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„Archive sind die Gedächtnisse unserer Gesellschaft“

Wer Christian Lopau einen Besuch an seinem Möllner Arbeitsplatz abstatten will, muss ein wenig aufpassen, dass er nicht vom Weg abkommt. Bis zu seinem Schreibtisch sind es ein paar Treppenstufen. Das Archiv der Eulenspiegelstadt, das im Rathaus untergebracht ist, befindet sich direkt unter dem Dach. Hier geht Lopau, der in Hamburg Germanistik sowie Mittlere und Neuere Geschichte studiert und das Studium 1988 mit dem Magister-Titel abgeschlossen hat, seiner Arbeit als Archivar nach. Das Büro: zwei Glaskästen, in dem Lopau und sein Kollege Hans Werner Kuhlmann, Leiter des Fotoarchivs, ihre Büros haben. Dahinter öffnet sich der Blick auf das Archiv. Bevor er mit Kulturportal-Herzogtum.de über seine Arbeit spricht, stellt er noch schnell sein Arbeitsreich vor.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Lopau, wozu braucht es eigentlich Archive?

Christian Lopau: Unser Menschsein beruht auf der Weitergabe aus Gelerntem und Wissen. Diese Weitergabe ist – erweitert durch die Schrift – zu ganz neuen Dimensionen gekommen. Archive sind die Gedächtnisse unserer Gesellschaft, einer Stadt, einer Region. Es ist wichtig, bestimmte Dinge zu dokumentieren und zu bewahren – beispielsweise für die Stadt die Stadtrechte.

KP: Sieht die Politik das genauso?

Lopau: Es gibt die gesetzliche Verpflichtung durch das Landesarchivgesetz von 1992. Da bin ich dankbar, dass wir diese Grundlage für die Kommunen und die öffentliche Hand haben. Mehr Unterstützung kann man aber immer gebrauchen. In den 80er Jahren war die Bereitschaft zweifellos größer, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Heute stehen andere Dinge wie die Digitalisierung mehr im Fokus. Das Bewusstsein für historische Dinge schwindet.

KP: Woran machen Sie das fest?

Lopau: Es fehlt oft das Interesse, sich mit Ursachen für bestimmte Entwicklungen zu beschäftigen. Wenn die Gesellschaft Zusammenhänge aber nicht mehr erkennt, kann das Probleme für die Demokratie mit sich bringen. Ich sehe da eine wichtige Aufgabe unserer Archive: Indem sie politisches Handeln sichtbar machen, sind sie auch wichtige demokratische Institutionen. Gegenwärtig stehen andere Dinge im Vordergrund. Wir werden oft als eher als Kultureinrichtung wahrgenommen.

KP: Wie steht es denn um die strukturellen Voraussetzungen, um die Ziele eines modernen Archivwesens zu erfüllen?

Lopau: Das Möllner Archiv ist ein Provisorium. Idealerweise bräuchten wir klimatisierte Räume. Wenn wir im Sommer hohe Temperaturen haben, haben wir keine Chance das zu regeln. Das geht weiter mit der personellen Ausstattung. Gerade was die Übernahme digitaler Daten anbelangt. Diese Daten müssen auch bearbeitet werden. Das werden wir so nicht machen können. Da fehlt das Know-how. Wir denken aktuell über Verbundlösungen nach. Das Bewusstsein für die Problematik ist in Verwaltung und Politik noch nicht da. Ein großer Wunsch ist zudem, mehr Platz zu haben. Aber Platzprobleme haben fast alle Archive.

KP: Sie haben gesagt, dass Archive häufig als Kultureinrichtung auftreten. In Ihrem Falle muss man diese Aussage unterstreichen. Sie geben Vorträge, bieten Radtouren und geführte Joggingtouren an. Mit dem Klischee des Archivars, der sich in abgedunkelten Räumen um alte verstaubte Akten kümmert, hat das nichts zu tun. Kommt Ihnen diese Art der Öffentlichkeitsarbeit zugute? Stärkt das die Akzeptanz?

