/23/jetzt-gehts-los/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/07/23/mit-dem-rad-auf-kunstkurs/

https://www.doerfer-zeigen-kunst.de/index.php/startseite.html

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Ausstellungen

„Heimat – Ich bin ein Mensch“

Das Grenzhus Schlagsdorf zeigt vom 27. Juli bis 16. September im Garten die Freilichtausstellung „Heimat – Ich bin ein Mensch. Leben in Mecklenburg-Vorpommern“. Aus dem Foto- und Interviewprojekt von Manuela Koska wurden für die Ausstellung in Schlagsdorf 24 Portraits von Menschen mit verschiedenen Nationalitäten, Ursprüngen und Wurzeln ausgewählt. Die Portraits zeigen Einwohner aus Mecklenburg-Vorpommern mit ihren Vorstellungen über Heimat, Identität, Verwurzelung, Sehnsüchten, aber auch Enttäuschungen und Hoffnungen.

Oft zufällig traf Manuela Koska auf die Menschen, die sie dann vor ihre Kamera holte und mit denen sie zugleich Interviews führte. Menschen, die in Mecklenburg-Vorpommern zu Hause sind. Wobei sie sich nicht nur auf „Ur-Einwohner“ beschränkte, sondern auch auf jene, die von irgendwoher kamen und blieben, mit ihren Kulturen, Weltanschauungen, Lebensweisen und Besonderheiten. Sie alle hat sie portraitiert: die „Zuwanderer“, die „Ausländer“ und “Einheimischen“. Eine Art Bestandsaufnahme, ohne Wertung, ohne Bewertung. Einige sind ausgezogen in die Welt. Alle sind hängengeblieben in Mecklenburg-Vorpommern. Freiwillig. Unfreiwillig. Der Liebe wegen. Des Krieges wegen. Was ist Heimat für sie? Das Kunstprojekt zeigt ganz viele Antworten.

Zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung am Freitag, 27. Juli, erwartet die Besucher ein Rahmenprogramm mit Musik und Vorträgen. Zur Begrüßung spricht um 17 Uhr Martin Klähn. Prof. Dr. Matthias Pfüller befragt zudem László Sólya zum Thema Heimat.

Weitere Infos unter Tel.: 038875/ 20326 oder per Mail unter aw@grenzhus.de.

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Vorfahrt für die Jugend

Der 18. Geburtstag

Der folgende Text stammt aus der Feder von Anabel Puth (Foto). Im Rahmen des Schreibwettbewerbs „Wanted: Junge Autor*inn*en“, initiiert von der Stiftung Herzogtum Lauenburg, erhielt sie für ihren Beitrag in der Altersgruppe der 17- bis 23-Jährigen eine Auszeichnung.

Der Tag meines 18. Geburtstages war ausgerechnet der schönste Tag des Sommers.

Das Wetter war so gut wie seit langem nicht mehr. Tagsüber war es angenehm warm gewesen – nicht zu heiß, nicht zu kalt. Und trotzdem hatte ich mich die ganze Zeit in meinem abgedunkelten Zimmer verkrochen und jeglichen Kontakt zur Außenwelt vermieden.

Jetzt am Abend war der Himmel feuerrot. Hier und dort trieben ein paar rosafarbene Wolken im lauen Wind. Es fühlte sich an, als hielte man mir einen Föhn ins Gesicht. Die warme Luft verursachte eine Gänsehaut am ganzen Körper. Es war das schönste Abendrot, das ich jemals gesehen hatte. Doch den riesigen Kloß in meinem Hals konnte es nicht vertreiben.

Mit unsicheren Schritten schob ich mein klappriges Fahrrad den Feldweg entlang. Weiter hinten konnte ich bereits die Weggabelung sehen, bei der ein schmaler Trampelpfad links in den Wald hineinführte. Ich war auf dem Weg zu unserem Treffpunkt. Luke hatte mir gesagt, ich solle am Abend vorbeikommen. Weshalb wusste ich nicht. Er hatte keine Ahnung, dass ich Geburtstag hatte. Ich hatte es ihm nicht erzählt und er hatte nie gefragt. Und das war auch gut so. Mir fiel es schon schwer genug, mich an diesem Tag überhaupt aus dem Haus zu trauen.

