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Vorfahrt für die Jugend

„In Japan sind die Geschichten allgegenwärtig“

„Ich habe als Junge angefangen, Mangas zu lesen“, erinnert sich Lennart Schütt. „Die lagen bei uns in der Bücherei aus.“ Beim Lesen ist es nicht geblieben. Der 21-Jährige ist mittlerweile auch ein begeisterter Zeichner geworden, der sein Können und seine Leidenschaft anderen gerne vermittelt. Am 28. und 29. September lädt er deshalb zu einem Workshop in der Kulturwerkstatt des Robert-Koch-Parks.

Was ist es, was ihn so fasziniert an den Mangas? „Dass die Geschichten in Schwarz-Weiß erzählt werden“, meint der gebürtige Geesthachter. Zudem sei die Machart eine ganz andere als die von Comics. Mangas werden dynamischer erzählt, beanspruchen weniger Zeit, so Schütt. Der Unterschied liege „nicht so sehr im Zeichenstil“.

Dies spiegele sich letztendlich auch in der Art und Weise wider, wie die Geschichten dargeboten werden. In Japan gebe es Manga-Magazine wie die „Weekly Fhonen and Jump“, sagt Schütt. „Das sind reine Wegwerfprodukte, gedruckt auf billigstem Papier. Unterirdisch“. Unbeliebte Serien, die darin laufen, würden sehr schnell abgesägt.

Sind Mangas dann so eine Art „Fast Food“ für Comic-Freunde? Natürlich nicht, stellt Schütt klar. Serien, die gefallen, wie etwa „Dragon Ball“, mit der im Übrigen Schütts Leidenschaft begann, gibt es auch in Buchform. „Liebevoll gestaltet“, ergänzt er. Persönlich hat er zuletzt eine Vorliebe für Inio Ansanos „Coming of Age“-Geschichten entwickelt – also für Geschichten, bei denen es um das Erwachsenwerden geht. Ansanos Geschichten, in denen es um unglückliche Menschen gehe, seien „superrealistisch“.

Grundsätzlich gebe es Mangas für alle Altersgruppen, erklärt Schütt, dem in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Grund einfällt, warum es ihm ausgerechnet diese japanische Erzählform so angetan hat. „Die Geschichten sind dort allgegenwärtig.“

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Vorfahrt für die Jugend

Gebrauchsanweisung für neunjährige Jungen

Der folgende Text trägt den Titel „Gebrauchsanweisung für neunjährige Jungen“ und stammt aus der Feder von Steffen Stieler (Foto). Im Rahmen des Schreibwettbewerbs „Wanted: Junge Autor*inn*en“, initiiert von der Stiftung Herzogtum Lauenburg, erhielt er für seinen Beitrag in der Altersgruppe der Sechs- bis Elfjährigen eine Auszeichnung.

Für alles gibt es Gebrauchsanweisungen, nur nicht für neunjährige Jungen. Aber zum Glück wurde das jetzt geändert. Mit dieser Gebrauchsanweisung erfahren Sie, wie Sie Ihre Neunjährigen gegen die gefährliche Krankheit „Langweilinitis“ schützen können, wie Sie für immer gute Stimmung sorgen und sich selbst nicht ärgern müssen.

  • Bei Neunjährigen dürfen Erwachsene nur dann schimpfen, wenn sie sich wirklich sicher sind, dass das Kind absichtlich etwas Schlechtes getan hat. Das ist ein höchst seltener Fall. Das kann die Erwachsenen freuen, denn sie können ihre Stimme schonen.
  • Erwachsene sollten Neunjährige nicht zu kritisch anblicken. Kritik sollte nie größer als das Kind sein. Da Neunjährige noch nicht ausgewachsen sind, darf auch die Kritik nicht ausgewachsen sein.
  • Neunjährige Kinder sollten genügend Spielzeug haben, da sonst die gar nicht seltene Krankheit „Langweilinitis“ ausbrechen könnte. Sie tarnt sich manchmal als Traurigkeit. Sollte es zu dieser unangenehmen Krankheit kommen, hilft es zum Beispiel, gemeinsam in ein Autohaus zu fahren.
  • Auch für Neunjährige ist Obst gesund, keine Frage. Aber ein Tag mit weniger als drei Schokobonbons o.ä. ist offiziell gefährlich! Warum? Na, Schokolade sorgt für genug Zucker, Zucker ist wichtig fürs Denken, und denken müssen Neunjährige sehr viel, z.B. wie der neue Legobausatz gebaut werden muss, wie der Papierflieger schneller fliegt und wie die Kuckucksuhr funktioniert.
  • Neunjährige sollten immer Musik machen dürfen, weil sie guten Klang ins Leben bringt. (Könnte sein, dass es für die Erwachsenen nicht immer gut klingt, dafür gibt es Ohrenstöpsel).
  • Wenn ein Neunjähriger eine Schwäche hat, darf man ihn auf keinen Fall mit anderen Kindern vergleichen, die diese Schwäche nicht haben. Man sollte sie niemals mit Kindern vergleichen, die immer ihr Schulbrot aufessen, immer die Hausaufgaben aufschreiben, und immer, immer, immer die Hausaufgaben in Turbogeschwindigkeit erledigen.
  • Noch schädlicher ist es, die Neunjährigen immer zu hetzen. Die arme Zeit der Neunjährigen mag das nicht. Sonst fängt der Hetzeratis an zu glühen. Ihr wisst nicht, was ein Hetzeratis ist? Da müsst ihr euch gedulden, in Hetze findet ihr das nie heraus.
  • Wenn Erwachsene ihren Neunjährigen nicht genügend zuhören, erfahren sie nie, dass der BMW i 8 sein Lenkrad einfahren kann, wo Geheimverstecke und die tiefsten Pfützen sind.
  • Neunjährige sollten so viel träumen dürfen, wie sie wollen. Es sollte nie heißen, dass das erste Auto kein BMW i 8 sein wird.
  • In der Schule sollte es Fächer geben, wo man sich die Themen selbst aussuchen kann: Roboter bauen, Schaltungen ausprobieren, … Und während dieser Stunden darf man hüpfen und ruckeln und muss nicht still sitzen.

