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Einen Ort der Erinnerungskultur neu entdecken

Für Franz ist ein Friedhof nichts weiter als ein großer Haufen Schutt und Knochen. Warum sollte er so einem Ort seine Aufmerksamkeit schenken? Sabina hingegen, seine Freundin, liebt Friedhöfe. Sie geht dort gerne spazieren und unterhält sich mit ihren Vorfahren. Ob sie mit Franz jemals darüber gesprochen hat? Wohl kaum. Ihre unterschiedlichen Sichtweisen tauchen schließlich im „Kleinen Verzeichnis unverstandener Wörter“ auf, einem Kapitel des Romans „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Darin formuliert Milan Kundera klare Gegensätze zwischen seinem Helden und seiner Heldin.

Franz – Kundera schrieb seinen Roman in den 80er Jahren – dürfte mit seiner Haltung gut in die Gegenwart passen. Im Jahr 2021 wird es nicht wenige Menschen geben, die lieber einen Bogen um Friedhöfe machen. Sei es, weil sie mit dem Ort an sich nichts anfangen können. Sei es, weil sie nicht mit Vergänglichkeit, mit Tod und Sterben konfrontiert werden wollen.

Jemandem wie Christian Lopau ficht dies nicht an. Lopau, Möllns Stadtarchivar, hat von Berufs wegen Interesse an Friedhöfen. „Friedhöfe“, stellt er fest, „sind Orte der Identität und der Erinnerungskultur.“ Zusammen mit Möllns Friedhofsverwalterin Sybille Lübcke und Möllns Behindertenbeauftragten Thorsten Blasey versucht er die Presse und damit die Öffentlichkeit von dieser Sicht der Dinge zu überzeugen.

Der Ort dafür – der Alte Friedhof – ist gut gewählt. 1840 gegründet finden sich hier zwischen großen Bäumen und zusammengehakten Laubbergen sehr viele alte und imposante Gräber. In der Herbstsonne sichtbar sind aber auch viele eher unauffällige Grabflächen. Sie zeugen davon, dass die Bestattungskultur einem extremen Wandel unterlegen ist. Ein Fakt, der allgemein viel über die Entwicklung einer Gesellschaft aussagt und bei der Kirchengemeinde für Kopfzerbrechen sorgt. „Vor 30 Jahren war die Sargbestattung noch die Regel“, sagt Lübcke. „Heute ist es die Urnenbestattung.“ Und das hat Folgen: Die Friedhofsverwaltung muss mit geringeren Einnahmen klarkommen und statt mit Flächenmangel hat sie plötzlich mit vielen Freiflächen zu tun. „Für die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung bedeutet das wiederum mehr Arbeit“, so Lübcke.

Um diesen Wandel aktiv und positiv zu gestalten, hat die Kirchengemeinde Mölln seit kurzem einen Friedhofsausschuss, dem neben Lopau und Blasey Pastorin Eva Sonny-Lagies angehört. „Wir möchten die Friedhöfe als solche erhalten“, erklärt Lopau. Dafür sammele der Ausschuss aktuell Ideen. Vorstellbar seien beispielsweise Grabpatenschaften. Zudem wolle man über soziale Medien oder über einen neuen Friedhofsführer aktiv für seine Anliegen werben. „Vielen“, so Lopau, „ist einfach nicht bewusst, was sie an unseren Friedhöfen haben.“

Um daran etwas zu ändern, lädt der Friedhofssauschuss am Sonnabend, 20. November, um 11 Uhr zu einer ersten Veranstaltung ein: Einen Tag vorm Ewigkeitssonntag gibt es unter der Führung von Archivar Lopau eine Führung über den Alten Friedhof in Mölln. Treffpunkt ist der Haupteingang an der Hindenburgstraße.

Die Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg ist Premiumpartner der Stiftung Herzogtum Lauenburg.

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„Im Sterben & Tod liegt ganz viel Leben“

Der November ist der Monat des Gedenkens. Nach Allerheiligen, Allerseelen und dem Volkstrauertag bildet der Totensonntag, der Gedenktag der evangelischen Christen für die Verstorbenen, den Abschluss der Gedenktage. Doch im Grunde sind Tod, Trauer und Gedenken ständige Begleiter des Lebens.

Dementsprechend gibt es für den Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg mit Mareike Hansen eine Pastorin, die für die Trauer- und Hospizseelsorge zuständig ist. Das Amt hat die 40-Jährige im Sommer dieses Jahres übernommen.

Wie schafft sie es, mit Themen umzugehen, die viele Menschen am liebsten vermeiden? „Im Sterben und im Tod liegt ganz viel Leben“, sagt Mareike Hansen voller Überzeugung. Das Thema sei immer existenziell und geht sofort in die Tiefe. „Ich habe wohl eine Affinität zu diesen Themen“, so Hansen. In ihrer bisherigen Arbeit hätten Trauergespräche für sie immer eine Bereicherung dargestellt. „Man hat dort sofort das pralle Leben.“ Ohnehin der Tod: „Für mich als tiefgläubiger Mensch ist das ein Übergang, wie eine Verwandlung.“

Mareike Hansen ist gebürtige Lübeckerin. Sie hat in Bethel, Münster und Kiel studiert und im Anschluss das Vikariat in Berkenthin angetreten. Nach siebenjähriger Tätigkeit in Ratzeburg war sie für eineinhalb Jahre an der Kirchengemeinde St. Jürgen tätig. Hier hat sie unter anderem das Team des Online-Gottesdienstes #Liveline ergänzt. „Dort habe ich viel gelernt, das Team ist wirklich toll und hat mir ganz neue Perspektiven eröffnet“, sagt sie.