Geburtstage waren nicht mein Ding. Sie waren es noch nie gewesen. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie man es feiern konnte, dem Tod ein Stückchen näher zu sein.

Der Druck auf meinem Hals wurde mit jedem Schritt größer und ich atmete tief die rauchige Waldluft ein. Am liebsten wäre ich umgekehrt. In meinem Kopf herrschte dichter Nebel. Doch Luke wartete auf mich. Deshalb ging ich weiter. Als ich den Wald verließ, stand ich am Fuß eines Hügels. Normalerweise verirrte sich keine Menschenseele hierhin. Soweit ich wusste waren wir die einzigen, die diesen Ort kannten. Ich hatte ihn damals in der vierten Klasse entdeckt, als ich mich im Wald verlaufen hatte. Orientierungslos und verzweifelt war ich von Baum zu Baum gelaufen, von Lichtung zu Lichtung, und hatte schließlich unter Tränen diesen Ort gefunden. Steht man ganz oben auf dem Hügel, kann man weit hinten am Horizont die Hauptstraße sehen. Seitdem war dieser Ort unser Treffpunkt.

Ich schaute auf meine Armbanduhr. 21:50. Ein letzter tiefer Atemzug und entschlossen stapfte ich mit meinem Fahrrad den Hügel hinauf. Ich hatte ja nichts zu befürchten.

Luke war bereits da. Er stand mir abgewandt an einen ausladenden Apfelbaum gelehnt und beobachtete den Sonnenuntergang. Vorsichtig stellte ich mein Fahrrad ab. Es machte ein schepperndes Geräusch und Luke drehte sich um. Seine Miene erhellte sich. Mit einer einladenden Geste breitete er die Arme aus und kam auf mich zu. In seiner rechten Hand hielt er eine Flasche Wodka. Feierlich rief er: „Riley, da bist du ja! Alles Gute zum Geburtstag!“

Meine Gesichtszüge entgleisten mir. Er hatte es also doch herausgefunden. Wie? Es gab nicht viele, die von meinem Geburtstag wussten. Als Luke vor mir stand, griff er mir mit der freien Hand in den Nacken, zog mich zu sich und küsste mich, doch ich wandte mich in seinen Armen. Er ließ mich los.

„Was?“ Er lachte. „Glaubst du, ich wusste nicht, dass du Geburtstag hast? Ich bin dein Freund, Riley, ich finde sowas heraus.“

„Hätte ich gewollt, dass du es wüsstest, hätte ich es dir erzählt.“

Stirnrunzelnd streckte er erneut seine Hand aus und streichelte mir sanft über die Wange. „Was ist los, Riley? Schau doch, was ich für dich vorbereitet habe.“ Mit der Wodkaflasche in der Hand deutete er auf eine Stelle ein paar Meter abseits des Baumes. Dort hatte er im hohen Gras eine karierte Picknickdecke ausgebreitet, auf der bereits einige Kissen und ein großer Picknickkorb standen.

Ich schluckte und bekam ein schlechtes Gewissen. Er gab sich so viel Mühe, mir Freude an einem Tag zu bereiten, den ich am liebsten aus dem Kalender gestrichen hätte. „Gar nichts. Ich bin nur kein Fan von Überraschungen, geschweige denn von Geburtstagen.“

„Diese Überraschung wirst du lieben! Ich habe dir extra einen Kuchen gebacken.“ Er legte einen Arm um mich und schob mich voran. „Mach dich mal locker. Heute ist schließlich dein großer Tag! Nimm mal einen Schluck“, sagte er und hielt mir die halbvolle Flasche hin. Ich schüttelte den Kopf.

„Bist du jetzt etwa sauer, weil ich mir Gedanken um dich mache?“

Ich seufzte. „Du verstehst das nicht. Du freust dich darauf, erwachsen zu werden und unabhängig zu sein.“

„Du etwa nicht?“ Er lachte. Ich wusste, er würde es nicht verstehen. Inzwischen bereute ich es beinahe, nicht doch umgekehrt zu sein. Luke griff nach meiner Hand und zog mich vorwärts. Ich seufzte nur. Wir ließen uns auf der Decke nieder und ich legte meinen Kopf auf eines der Kissen. Es war ein Albtraum. Ich wollte nicht daran erinnert werden, nun ein Jahr älter zu sein.