Was für eine schöne Welt für Neunjährige wäre das denn!

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Vorfahrt für die Jugend

Wie zeichnet man Mangas?

Wie zeichnet und gestaltet man Mangas? Wie baut man Figuren und Geschichten auf? Worauf kommt es bei diesen Comics im japanischen Stil an? All das können Mangafans am Freitag, 28. September, und Sonnabend, 29. September, im Rahmen eines zweitägigen Workshops lernen.

Die Leitung des Workshops hat Lennart Schütt, der sich ausdrücklich an alle Interessierten wendet: „Für Mangas muss man kein perfekter Zeichner sein“, stellt der 21-Jährige klar. Die japanischen Comics seien an keine Stilformen geknüpft. Zudem können man seine Geschichte frei erzählen.

Schütt vermittelt im Rahmen des Workshops das „Handwerkszeug“. Mit viel Zeit zum Zeichnen bringt er Einsteiger ihren eigenen Figuren und Stories einen großen Schritt näher. Darüber hinaus können sich Fortgeschritten ihren Feinschliff abholen.

Veranstaltungsort ist die Kulturwerkstatt Robert-Koch-Park. In der Hindenburgstraße 15. Am 28. September beginnt der Workshop um 17 Uhr, das Ende ist für 20 Uhr vorgesehen. Am 29. September geht es dann von 14 bis 20 Uhr weiter.

Den Workshop für Jugendliche und Junggebliebene veranstalten die Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow gGmbH und die Stiftung Herzogtum Lauenburg gemeinsam.

Bild: Lennart Schütt

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Ausstellungen Nördlich der A24

„Ich war vom Sozialismus überzeugt“

Andreas Wagner, Jahrgang 1964, leitet seit 2013 das Grenzhus in Schlagsdorf. Er wuchs in der DDR auf, war Mitglied der SED und leistete drei Jahre Armeedienst. Von 1985 bis 1990 studierte er Geschichte und Marxismus-Leninismus. Als sich der Widerstand gegen das SED-Regime formierte und in Leipzig Ende der 80er Jahre die Montagsdemonstrationen stattfanden, blieb er zunächst auf Distanz. Wagner, Kind einer Arbeiterfamilie, glaubte noch an die DDR. Nach der Wende lernte und forschte er in Rostock und Hamburg.

Im Interview mit Kulturportal-Herzogtum.de spricht er darüber, wie der „alte“ Andreas Wagner den jungen heute sieht und welche Rolle seine Biografie für das Grenzhus spielt.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Wagner, was haben Sie am 9. November 1989 gemacht?

Andreas Wagner: Das weiß ich nicht mehr.

KP: Das wissen Sie nicht mehr?

Wagner: Die Reisefreiheit war eine schöne Sache, aber mir war es damals wichtiger, wie es mit der DDR weitergeht, wie man einen besseren Sozialismus entwickeln kann.

KP: Was haben Sie in der Zeit gemacht?

Wagner: Ich habe in Leipzig studiert…

KP: …wo im Herbst ´89 die Montagsdemonstrationen gegen die SED stattfanden.

Wagner: Genau. Montags habe ich damals immer in einem auswärtigen Archiv geforscht. Die Vorbereitungen für die Demonstrationen bekam ich auf den Weg zum Bahnhof mit. Am 7. Oktober 1989 musste ich mit ansehen, wie Menschen vor der Nikolaikirche von der Polizei auseinandergetrieben wurden. So eine Gewalt hatte ich bis dahin nicht erlebt. Entsprechend angespannt war die Atmosphäre in der Stadt vor dem Durchbruch am 9. Oktober. Bei der übernächsten Demonstration bin ich dann mitgegangen.

KP: Warum nicht vorher?

Wagner: Ich habe über viele Dinge damals anders gedacht als heute. Ich war von der Idee des Sozialismus überzeugt. Gleichzeitig war mir klar, dass sich etwas in der DDR verändern muss. Aber ich habe das bestehende System nicht in Frage gestellt. Ich hätte damals kritischer auftreten können, als ich es gemacht habe. Das beschämt mich heute.

KP: Worüber denken Sie heute anders?

Wagner: Über vieles. Aber im Rückblick ist mir bewusst, welche geringe Bedeutung damals Begriffe wie Individualität, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit für mein Denken hatten.

KP: Welche Vorstellung hatten Sie vom Sozialismus?

Wagner: Angestoßen durch die Perestroika-Politik von Gorbatschow wuchs meine Hoffnung auf einen dritten Weg, einen demokratischen Sozialismus, in dem Mitbestimmung, Offenheit und Meinungsstreit möglich sind. Doch in der DDR bewegte sich kaum etwas. Es war eine bleierne Zeit. Wirtschaftlich wuchsen die Schwierigkeiten. Die Gebäude zerfielen. Die Atmosphäre war wie verriegelt und zugemauert. Wir stritten um Begriffe, weil wir nicht mehr mit den alten Losungen auf die 1. Mai-Demonstration gehen wollten. Wir merkten gar nicht, wie die Zeit darüber hinwegging.