Lopau: Ich denke schon, dass wahrgenommen wird, dass wir als Institution da sind. Die Leute rufen beispielsweise an, wenn sie einen Nachlass auflösen oder eigene Dinge durchgucken. Oder sie schreiben eine Mail. Zudem sind die Vorträge gut besucht. Das Publikum ist da eher 50 plus. Zum Tag der Archive wenden wir uns in diesem Jahr besonders an die Schulen. Damit erreichen wir die jüngere Generation, die sieht, was das überhaupt ist – ein Archiv.

KP: Sie sind Leiter der Archivgemeinschaft Nordkreis Herzogtum Lauenburg und damit für die Stadtarchive Mölln und Ratzeburg sowie die Amtsarchive Berkenthin, Breitenfelde, Lauenburgische Seen und Sandesneben-Nusse zuständig. Wie schaffen Sie es, all die Veranstaltungen und die Anforderungen, die das Archivwesen an Sie stellt, unter einen Hut zu bringen?

Lopau: Ich überlege mir schon sehr genau, was ich machen kann. In einem Ein-Mann-Archiv mit Unterstützung von ehrenamtlichen Kräften muss man gucken, wie man zurechtkommt. Die Vermittlung und der Kontakt mit den Menschen sind mir aber eine Herzensangelegenheit und ich sehe, dass es heutzutage neue Wege braucht, zu zeigen, welche Bedeutung Geschichte hat.

KP: Ich bleibe beim Thema Zeitmanagement. Schon die Vorträge, die Sie halten müssen doch unheimlich viele Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. 

Lopau: Das ist auch eine Sache der Erfahrung. Wenn ich ein Thema neu erarbeite, kann ich auf bestimmte Stücke zurückgreifen. Weil ich diese Arbeit schon so lange mache, ist mir die grundlegende Literatur vertraut und ich kenne Leute, die zu ganz bestimmten Themen arbeiten. Dadurch komme ich an die neuesten Aufsätze.

KP: Der Aufwand für die Öffentlichkeitsarbeit ist eine Sache. Bleibt noch die klassische Arbeit des Archivars…

Lopau: Ich bin sehr strukturiert in allem, was ich mache. Anders ließe sich das auch nicht umsetzen. Außerdem habe ich vor Ort Hilfskräfte. Ich gucke, was ich wo veranlassen muss. Man telefoniert auch mal von einem anderen Archiv aus, um etwas zu klären. Die Grundidee ist, dass die Hilfskräfte die Aufgabe mit mir absprechen und dass das dann auch funktioniert – die Sachen nicht liegen bleiben und man sie zu Ende erfolgt. Oft ist man als Archivmanager gefragt. Am Sonnabend bin ich beispielsweise zur Bürgermeisterkonferenz in Berkenthin. Da werde ich meine Archivarbeit präsentieren und den Bürgermeistern anbieten, dass ich mit ihnen die Aktenschränke durchgucke. Was wird gebraucht? Was ist doppelt vorhanden. Amtsausschussprotokolle beispielsweise – die muss man nicht in jeder Gemeinde aufheben. Was archivwürdig ist, übernehmen wir. Die Mitarbeiter müssen die Dokumente dann umheften und ich muss ein Findbuch erstellen.

KP: Wie sieht es allgemein mit der Erfassung von Dokumenten aus? Hinken Sie da hinterher?

Lopau: Wo wir ran müssen, sind aktuelle Bestände aus der Verwaltung. Wenn man einen großen Keller hat, räumt man die Sachen erstmal in einen großen Keller. Das liegt wohl in der menschlichen Natur, dass man das erstmal so wegstellt – bis es irgendwann nicht mehr geht. Die Zeit, das vernünftig zu machen, fehlt mir. Und dann fehlt mir der Platz. Zehn Regalmeter-Akten könnte ich gar nicht aus dem Keller hochholen. Hier im Haus habe ich gerade diesen Fall.

KP: Frustriert Sie das?

Lopau: Am 1. April bin ich 30 Jahre hier. Da guckt man, was hat sich verändert. Es gibt viele Sachen, wo ich sage, das ist ein Glücksfall, dass ich es so machen konnte. Es gibt aber auch Dinge, die hätte ich gerne anders.