Luke griff nach dem Picknickkorb und holte einen Kuchen heraus. Sogar eine Kerze hatte er hineingesteckt, die er nun anzündete. „Wünsch dir was.“

Ich schüttelte den Kopf. „Lieber nicht.“

„Doch, Riley. Das macht man so.“

„Ich mache das nicht so.“

„Dann wirst du es ab jetzt so machen. Komm schon, ich habe mir wirklich Mühe gegeben.“ Er grinste mich mit einem seiner schiefen Lächeln an. Ich konnte nicht wiederstehen, ich musste tun, was er wollte.

Widerwillig holte ich Luft und blies die Kerze mit dem ersten Versuch aus. Luke klatschte und ich lief rot an. „Lass das, das ist albern.“

Luke schien meinen Kommentar zu ignorieren. „Was hast du dir gewünscht?“

„Das darf man doch nicht verraten, sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung.“

„Natürlich geht er in Erfüllung! Ich bin dein Freund, ich habe ein Recht darauf zu wissen, wie du dich in deinem Inneren fühlst“, witzelte er, während er ein Stück Kuchen abschnitt, es auf einen Pappteller hievte und mir reichte. Sein belustigter Tonfall machte mich verrückt. Mir war so gar nicht nach guter Laune zumute.

Mürrisch nahm ich den Kuchen entgegen. „Müssen wir darüber reden? Ich würde meinen Kuchen gerne in Ruhe essen.“

Er kicherte nur, doch er sagte nichts mehr. Schweigend biss ich eine Ecke meines Stückes ab.

„Und, schmeckt er dir?“

„Ja, tut er. Ich wusste gar nicht, dass du backen kannst.“

„Ich auch nicht. Ich bin froh, dass er essbar ist und ich uns nicht vergiftet habe.“ Er brach in Gelächter aus. Luke war bekannt dafür, seine eigenen Witze besonders gut zu finden.

Während ich schweigend meinen Kuchen aß, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass er mich beobachtete. „Was ist?“, frage ich mit vollem Mund.

Er schüttelte nur lachend den Kopf. „Ich kann immer noch nicht verstehen, wie du nicht 18 sein möchtest.“ Luke war drei Monate vor mir volljährig geworden. Ich war auf seine Party eingeladen gewesen und dort waren wir zusammengekommen.

„Es geht mir nicht um die Zahl…“

„Worum dann?“, unterbrach er mich.

Ich seufzte. „Um alles, was mit dieser Zahl verbunden ist. Führerschein, Eherecht, volle Strafmündigkeit…“

„Du hast doch nicht etwa vor, kriminell zu werden, oder?“ Luke lachte. Beschämt schaute ich zur Seite. Ich hatte das Gefühl, er wollte mich gar nicht verstehen.

„Natürlich nicht. Aber von nun an bin ich für mein Leben selbst verantwortlich. Was ist, wenn ich noch nicht soweit bin?“

„Du bist soweit, Riley. Du bist der reifste Mensch, den ich kenne.“

„Dann kennst du mich aber nicht besonders gut“, schnaubte ich verächtlich. Sofort spürte ich, dass ich ihn gekränkt hatte. Ich warf ihm einen unsicheren Blick zu und sah, dass er mich bestürzt musterte. Ich bereute, was mir herausgerutscht war. Ich wollte etwas sagen, doch ich wusste nicht was.

Vorsichtig rückte Luke ein bisschen näher und legte mir eine Hand auf das Knie, während ich mir ein Gänseblümchen um den Finger wickelte. „Ich versuche ja, dich besser kennenzulernen, doch bei jeder Frage, die ich stelle, verschließt du mehr von dir.“

Ich wusste, er erwartete eine Antwort von mir, doch ich wusste keine. Ich sagte nichts, sondern lehnte mich nur vor und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange. Entschuldigen fiel mir nicht leicht. Dies war meine Art, es auszudrücken.