KP: Und dann kam die Wende und schließlich das Ende der DDR. Sie waren ausgebildeter Lehrer für Marxismus-Leninismus.

Wagner: Letztendlich war es ein Geschichtsstudium und mich lockte die Forschung. Trotz mancher Einschränkungen haben wir das Handwerkszeug eines Historikers gelernt. Davon zehre ich heute noch. Das Studium hat mir inhaltlich und fachlich viel gegeben. Wir hatten Lehrer, die auch international mitreden konnten.

KP: Trotzdem stelle ich es mir schwierig vor, sich unter diesen Vorzeichen in der sich mit einem Schlag ändernden Forschungslandschaft zu behaupten. Es gab doch bestimmt Vorbehalte.

Wagner: Vorbehalte spielten weniger eine Rolle. Für junge Leute boten sich viele neue Chancen, zum Beispiel durch Sprachkurse, Studienaufenthalte im Ausland und die neuen Forschungsfreiheiten. Schwieriger wurde es nur, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen und nach der Ausbildung einen bezahlten Job zu finden. Vorbehalte habe ich kaum gespürt, am Anfang gab es sogar ein großes Interesse an den DDR-Lebenserfahrungen. Für viele Bundesdeutsche war es ein fremdes Land. Ich habe überwiegend einen respektvollen Umgang kennengelernt. In Hamburg wollte mein betreuender Professor wissen, was ich an der Leipziger Uni gelernt hatte, das war wichtiger als meine DDR-Prägungen.

KP: Heute sind Sie promovierter Historiker und seit 2013 Projektleiter im Grenzhus. Welche Rolle spielen Ihre persönlichen DDR-Erfahrungen in der Arbeit?

Wagner: Die spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die museale Arbeit orientiert sich an wissenschaftlichen Kriterien. Unsere Erkenntnisse müssen belegbar, überprüfbar und in historische Zusammenhänge eingebettet sein. Wir wollen zu einem (selbst-)kritischen Nachdenken über Geschichte und Gegenwart beitragen. Im Unterschied zur DDR-Erinnerungspolitik geht es uns nicht um Bekenntnisse zu politischen Vorgaben, sondern um Fragen an die Geschichte. Wir wollen zeigen, welche Konsequenzen das Handeln von Menschen hatte, damit wir zukünftig sensibel dafür sind.

KP: Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Grenzhus?

Wagner: Ausgangspunkt unserer Erinnerungsarbeit sind die Opfer des DDR-Grenzregimes. Wir erzählen diese Schicksale, damit sich solche Menschenrechtsverletzungen nicht wiederholen. Gleichzeitig fragen wir nach den Funktionsmechanismen des Systems. Dabei geht es um Zwang und Angst, aber auch Identifikation und Mitmachen und um die vielen Zwischenstufen, die das Leben in einer Diktatur ausmachen. Und wir wollen dazu beitragen, Trennendes zu überwinden. Die ideologische Konfrontation im Kalten Krieg sowie der Umbau Ostdeutschlands haben Gräben hinterlassen. So wollen wir auch einen Beitrag zur Überwindung von Mauern in den Köpfen leisten, gerade an der ehemaligen Trennlinie zwischen Ost und West.

KP: Und erreichen Sie die Menschen? Gibt es Rückmeldungen

Wagner: Viele sagen uns, dass wir so weitermachen sollen. Einige melden sich im Nachhinein und sagen: „Das habe ich damals gar nicht so gesehen.“

KP: Herr Wagner, ich danke Ihnen für das spannende Gespräch.

Infos zur neuen Dauer- und einer weiteren Ausstellung im Grenzhus:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/20/multimediale-grenzgeschichten-fuer-die-naechste-generation/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/20/heimat-ich-bin-ein-mensch-2/

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Nördlich der A24

Die Feste der Welt entdecken

Die Sorge um das Dasein begleitet den Menschen durchs Leben. Es braucht ein Auskommen, das zumeist mit harter Arbeit verbunden ist. Umso wichtiger sind die Momente der Erholung, des Durchatmens, des Abstandgewinnens. Feste – auch das ist den Menschen rund um den Globus gemein – bieten diese Momente. Der Kreis Herzogtum Lauenburg hat sich dieses Themas angenommen und präsentiert vom 29. August bis 28. September die Wanderausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“: Interkulturelle Feste – Ein Anker für die Seele“. Es ist der Aufgalopp für eine Vielzahl von Veranstaltungen, die im Rahmen der Interkulturellen Woche vom 23. bis 30. September auf dem Programm stehen.

Die Wanderausstellung ist das Ergebnis einer Projektarbeit des Diakonischen Werkes Hamburg-West/Südholstein und war zuletzt in Norderstedt zu sehen. Um uns unbekannte traditionelle Feierlichkeiten aus anderen Erdteilen näherzubringen, hat die Journalistin Hanna Gieffers Gespräche geführt und Informationen gesammelt. Das Ergebnis ist eine spannende Schau mit Fotos, Info-Texten und Kochrezepten, bei der zudem neun Migranten zu Wort kommen. Die Kurdin Fatima Sheiki beispielsweise spricht über Newroz, das Neujahrsfest, das in ihrer Heimatstadt Hasaka gefeiert wird. Die 14-Jährige floh zusammen mit Ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Seit 2015 lebt sie in Norderstedt.

