Am 21. und 22. Juni sticht das Kanu-Wander-Theater-Publikum von der Schmilauer Brücke aus „in See“, um die Aufführung von „Von Meerjungfrauen, Nixen und Wassermännern“ zu erleben. Zehn Mal wird das Stück zu sehen sein. Das bedeutet: Pro Tag machen sich jeweils fünf Gruppen auf den Weg. Für Kerstin Steeb ist es die sechste und letzte Kanu-Wander-Theater-Inszenierung. Die Musiktheater-Regisseurin, die an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg studiert hat, beendet ihr Engagement für den KulturSommer am Kanal. Im Interview mit Kulturportal-Herzogtum.de spricht sie über ihre Leidenschaften und die Besonderheiten des Kanu-Wander-Theaters.
Kulturportal-Herzogtum.de: Frau
Steeb, das Kanu-Wander-Theater ist ein außergewöhnliches Veranstaltungsformat
und ein Flaggschiff des KulturSommers am Kanal. Seit sechs Jahren machen Sie
die Regie. Wie sind Sie zu dieser besonderen Aufgabe gekommen?
Kerstin
Steeb: Frank Düwel* hat mirdas Vertrauen entgegengebracht und mich gefragt, ob ich das Format übernehmen möchte. Bis dahin hatte er das
Kanu-Wander-Theater ja selbst inszeniert. Im ersten Jahr war er noch eine Art
Mentor für mich. Das war ein bereicherndes konzeptionelles
Miteinander. Wir haben uns darüber ausgetauscht, wie diese Art Theater und
seine Strukturen funktionieren.
KP: Sie
sind Regisseurin und haben ein Diplom in Sportwissenschaft. Die
schönen Künste und die Bewegung – das
passt an dieser Stelle…
Steeb: Das
Kanu-Wander-Theater führt tatsächlich zwei Leidenschaften von mir zusammen.
Neben dem Theater waren das schon immer
die Natursportarten. Im Studium habe ich mich besonders für das Kajakfahren
interessiert. Die zweite Generalprobe führe ich paddelnd
vom Wasser aus durch, das ist in meinem Arbeitsalltag einzigartig.
KP: Was
ist das Besondere am Kanu-Wander-Theater?
Steeb: Neben
der Leidenschaft für Wasser muss man Lust haben, mit Menschen allen Alters zu
arbeiten, die das nicht hauptberuflich machen. Ich persönlich empfinde das als schöne Herausforderung und Bereicherung.
KP:
Arbeiten Sie ausschließlich mit Laienschauspielern?
Steeb: Nein.
Einige Szenen sind mit Profis gespickt – sie helfen, das Niveau der anderen
noch weiter hochzuziehen. Für Opernsänger ist
es im Übrigen noch mal eine ganz andere Erfahrung, wenn sie übers Wasser singen und
es zu ihnen zurückschallt. Oder wenn sie Wind und Wetter ausgesetzt sind oder mutterseelenallein unter einer Brücke
ausharren müssen.
KP: Wie
kann ich mir die Regiearbeit für eine Kanu-Wander-Theater-Aufführung
vorstellen? Worauf legen Sie wert?
Steeb: Mit
an die 100 Beteiligten ist das Kanu-Wander-Theater ein großes Projekt und sehr
komplex. Dies ist schon bei der Textauswahl zu berücksichtigen. Das Stück muss
auf die Menschen und die Orte zugeschrieben werden. Dementsprechend schreibe
ich die Textvorlage um und kürze sie. Die
Regiearbeit ist in diesem Fall ausufernder, als in manch anderen Engagements.
Das macht jedoch auch den Reiz aus.
KP: Gibt
es da bestimmte, unabhängig von der jeweiligen Vorlage existierende Kriterien?
Steeb:
Grundsätzlich darf die Inszenierung nicht so textlastig sein. Beim
Kanu-Wander-Theater kommt es mehr auf Musik, Klänge und die Atmosphäre an.
Mittlerweile weiß ich, was in der Landschaft gut funktioniert. Ich passe die
Geschichte an den Verlauf der Orte an. Der Verlauf der Landschaft kann großen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte
haben. Das versuche ich zu nutzen.