Zu meinem Erstaunen grinste er. „Weißt du was? Es ist Zeit für dein Geschenk. Augen zu, Liebling“, sagte er und stand von der Decke auf, noch bevor ich meine Augen schließen konnte. Nach einiger Zeit spürte ich ein kleines Päckchen in meinen Händen.

„Augen auf.“ Als ich ihn wieder ansah, strahlte er über das ganze Gesicht. „Pack schon aus.“

Ich schüttelte den Kopf. Der Kloß in meinem Hals schwoll weiter an.

„Los, mach schon!“

„Ich kann nicht.“

„Wieso nicht?“

„Vielleicht weil ich dich nicht darum gebeten habe, mir etwas zu schenken! Ich habe nicht darum gebeten, Geburtstag zu haben!“ Mir stieg die ganze Sache zu Kopf. Ich verspürte einen einschnürenden Druck auf meinen ganzen Körper. Egal, wie sehr ich es versuchte: Alles was Luke tat, erinnerte mich an das Älterwerden. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Sie ließen sich nicht aufhalten.

Zornig sprang ich auf und stieß dabei den Picknickkorb um, der neben mir stand. „Du verstehst es nicht! Es wird nie wieder so sein, wie es war oder jetzt ist! Ich komme dem Tod Sekunde zu Sekunde näher und ich möchte nicht feiern, dass schon wieder ein weiteres Jahr vergangen ist!“ Ich stürmte davon. Doch nach ein paar Schritten machte ich kehrt. Die Flasche Wodka stand neben Luke. „Gib das her!“, brüllte ich, ohne ihm in die Augen zu sehen, und stampfte weiter. Ich lief bis zur entgegengesetzten Seite des Hügels und ließ mich dort im Gras nieder. Ich nahm einen gierigen Schluck und kippte mir die Hälfte auf die Brust. Ich schämte mich vor mir selbst, aber so handeln Menschen nun mal, wenn sie mit ihren Ängsten konfrontiert werden: Sie schreien und trinken, um zu vergessen.

Rücklinks streckte ich mich auf dem trockenen Boden aus. Inzwischen war die Sonne untergegangen und die ersten Sterne funkelten am Firmament. Während ich versuchte, sie zu zählen, wünschte ich mir, ich könnte einer von ihnen werden.

Irgendwann hörte ich ein Rascheln hinter mir und danach Schritte, die auf mich zukamen. Kurz darauf erschien Lukes Kopf in meinem Blickfeld. Er sagte nichts, sondern setzte sich nur seufzend neben mich. Die Stille zwischen uns war unangenehm, nicht so wie sonst. Ich wusste nicht, ob ich etwas zu ihm sagen sollte, und wenn ja, was. Also starrte ich weiter in den Himmel.

Schließlich räusperte Luke sich. „Du hast also Angst vor dem Älterwerden“, stellte er fest.

Ich schluckte hart, doch nickte letztendlich. Dann wurde es wieder still. Nach einer Weile seufzte er erneut und legte sich ächzend neben mich ins Gras. Unsere Schultern berührten sich und er griff nach meiner Hand, die ich mit seiner verschränkte. „Kennst du dich mit Sternenbildern aus?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Das da“, sagte er und hob den Arm Richtung Norden, „ist der Große Wagen. Das hast du bestimmt schon mal gesehen. Aber eigentlich ist der Große Wagen gar kein Sternenbild. Eigentlich gehört er nämlich zu einer anderen Konstellation, dem Großen Bären. Siehst du die drei Sterne weiter unten? Das soll das Vorderbein sein, glaube ich. Und das da ist dann das Hinterbein.“ Er ließ seinen Arm wieder sinken. „Weißt du, Sterne sind mehrere Millionen Jahre alt. Wir alle bestehen aus Sternenstaub und wenn wir sterben, werden wir wieder zu welchem. So ist das Leben. Jedes Lebewesen stirbt einmal. So ist es nun mal.“ Er drehte sich auf die Seite, stützte seinen Kopf auf seinen Arm und sah mich an. „Aber du hast dein ganzes Leben doch noch vor dir! Du bist 18 Jahre alt! Du hast die Schule bald hinter dir. Jetzt folgt die beste Zeit deines Lebens! Die Zeit, in der du endlich zu dir selbst findest, in der du dich verwirklichen kannst. Die stehen alle Türen offen!“