Newroz feiern die Kurden am Datum der Tag- und Nachtgleiche. Das Fest wird nicht nur in Syrien begangen, auch im Iran, in der Türkei, Albanien und Usbekistan gibt es Menschen, die das Neujahresfest zelebrieren. Die Kurden gedenken an diesem Tag zusätzlich dem Widerstand gegen die Unterdrückung ihrer Nationalität. Vor den Feierlichkeiten wird das Haus geputzt. Dieser Akt steht für das Erwachen der Natur nach dem Winter.

Die Ausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“: Interkulturelle Feste – Ein Anker für die Seele“ ist in der Kreisverwaltung, Barlachstraße 2, in Ratzeburg zu sehen. Das Haus hat montags bis donnerstags in der Zeit von 8 bis 12 und 14 bis 16 Uhr geöffnet. Freitags ist es zwischen 8 und 12 zugänglich.

 

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Nördlich der A24

Interkulturelle Woche? Interkulturelle Wochen!

Angefangen hat alles mit einem Gottesdienst. „Das war 2008“, erinnert sich Heiko Steiner, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Herzogtum Lauenburg, an die erste interkulturelle „Woche“ seiner Einrichtung. Heute – elf Jahre später – hat dieser Gottesdienst Tradition gewonnen, ist aber nur eine Festivität unter vielen.

„Mittlerweile sind es so viele Veranstaltungen, dass es für uns schwierig geworden ist, sie alle in einer Woche zu bündeln“, sagt Steiners Kollegin Diana Bauder, die für den Fachbereich Migration und Integration zuständig ist. Deshalb habe das Diakonische Werk Herzogtum Lauenburg aus der „Interkulturellen Woche“ „Interkulturelle Wochen“ gemacht.

Offiziell steht die Interkulturelle Woche, die auf eine Initiative der Katholischen, der Evangelisch-Lutherischen und der Griechisch-Orthodoxen Kirche zurückgeht, bundesweit vom 23. bis 30. September auf dem Programm. Im Lauenburgischen gehen die Uhren nun – siehe oben – anders. Den Auftakt der Festivitäten bildet am Mittwoch, 29. August, die Eröffnung der Ausstellung „Menschen – Feste – Schicksale“ in der Kreisverwaltung, Barlachstraße 2, in Ratzeburg. Organisiert hat die Schau der Kreis Herzogtum Lauenburg.

Das Diakonische Werk startet seinen Veranstaltungsreigen drei Tage später. Am Sonnabend, 1. September, steigt auf dem Ratzeburger Marktplatz das „Markt-Soccerturnier*“. „Da treten gemischte Teams gegeneinander an“, sagt Geschäftsführer Steiner. Für Zugewanderte und Einheimische sei dies eine tolle Gelegenheit, um sich in lockerer Atmosphäre zu begegnen – ob nun als Zuschauer oder Aktive.

„Wir als Diakonie können die Brücke sein“, ergänzt Diana Bauder. Die diplomierte Sozialpädagogin unterstreicht, dass es dabei nicht nur um das Verhältnis zwischen Einheimischen und Migranten gehe, sondern auch um das Verhältnis der Migranten untereinander.

Um bei dieser Brückenarbeit voranzukommen, hat das Diakonische Werk in der ersten Septemberwoche weitere Veranstaltungen auf die Beine gestellt. Am Mittwoch, 5. September, steht ab 10 Uhr in der Internationalen Begegnungsstätte (Mölln, Bahide-Arslan-Gang) ein Internationales Frauenfrühstück** auf dem Programm, bei der die Teilnahme kostenlos ist. „Wir freuen uns aber über Beiträge zum Buffet“, so Diana Bauder.

Gespannt sind Heiko Steiner und sie auf das Grillfest in Gudow***, das am Freitag, 7. September, am Kaiserberg 23 geplant ist. „Wir würden uns freuen, wenn da richtig viele Leute kommen. Dadurch dass wir das Fest direkt in der dortigen Gemeinschaftsunterkunft des Kreises machen, bewegen sich die Besucher mitten im Leben der Flüchtlinge“, betont Heiko Steiner. Das Grillen beginnt um 14 Uhr.

Einen Tag nach dem Grillen – am Sonnabend, 8. September – ist dann Musik Trumpf. Ab 19 Uhr gibt es im Petri Forum, Am Markt 7, in Ratzeburg orientalische Live-Musik und orientalischen Tanz****. Der Eintritt ist frei.

Während das Diakonische Werk Herzogtum Lauenburg im Nordkreis Interkulturelle Wochen organisiert, konzentriert sich im Südkreis die AWO auf die offizielle Interkulturelle Woche. Geplant sei, sagt AWO-Mitarbeiterin Ricarda Heil, vom 24. bis 30. September die Ausstellung „Kultur im Flur“ im AWO Integrations Center am Markt 26 in Geesthacht. Sie zeige Fotos, Ölmalerei und Bleistiftzeichnungen von Künstlern mit Fluchterfahrung. Die Vernissage ist am Montag, 24. September, um 13.30 Uhr. Darüber hinaus findet im AWO Integrations Center am Donnerstag, 27. September, ein „Internationaler Literaturabend“ statt, an dem Texte bekannter und unbekannter Autoren gelesen werden. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr. Weitere Infos gibt es unter Tel. 0160-7122851 oder per Mail unter ricarda.heil@awo-sh.de.