KP:
Apropos Landschaft. Wie steht es beim Kanu-Wander-Theater um die
„Bühnengestaltung“?
Steeb: Auch
die ist komplex, weil es um die Kombination von Spielorten geht. Jede Station
ist eine andere Bühne. Praktisch heißt
das, dass ich erstmal durch die Gegend fahre, die Schulen und Chöre etc. aus der Region besuche, um sie einzubinden. Die
Inszenierung muss ja für alle machbar sein.
KP: Das
hört sich nach einem hohen Zeit- und Organisationsaufwand an. Noch mal zurück
zu meiner Frage: Wie gestalten Sie am Aufführungstag die Bühne(n)?
Steeb: Wir
bauen keine Bühne. Der Ort ist die Bühne. Wir arbeiten nur mit dem Körper, der
Stimme und den Kostümen. Vielleicht spannen wir mal ein Seil und arbeiten mit ein paar Requisiten. Aber
das sind nur Spielereien. Wir lassen uns von dem inspirieren, was da ist. Bei
‚Romeo und Julia‘ haben wir eine Szene zwischen zwei Brückenresten gespielt und
Romeo mit Hilfe des Publikums auf die andere Uferseite zum Capulet-Ball bringen
lassen.
KP: Wie
kann ich mir die Probearbeit vorstellen?
Steeb: Wir
proben drei Monate in Gruppen, so wie sie es brauchen. Man muss sich den roten Faden vorab vorstellen. Die erste Generalprobe erfolgt dann im
Stadthauptmannshof. Da erleben sich alle Schauspieler dann erstmals und auch das letzte Mal gegenseitig.
KP: Sie
proben also nicht im oder am Wasser?
Steeb: Mit wenigen proben wir direkt am Originalort, da wir dann auf das
Wetter angewiesen sind. Andere Szenen müssen vor Ort geprobt werden, da sie ans
Wasser gebunden sind. Wir hatten schon Darsteller, die in den See springen,
schwimmen oder sogar Taucher vom DLRG Ratzeburg dabei.
KP:
Spätestens nach der Generalprobe müssen dann aber alle Beteiligten ran oder
auch rein ins Wasser. Wie erleben Sie die Premiere?
Steeb: Etwas
Komplexeres als den Aufführungstag gibt es nicht. Für eine Regisseurin ist das
eigentlich schrecklich. Zum Teil läuft das Stück schon und an der letzten Station
ist der Schauspieler noch nicht einmal vor Ort.
Einige sind ja berufstätig und fahren freitags** mit heißem Reifen von der
Arbeit weg.
KP: Das
Kanu-Wander-Theater als eine Reise ins Ungewisse…
Steeb: So
weit würde ich nicht gehen. Wir haben ja immer alles durchgeplant. Aber oft
kommt dann doch einiges anders. Etwa weil man eine Station plötzlich nur noch
mit Antimückenspray und Machete in der Hand erreichen kann.
KP: Das
alles erleben Sie nun zum letzten Mal.
Steeb: Ja,
und ich werde das sehr
vermissen. Keine meiner Arbeiten ist so sehr sich
selbst genügend. Das Kanu-Wander-Theater ist meine absolute Leidenschaft.
KP: Warum
hören Sie dann auf?
Steeb: Dafür
gibt es zwei Gründe: Zum einen kann es nur belebend
sein, frischen Wind in das Kreativteam zu bringen. Zum anderen zieht es mich
beruflich voran. Ich werde unter anderem eine selten gespielte Oper im Lichthof
Theater zur Aufführung bringen und mich ziehen Engagements für spannende und
große Opern-Inszenierungen an das Theater Hagen und Lüneburg.
KP: Frau
Steeb, vielen Dank für das Gespräch.
*Intendant des KulturSommers am Kanal
**Das Kanu-Wander-Theater fand bislang immer freitags statt. 2019 gibt es erstmals auch an einem Sonnabend (22. Juni) Aufführungen.
„Von Meerjungfrauen, Nixen und Wassermännern“, Kanu-Wander-Theater, Schaalseekanal, ab Schmilauer Brücke, 21. Juni ab 15 Uhr, 22. Juni ab 11 Uhr