„Aber das ist gar nicht so leicht, wenn man die ganze Zeit im Hinterkopf hat, dass das Leben endlich ist. Ich habe den Druck, jede Sekunde auszukosten. Und wenn ich auch nur einmal meine Zeit verschwende, bereue ich es. Weil ich weiß, dass mir nichts geschenkt wird. Ich werde arbeiten und einen Job machen müssen, der mich nicht erfüllt, aber getan werden muss, um Geld anzuschaffen. Einmal geblinzelt und schon werde ich dreißig sein. Und dann werde ich Mitte vierzig und irgendwann bin ich zu alt, um das alles hier noch Leben zu nennen. Dann ist es nur noch ein Überleben.“ Meine Stimme brach. Ich war den Tränen nahe. Sanft drückte Luke meine Hand

„Riley, denk nicht so viel nach. Dein Ziel sollte es nicht sein ein langes, sondern ein erfülltes Leben geführt zu haben. Das geht aber nicht, wenn du dir über jede einzelne Sekunde den Kopf zerbrichst. Wer sagt denn, dass deine Jugend mit 18 vorbei ist? Wer sagt dir, wie du dein Leben zu leben hast? Du hast nun die Wahl! Du hast nun die Chance, dein Leben nach deinen Vorstellungen zu gestalten. Lass sie dir nicht entgehen.“

Luke erhob sich. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich meiner Freundin nun gerne dabei zusehen, wie sie ihr unglaublich tolles Geburtstagsgeschenk auspackt, für das ihr Freund sein halbes Erspartes hingeblättert hat“, witzelte er wieder und hielt mir seine Hand hin. Meine Glieder drückten schwer in den Boden. Auf einmal fragte ich mich, wie ich die ganze Zeit über nur so einen pessimistischen Blick auf das Ganze haben konnte. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich suchte im Sternenhimmel nach dem Großen Wagen, fand das Vorderbein des Großen Bären, dann sein Hinterbein, und ich wusste, dass Luke immer für mich da sein würde.

Dann ergriff ich seine Hand, zog mich an ihm hoch und war bereit, mir die letzte Chance, den Rest meines 18. Geburtstages zu genießen, nicht entgehen zu lassen.

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Nördlich der A24

Mit dem Rad auf Kunstkurs

Dass Archivar Christian Lopau im Amt Lauenburgische Seen (Ratzeburg) ein Büro hat, hat sich für „Dörfer zeigen Kunst“ als ausgesprochen nützlich herausgestellt. Er arbeitet damit quasi Tür an Tür mit Organisatorin Susanne Raben-Johns. Das Ergebnis sind die Radtouren, die Lopau seit mittlerweile neun Jahren anbietet und in deren Zentrum die Kunst steht.

Er suche immer möglichst reizvolle Strecken aus, wo man mit Blick auf den Autoverkehr gut fahren könne, meint Lopau. Hier und da erzähle er auch was von den Dörfern, durch die man komme. Aber grundsätzlich gehe es um die Kunst. An einigen Orten würden die Künstler sogar die Aufsicht führen und Einblicke in ihre Arbeit geben.

Die erste von zwei Radtouren startet am Sonnabend, 28. Juli, am Dorfgemeinschaftshaus Mustin. Von dort geht es zunächst nach Dechow und Kneese in Mecklenburg. „Da werde ich bestimmt etwas über den Gebietsaustausch zwischen Briten und Russen im November 1945 erzählen“, meint Lopau. Weitere Ziele sind Kittlitz und Salem, ehe die Reise an ihren Ausgangspunkt in Mustin zurückkehrt. Die Strecke umfasst 35 Kilometer. Start ist um 13 Uhr.

„Die Leute haben Spaß daran, auf verschiedenen Ebenen angesprochen zu werden“, sagt der Archivar. „Die Radtour verschafft ihnen die Möglichkeit, sich zu bewegen – und das in schöner Landschaft.“ Obendrein bekämen die Teilnehmer noch Informationen an die Hand. Bei „Dörfer zeigen Kunst“ gehe es vor allem um künstlerische Aspekte, bei seinen Geschichtstouren, die er ebenfalls anbiete, drehe sich eben alles um historische Sehenswürdigkeiten, Fakten und Ereignisse. Dank solcher Formate erreiche man auch die Leute, die nicht zu klassischen Vorträgen kämen.