Das Diakonische Werk Herzogtum Lauenburg hat zu den Interkulturellen Wochen einen Flyer herausgebracht, den Interessierte sich unter http://diakonie-rz.de/cms/front_content.php?idcat=90 herunterladen können. Darin finden sich auch alle weiteren geplanten Veranstaltungen. Der Flyer liegt zudem in diversen Einrichtungen aus.

*Kooperationspartner und Veranstalter sind das Team Gleis 21/Stellwerk/JMD (Jugendmigrationsdienst), Kreissportjugend, Landessportverband S.H., Stadtjugendpflege, Straßensozialarbeit

** Kooperationspartner und Veranstalter sind die Migrationsberatung Mölln, die Ev.-Luth. Kirchengemeinde Mölln, das Familienzentrum, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Mölln und das Amt Breitenfelde

*** Kooperationspartner und Veranstalter sind die Gemeinschaftsunterkunft Gudow und der Runde Tisch für Flüchtlinge Gudow

**** Kooperationspartner und Veranstalter sind die Beratungsstelle ehrenamtliche Flüchtlingshilfe und die Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Ratzeburg

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Ausstellungen

Multimediale Grenzgeschichte(n) für die nächste Generation

Seit Anfang August ist der Umbau im Grenzhus Schlagsdorf abgeschlossen. Die Besucher dürfte es freuen: Sie bekommen eine moderne und höchsten Ansprüchen genügende Ausstellung zu Gesicht. Dabei punktet sie sowohl optisch als auch inhaltlich. Medienstationen mit Filmen sowie Schautafeln mit aussagekräftigen Bildern und Texten sind übersichtlich miteinander verzahnt. Diverse Zeitzeugen kommen zu Wort, es gibt Exponate und bewegte Bilder von der Grenzöffnung in Mustin.

„Ausgangspunkt für die Neugestaltung war uns die Frage“, sagt Grenzhus-Leiter Andreas Wagner, „wie führen wir die nächsten Generationen an das Thema heran? Wir müssen uns ja darauf einstellen, dass dann Leute kommen, die keine eigenen Erfahrungen mit der deutsch-deutschen Geschichte gemacht haben.“ Deshalb enthalte die Schau einen Prolog, der in diesen Teil der deutschen Vergangenheit einführt, und einen Epilog, der das Geschehene noch mal Revue passieren lässt und sich fragend der Gegenwart nähert: Welche Rolle spielen Grenzen in unserem heutigen Leben? „Bis 2013 war die politische Botschaft schließlich ein grenzenloses Europa“, erinnert Wagner. Dieser Blick auf Grenzen habe sich mittlerweile geändert. Plötzlich hätten Grenzen eine Schutzfunktion.

Doch bevor der Besucher in den Dialog mit dem Epilog tritt, durchläuft er die Ausstellungsräume, die inhaltlich in fünf verschiedene Schwerpunkte aufgeteilt sind. Darunter befindet sich auch das Thema „Natur und Grenze“. Die Einbettung der Natur in die Grenzgeschichte sei neu, so Wagner. Sichtbares Zeugnis sei das im Grenzgebiet entstandene „Grüne Band“.

Die weiteren Schwerpunkte, die dem Besucher chronologisch vermittelt werden, sind das Alltagsleben im Grenzraum, Grenze und Machtsicherung, die Durchlässigkeit und die Grenzöffnung.

Insgesamt mehr als eine Million Euro wurden in die Neugestaltung investiert. Unterschiedliche Fördergeber haben sich an der Finanzierung beteiligt: der Bund, das Land Mecklenburg-Vorpommern, die Europäische Union sowie die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Darüber hinaus haben Netzwerkpartner, Leihgeber und Archive zum Gelingen beigetragen.

Die Ausstellung, die den Titel „Eingrenzen und Ausgrenzen. Die Geschichte der innerdeutschen Grenze zwischen Ostsee und Elbe“ trägt, ist montags bis freitags in der Zeit von 10 bis 16.30 Uhr sowie sonnabends und sonntags zwischen 10 und 18 Uhr zugänglich. Weitere Infos gibt es unter www.grenzhus.de.

Foto: Grenzhus

Grenzhus-Leiter Andreas Wagner im Interview und Infos zu einer laufenden Ausstellung:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/20/ich-war-vom-sozialismus-ueberzeugt/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/20/heimat-ich-bin-ein-mensch-2/

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Nördlich der A24

Wenn Leben gelingt

Zum Auftakt der Kultur- und Umweltwochen des Forums für Kultur und Umwelt gastiert am Freitag, 31. August, der bekannte Journalist Franz Alt im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg (Ratzeburg). Sein Festvortrag trägt den Titel „Wenn Leben gelingt – Anleitung zum Glücklichsein“. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr.

Der bekannte Journalist und Philosoph Dr. Franz Alt wird über seine neueste Veröffentlichung berichten. Darin geht es unter anderem um ungelöste Probleme in Politik, Umwelt, Religion und Gesellschaft. Franz Alt erklärt, warum alles mit allem zusammenhängt. Auch wirft er die Frage auf, wo heute eigentlich der große Lebensentwurf geblieben ist. Viele Menschen fühlen sich abgehängt, andere wiederum wie in einem Hamsterrad gefangen. Er rät dazu, dass die von Menschen verursachten Probleme auch von Menschen gelöst werden sollten. Franz Alt vertritt die These: „Du kannst die Probleme selbst lösen. Nimm die Herausforderung an!“

Das Buch ist ein kleines Hoffnungsversprechen an alle, die sich vom Alltag und der heutigen Zeit überfordert fühlen. „Der Sinn unseres Hierseins ist doch, dass wir glücklich werden“, behauptet Franz Alt, aber auch: „Zu einem gelingenden Leben gehört, dass wir zum Glück nicht immer glücklich sein müssen.“

Foto: Bigi Alt

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Vorfahrt für die Jugend

Aufpassen hat auch Vorteile

Der folgende Text stammt aus der Feder von Leni Nörenberg (Foto). Im Rahmen des Schreibwettbewerbs „Wanted: Junge Autor*inn*en“, initiiert von der Stiftung Herzogtum Lauenburg, belegte sie mit ihrem Beitrag in der Altersgruppe der Sechs- bis Elfjährigen den ersten Platz.