Mareike Hansen ist unter der Rufnummer 0176-19790298 oder per Mail unter mhansen@kirche-ll.de erreichbar.

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Letzte Ruhestätte als Oase für Mensch & Tier

Nachhaltigkeit ist ein elementares Thema, wenn es um die Friedhöfe geht. „Wir achten in allen Bereichen – von der Grabgestaltung bis zur Bestattung selbst – auf einen aktiven Umweltschutz“, sagt Bernd K. Jacob, der Friedhofsbeauftragte des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg. Eine der vielen mustergültigen Gemeinden ist St. Andreas in Kuddewörde. Dort ist vor kurzem sogar ein Bienenvolk auf dem Friedhof angesiedelt worden.

Imkerin Dorothea Tilge und Friedhofswartin Dörte Rausch sind ein eingespieltes Team. Wenn es um die Grabflächen rund um die Gemeindekirche St. Andreas geht, dann haben sie unzählig viele Ideen, „wie unsere kleine Oase für Mensch und Tier“ noch schöner, noch umweltfreundlicher werden kann. Der Friedhof, idyllisch am Rande eines Naturschutzgebietes gelegen, ist mitnichten nur ein Ort der Trauer. „Es kommen auch viele Menschen her, um die Natur, die Stimmung, die Ruhe und den Ausblick zu genießen“, sagt Dörte Rausch.

Doch nicht nur bei den Kuddewördern ist der Ort beliebt: „Als Kirchengemeinde haben wir in den vergangenen Jahren viel in den Umweltschutz investiert – das zahlt sich mehr und mehr aus“, erläutert Imkerin Dorothea Tilge, zugleich Kirchengemeinderätin. So wurde eine Streuobstwiese angelegt, bienenfreundliche Setzlinge und Schmetterlingssträucher gepflanzt.

„Wir leisten überdies viel Aufklärungsarbeit, wenn es um die Bepflanzung der Grabstätten geht“, sagt Friedhofswartin Dörte Rausch. Tatsächlich ist nicht alles, was blüht, auch automatisch gut für Bienen und andere Insekten. So manche klassische Grab- oder Gartenpflanze mögen diese nämlich gar nicht: „Das beginnt bei Tulpen und Zuchtrosen, erstreckt sich über Forsythien und Lebensbäume und endet bei Stiefmütterchen und Geranien“, zählt Dorothea Tilge auf.

Die Bewahrung der Schöpfung ist den beiden wichtig – und trägt in Kuddewörde sichtbar Früchte. Ein Blick auf viele Gräber und den Friedhof, wo Sonnenblumen, ungefüllte Rosen und Astern, Malven oder Beerensträucher wachsen, beweist dies eindrucksvoll.

Seit einigen Wochen beheimatet der Friedhof im Billetal sogar ein eigenes Bienenvolk. Mitten auf dem Friedhof hat die Imkerin einen kleinen Schaukasten aufgestellt, bei dem die Besucher des Friedhofs den Insekten durch eine Glasscheibe bei der Arbeit zuschauen können. „In den nächsten Wochen muss ich das Bienenvolk zwar erstmal ins Winterquartier bringen, im Frühjahr geht es aber weiter“, kündigt Dorothea Tilge an. Sie und Friedhofswartin Dörte Rausch haben bereits jetzt Ideen für weitere Aktionen – planen einen Thementag im Frühling und Projekte mit Kindern.

Ein Beispiel von vielen, auf das Bernd K. Jacob als Friedhofsbeauftragter des Kirchenkreises stolz ist. „Es gibt eine Reihe weiterer Friedhöfe, die ungenutzte Flächen mit eigenen Saatmischungen bunt erblühen lassen“, sagt er. In den Kirchengemeinden gebe es ein hohes Bewusstsein, wie elementar die Erinnerungsgärten für die Pflanzen- und Tierwelt mitten in Orten und Städten sind. „Es werden Totholzhecken als Zufluchtsort und Brutraum für kleine Nager und Vögel angelegt. In neuen Grabanlagen achten die Gärtnerinnen und Gärtner auf eine blühende Vielfalt – Sommerstauden als Nahrung für Insekten, abwechslungsreiche Licht- und Schattenbereiche, Wasserstellen für Vögel, Bienen und Hummeln“, führt der Friedhofsbeauftragte exemplarisch auf.

Trauerfloristik mit Plastik oder anderen nicht verrottbaren Werkstoffen sind ebenso tabu wie Grabsteine, die mit Kinderarbeit produziert wurden. Natursteine, Holz, geschmiedetes oder gegossenes Metall sind vielerorts Trumpf. Jacob bringt das Bestreben vieler Kirchengemeinden auf den Punkt: „Der Friedhof ist ein Garten des Lebens, in dem sich die Vielfalt von Gottes Schöpfung und christlicher Verantwortung für die Umwelt zeigt.“

Foto: KKLL/bm

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