Anmeldungen für die Radtour am 28. Juli unter Tel. 0151-55117371. Eine weitere Fahrt mit Lopau führt am Sonnabend, 4. August, vom Amt Lauenburgische Seen, Fünfhausen 1, in Ratzeburg aus über Behlendorf, Groß Disnack, Pogeez und Einhaus wieder zurück nach Ratzeburg. Gestartet wird ebenfalls um 13 Uhr. Anmeldungen werden unter der obigen Nummer entgegengenommen.

Mehr zur Veranstaltung:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/07/23/sehe-mir-immer-alle-ausstellungen-an/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/07/23/jetzt-gehts-los/

https://www.doerfer-zeigen-kunst.de/index.php/startseite.html

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Nördlich der A24

Ein KuSo-Sommertagstraum

Ein prachtvoller Sommertag am Strand des Behlendorfer Sees: Im Wasser tummeln sich fröhliche Badegäste, über der voll besetzten Wiese erhebt sich vielstimmiger Gesang. Bei zauberhafter Stimmung und Verbindung von Natur und Klang legt das „Singen am See“ eine vielversprechende KulturSommer-Premiere hin. Fünf ganz unterschiedliche Chöre aus der Region singen, swingen, jazzen und grooven für das Publikum unter strahlend blauem Himmel, umgeben von alten Bäumen. Die insgesamt fast 100 Sängerinnen und Sänger stecken die teilweise mitsingenden Zuhörer mit ihrer Begeisterung und Freude am gemeinsamen Singen an und überraschen mit einer erstaunlichen Vielfalt an Chorarrangements.

Der Initiator des experimentellen Musikformats, der Behlendorfer Burkhard Blanck, zeigt sich „restlos hin und weg“ von der runden Vorstellung, die aus seiner zunächst aberwitzig scheinenden Idee eines Chorfestivals am Badestrand entstanden ist. Sogar Bühne und Tontechnik werden aufgefahren, um den Stimmen eine gute Akustik und dem Publikum ein Optimum an Genuss zu garantieren. Und was kriegt es nicht alles zu hören: Psalmen, Kirchenlieder und Gospels aus mehreren Jahrhunderten, deutsche Volkslieder und Folklore aus Afrika und Südamerika, internationale Schlager und Welthits. Die Chorleiter wissen die Fähigkeiten ihrer Singgemeinschaften auch durch die Liederauswahl zum Klingen zu bringen. Getragenes und Rockiges, traditionell schöne und spannend neue Arrangements reichen sich die Hand. Unbeschwertes und Anspruchsvolles wechseln sich ebenso ab wie feines Singen und energiestrotzende Performance. Die Comedian Harmonists, Simon und Garfunkel, Leonard Cohen, Coldplay, Alice Cooper, Elvis Presley, Fugees, Bill Ramsey, George Michael, Beach Boys, Marianne Rosenberg, Bill Tolson und Jürgen Marcus lassen grüßen.

Das Publikum genießt den Mix und dankt für die engagierten Auftritte mit kräftigem Applaus und Bravorufen. Beim großen Finale mit gleich drei dreistimmigen Kanons gleichzeitig stimmen die großen und kleinen Zuhörer aus voller Brust mit ein. Bei so viel gmeinsamem Spaß hätte Shakespeare wohl gesagt: If music be the food of love, sing on! – Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, singt weiter! Den melodischen Genuss bei der Premiere von „Singen am See“ vermittelten der „heartChor“ Schiphorst (Leitung: Ingrid Kunstreich), der Schwarzenbeker VHS-Chor SingSangSong, der VHS-Chor „La musica“ Büchen-Gudow (beide Dimitri Tepljakov), der Kirchenchor Breitenfelde (Brigitta Basche-Bödecker) und der Chor der St.-Thomas-Gemeinde Grünhof-Tesperhude (Michael Schneider).

Text: Eva Albrecht/Foto: Antje Berodt