Die alte Uhr gab ein leises ticken von sich. Gelangweilt blickte ich durch die Fensterfront. Ich sah die blätterlosen Äste im peitschenden Wind tanzen. Beim Zurücklehnen knarrte der jahrealte Holzstuhl fürchterlich und so alt wie er aussah fühlte er sich auch an. Zudem ging er im Partnerlook mit dem Tisch. Es herrschte diese grausame Stille in der man anfängt irgendwelche Stimmen zu hören und sich über alles Mögliche den Kopf zerbricht. Letztendlich bereue ich es dann auch. Spätestens wenn ich drangenommen werde. „Anika!“ Meistens bekommt man in diesem peinlichen Moment kein Wort mehr aus seinem Mund. „Anika, erläutere bitte die Situation in dem Roman mit deinen eigenen Worten“, krächzte Frau Stelzinger. Ich schluckte und suchte völlig ratlos den Anfang: Ähm…ich fand…also es war.“ Sie blickte mir enttäuscht direkt in die Augen. Ihr Blick war kühl und hart, irgendwie tat es weh sie anzusehen. Auf ihrer Stirn bildeten sich mehrere Falten und sie zog langsam ihre rote, kreisrunde Brille auf die Nasenspitze. Sie schüttelte den Kopf und dann war ich wieder weg. Nicht wie immer, es war irgendwie anders. Ich sah schwarz und versuchte mich aus dieser Situation zu schreien, aber es kam nichts heraus. Kein Ton. Nur ein keuchen. Bis ich hart mit dem Rücken auf den Boden aufschlug. Kurze Zeit plagten mich starke Atemprobleme. Als ich langsam zu mir kam und meine Augen öffnete wollte ich wieder kreischen. Ich war zwar aus dem Unterricht heraus, ich glaube kaum das zu sagen, aber ich wünsche mich zurück! Blutrote Augen starrten mich an. Der Gesichtsausdruck der Bestie war fast so schrecklich wie Frau Stelzingers. Aber nur fast. Etwas Sabber tropfte auf meine Wange. Angewidert wischte ich es hinunter und begann mich Stück für Stück auf allen Vieren zurück zu bewegen. Mühsame Arbeit vor allem, weil die Bestie immer wieder nachrückte. Mittlerweile kam es immer näher. Sein Atem stank zum einen fürchterlich und außerdem drohte mein Herz aus meiner Brust zu springen. Ich hatte schreckliche Angst und suchte verzweifelt einen Weg aus dieser verzwickten Lage. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir ja nicht mal Gedanken darüber gemacht wie ich mich eigentlich vom Deutschunterricht in Sekundenschnelle in einem Urwald wiederfinden konnte. Direkt unter dem Maul einer riesigen Bestie mit messerscharfen Reißzähnen, die durch das jetzige aufreißen sehr bedrohlich wirkten und so würden sie sich bestimmt auch anfühlen. Ausprobieren wollte ich es verständlicherweise nicht. Also kroch ich noch etwas schneller und noch ein bisschen. Ich presste meine Augenlieder fest zusammen. Vielleicht würde ich so zurückkommen, aber Fehlanzeige.

Während mir die Angst zu Kopf stieg verzweifelte ich immer mehr. Ich suchte krampfhaft einen Ausweg bis… Sich der Boden unter mir auflöste. Zentimeter für Zentimeter ging das Gras in einem Meer aus schwarzen Flecken unter. Aufgeregt tätschelte ich über das noch übrig gebliebene des Untergrundes. Neugierig schob ich meine Hand in eines der Löcher. Kreischend musste ich feststellen, dass mein Arm verschlungen wurde. Unter Panik versuchte ich mich aus dem Loch zu zerren. Ich wurde immer tiefer hinuntergerissen. Bis ich bis zur Schulter weg war. Es fühlte sich an als würde mein Arm abgerissen werden. Ich holte tief Luft, denn der Sog war so stark, dass mein Kopf nun im Loch hing. Bevor ich mich retten konnte verschwand ich völlig. Ich schlug Purzelbäume und Pirouetten. Schwerelos flog ich durch einen violett leuchtenden Tunnel. Ich war so fasziniert von den bunten Farben, dass ich auch das Schreien aufgehört hatte. Als die Schwerkraft leider ohne Vorwarnung zurück kehrte schlug ich erneut hart auf und rieb mir schmerzerfüllt den Kopf. Ich war weder in diesem komischen Urwald noch in Deutsch. Mein Kopf dämmerte und ich konnte einige Minuten nicht klar denken geschweige denn gerade laufen. Das einzig Gute war, dass man dort nicht gefressen wurde. Es war eigentlich gar nicht so schlecht dort im Vergleich zu meinem vorherigen Aufenthaltsort. Langsam wurde ich wirklich hungrig, aber jetzt schien kein guter Zeitpunkt dafür zu sein. So sahen das scheinbar auch die zwei die auf mich zu kamen. Sie waren nicht sehr hübsch, wirkten unhygienisch und sahen nicht besonders sympathisch aus. Zudem waren sie völlig identische Kopien von einander, was mich leicht beunruhigte. In den meisten Filmen sieht man, dass Zwillinge gruselig sind und dich gelegentlich umbringen wollen.

,,Hey, ich bin Marielynn und das ist Marieann. Willst du mit uns spielen?“, die zwei hatten auch noch diese psychisch kranke Stimme, die mir die Haare sträubte. Apropos Haare, die der beiden waren blond, braun mit einem leichten grün Stich. Sie waren verfilzt, bildeten große Klumpen und standen willkürlich von ihren kleinen Köpfen ab. Ihre Gesichter waren kreideweiß und sie hatten bis auf die Knochen magere Finger auf denen man jede Ader sah. Ich wich einen Schritt zurück. Marielynn und Marieann streckten ihre kurzen Arme aus, die zarten Stöckchen ähnelten. ihre sumpfgrünen Augen waren weit aufgerissen. Sie lächelten und hielten ihre wohlgeformten Köpfe leicht schräg. Mit großen Schritten kamen sie näher. Sie waren unglaublich schnell und als ich unglücklicherweise über einen Stein stolperte, was im Übrigen sehr schmerzhaft war, hielten sie ihre Köpfe über meinen. Ich keuchte und zwang mich nicht auf zu schreien. Ihre Händchen griffen meinen Hals und quetschten meine Kehle fest zusammen. Ich schnappte nach Luft während ich versuchte mich aus ihren festen Griffen zu befreien. Für so magere zwei Mädchen waren sie außerordentlich kräftig, aber nachdem ich ihnen einen festen Tritt gegen die Schienbeine verpasst hatte ließen sie von mir ab. Meine Chance, die ich auch ausgiebig nutzte, indem ich aufsprang, ihnen wirklich nur aus Sicherheit und vielleicht einem Fünkchen Wut noch einmal auf die Füße trat und mich anschließend aus dem Staub machte. Als ich beim Umdrehen bemerkte, dass sie mich gar nicht verfolgten verlor ich etwas an Tempo. Trotz dessen flüchtete ich hinter einen Felsen. Dort war es ziemlich grau. Schwarze Bäume erstreckten sich hoch in den Himmel, aber von Blättern keine Spur. Vor Nebel konnte ich nicht zwei Meter weit schauen.

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Ich fühlte wie sie näherkamen, ihr warmer Atem hing mir im Nacken und als ich mich langsam drehte überfiel mich ein Schock. „Anika! Hallo Anika!“ Ich schlug vor Schreck mit dem Kopf auf den Tisch. „Was fällt dir ein? Es ist Unterricht, das gibt ein Gespräch mit deinen Eltern.“ ,,Nur ein Traum!“ rief ich erleichtert und meine Klasse brach selbstverständlich vor Lachen zusammen. Frau Stelzinger verstand allerdings keinen Spaß und blieb knallhart. Ich bekam einen Heidenärger, den ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschte. Also ich kann euch nur ans Herz legen: egal wie müde ihr seid, egal wie langweilig der Unterricht auch ist haltet euch wach sonst wisst ihr was euch blüht und falls es doch passiert: hoffe ich ihr träumt wenigstens gut und bekommt nicht allzu viel Ärger.

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Nördlich der A24

„Mit Till würde ich kein Bier trinken gehen“

Martin Maier-Bode ist Kabarettist und Autor. Der gebürtige Rheinländer hat die Till Eulenspiegel-Festspiele 2018 inszeniert. Die Freude am Sprachwitz entdeckte er als Jugendlicher. Sein Vater drückte ihm damals einen Band mit Gedichten von Kurt Schwitters in die Hand. Dessen dadaistische Texte inspirierte seine Freunde und ihn zu einem öffentlichen Auftritt. Maier-Bode war davon so ermutigt, dass er anfing, eigene Texte zu verfassen und sich als Kabarettist auf die Bühne zu stellen. Mit Erfolg: Unter anderem ist er heute Chef-Autor des MDR-Kabarettformats „Kanzleramt Pforte D“. Zudem ist er Mitglied des Ensembles des Düsseldorfer Kom(m)ödchens und tourt mit seinem Soloprogramm „Kabarett alternativlos“ durch die Republik.

Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit ihm über Karneval, Till Eulenspiegel und über die Frage, ob Humor grenzen hat.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Maier-Bode, Sie sind gebürtiger Düsseldorfer – da denkt man sofort an Karneval. Sind Sie Karnevalist?

Martin Maier-Bode: Nicht so richtig. Es gibt da eine Alternative – eine sogenannte Sitzung. Sie heißt „Stunk“. An der stricke ich selbst mit. Da bin ich Autor und Regisseur.

KP: Was gefällt Ihnen nicht am Karneval?

Maier-Bode: Die verordnete Fröhlichkeit und dass er organisiert ist. Wenn sich Vereinsstrukturen entwickeln, ist die Gefahr groß, dass das eine völlig verkrampfte Veranstaltung wird. So etwas passt nicht zum wilden Humor.

KP: Karneval ist ja traditionell das Ereignis, wo der Obrigkeit mal so richtig die Leviten gelesen werden. Gefällt Ihnen das?

Maier-Bode: Ich finde das gehört zur demokratischen Kultur. In der Demokratie muss man Wort und Bild frei nutzen können. Wie beim Karneval oder auch bei den Satiresendungen im Fernsehen. Das alles sind zum Teil gute Ergänzungen zum Meinungsbild. Eine Sendung wie ‚Die Anstalt‘ beispielsweise ermöglicht, dass die Leute hinter die Strukturen schauen können.

KP: Wenn Sie das so sehen, müsste Ihnen Till Eulenspiegel ziemlich sympathisch sein.

Maier-Bode: Sympathisch? Was Eulenspiegel macht, ist eher zweischneidig. Sein Humor ohne Rücksicht auf den Stand der Person hat für mich schon etwas mit unserer Aufklärung zu tun. Da schimmert die Freiheit von Humor durch. Aber er setzt mir zu sehr auf Schadenfreude. Für mich ist das keiner, mit dem ich gerne ein Bier trinken würde.

KP: Ist Humor wirklich frei?

Maier-Bode: Da muss man immer über Funktionen nachdenken. So einer wie Eulenspiegel kann als Typ unheimlich viel bewegen. Am Ende besteht aber die Gefahr, dass da ein großer Zyniker drinsteckt. Das interessiert mich nicht als Mensch. Ich bin überhaupt kein Zyniker. Ich gehe da eher mit Kurt Tucholsky, der war nicht nur Satiriker, sondern auch Moralist. Auch ‚Die Anstalt‘ finde ich toll. Da merkt man, die wollen was, die schmeißen sich voll rein. Ich mag auch Jan Böhmermann – da steckt ein großer demokratischer Geist hinter.

KP: Ist Eulenspiegel ein Zyniker?

Maier-Bode: Er ist zumindest verantwortungslos und kein Menschenfreund. In meinem Stück finden wir ihn zunächst als zeitgenössischen Grobian auf und machen ihn dann zu einem zeitlosen Modell, indem er lernt, Menschen zu lieben.

KP: Als zeitgenössischer Grobian ist Eulenspiegel in die Geschichte eingegangen. Einerseits – andererseits ist er womöglich eine äußert aktuelle Figur. Ich denke da an den hässlichen, brutalen und menschenfeindlichen Humor, der sich in den sozialen Medien Bahn bricht und der mit Donald Trump seine politische Verkörperung gefunden hat.

Maier-Bode: Ich würde vielleicht sagen, Trump ist ein zu Macht gekommener Eulenspiegel. Eulenspiegel funktioniert aber nur, wenn er keine Macht hat – weil er jemand ist, der Fragen stellt. Was den menschenfeindlichen Humor anbelangt, so ist festzuhalten, dass man Verantwortung für das eigene Wort – die eigene Sprache hat. Das fehlt Trump. Das fehlt auch Seehofer, wenn er verniedlichend vom ‚Asyltourismus‘ spricht. Der Eulenspiegel-Humor wiederum kann für Engstirnigkeit stehen, aber auch dafür, dass alle Menschen gleich sind. Wir wollen, dass er für letzteres steht.

KP: Womit wir bei Ihrer Arbeit wären. Wie ist es zu Ihrem Engagement für die Eulenspiegel-Festspiele gekommen?

Maier-Bode: Der Regisseur der letzten Festspiele – Dominik Pätzholdt – ist ein guter Freund von mir. Der hatte gegenüber Kurdirektor Jochen Buchholz meinen Namen erwähnt. Als Herr Buchholz mich dann fragte, ob ich mir ein Engagement vorstellen könnte, war ich sofort interessiert. Eulenspiegel ist für einen Satiriker einfach eine spannende Figur.

KP: Wie ging es dann weiter?

Maier-Bode: Als Nächstes habe ich dann die Leute vor Ort kennen gelernt. Ich stieß da auf einen netten und engagierten Haufen, der für Leben im Ort sorgen will.

KP: Sie haben dann nicht nur den Posten des Regisseurs übernommen. Sie haben auch noch das Stück „Im Rausch der Zeit“ selbst geschrieben…

Maier-Bode: Ja, wobei das Schreiben weniger ein Problem war als die Inszenierung. Weil ich auch noch so viel spiele, haben wir das Konstrukt mit Sascha Mey als Co-Regisseur entwickelt.

KP: Und funktioniert es?

Maier-Bode: Ich hatte Sascha Mey in Krefeld mal als Regie-Assistent erlebt, aber dass die Zusammenarbeit so gut sein würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Uns beide kann man vermutlich nachts wecken und wir geben auf Fragen zur Inszenierung dieselbe Antwort. Das ist wirklich ein Geschenk!

KP: Sascha Mey und Sie sind beide Profis. Bei den Eulenspiegel-Festspielen haben Sie es mit einem reinen Laienensemble zu tun. Wie bewerten Sie dessen Leistung?

Maier-Bode: Unsere Darsteller haben allesamt ein sehr hohes Niveau erreicht. Das Stück basiert auf einem schnellen Dialogtext, was eine große Herausforderung bedeutet, weil die Darsteller das Timing einhalten müssen. Und das tun sie.

KP: Teilweise tummeln sich mehr als 30 Leute auf der Bühne. Ganz schön schwer als Regisseur, aber auch als Zuschauer den Überblick zu behalten. War die große Besetzung von vornherein geplant?

Maier-Bode: Nein. Wir haben Anfang September ein Casting gemacht. Das war insofern auch sinnvoll, weil ich mich noch mitten im Schreibprozess befand. Das Casting lief dann so gut, dass wir dann fast alle Menschen mitgenommen haben.

KP: Herr Maier-Bode, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Weitere Links:

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/13/nicht-tot-zu-kriegen/

https://kulturportal-herzogtum.de/2018/08/06/im-rausch-der-zeit/