KP: Zum Einstieg habe ich Sie nach dem Sinn des Archivwesens gefragt. Zum Schluss richte ich den Blick nach vorn und komme noch mal auf das Thema Digitalisierung zu sprechen. Wie sieht das Archiv der Zukunft aus, wenn die digitale Akte zum Standard geworden ist?

Lopau: Auf Archivtagungen bestimmt das gerade die Diskussion. Ich sehe das prinzipiell sehr positiv, weil es das Ende der hybriden Überlieferung bedeutet. Was wir jetzt haben, ist das Nebeneinander von Ablage in Papierform und digitalen Daten, die jeder auf seinen Server ablegt. Diese Daten, zukünftigen Generationen zugänglich zu machen, ist schwierig. Eine digitale Akte, die vom Einzelnen Disziplin erfordert, bietet die Chance, alles in einem Format zusammenzuführen. Da muss man sich Gedanken machen. Wie sehen die Schnittstellen aus? In welcher Form werden die Daten gespeichert? Wann sind sie für die Öffentlichkeit zugänglich? Wenn die Digitalisierung – unter Einbeziehung der Archive – richtig gemacht wird, ist sie was Gutes. Am Anfang hat man vieles eingeführt, ohne die historische Dimension in Betracht zu ziehen. Das ist auch eine Frage der Kommunikation. Der IT-ler versteht unter Archivierung etwas anderes als der Historiker oder Archivar.

KP: Herr Lopau, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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Mann mit Mission…

Es soll Menschen geben, die sich hinter ihrem Schreibtisch verschanzen, als verteidigten sie eine Burg gegen eine feindliche Übermacht. Sicher ist: Christian Lopau gehört mitnichten zu diesen Kandidaten. Er ist ein kontaktfreudiger Mann, was sich in regelmäßigen Auftritten in der Öffentlichkeit äußert.

Das passt gut in eine Zeit, wo Menschen von Kindesbeinen an darüber nachdenken, wie sie sich in der Öffentlichkeit darstellen und dabei eine möglichst gute Figur machen. Lopau übernahm vor knapp 30 Jahren das Amt des Möllner Archivars. Er begann mit einer halben Stelle. Zuvor hatte sich ein Ehrenamtler um die historischen Zeugnisse der Stadt gekümmert.

Für Lopau war es die Chance, das Feld neu zu bestellen. Er nutzte sie. Dabei halfen ihm fachliche Kompetenz, Freude an der Sache, Weitblick und die beschriebene Offenheit. Vorträge, Rundgänge, Radtouren haben ihn zu einem in der Region bekannten Mann gemacht. Diese Verbindung zur Region findet sich mittlerweile auch in seiner Arbeitsplatzbeschreibung wieder. Seit 2009 ist er Leiter der Archivgemeinschaft Nordkreis Herzogtum Lauenburg, der die Stadtarchive Mölln und Ratzeburg sowie die Amtsarchive Berkenthin, Breitenfelde, Lauenburgische Seen und Sandesneben-Nusse angehören.

Mit seinem Amtsverständnis und seinen Auftritten unterstreicht Lopau, welche Bedeutung das Archiv für das kollektive Gedächtnis hat. Wenn wir keine Ahnung von unserer Geschichte haben, wie bitte sehr sollen wir dann das Wesen und die Funktion von Aufklärung, Pluralismus und Demokratie begreifen? Als das Römische Reich der Antike mit seiner weit entwickelten Verfasstheit und Bürokratie unterging, folgte in Europa das Mittelalter. Eine lange Epoche, die einen langen Anlauf benötigte, um etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen.

Was sagt das? Fortschritt hat keine Zwangsläufigkeit. Ohne kollektives Gedächtnis – und dafür stehen Archive – kann aus Fortschritt Rückschritt werden. Lopau hat das begriffen. Dementsprechend übt er seinen Beruf aus. Der studierte Historiker hat die Zeitläufte im Blick. Er hat registriert, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von Geschichte in Politik und Gesellschaft geschwunden ist, dass es Zeit ist, hier gegenzusteuern. Dementsprechend möchte er, dass das Archiv nicht nur als „kulturelle Einrichtung“ wahrgenommen wird, sondern auch als „demokratische Institution“.

Diese Marschroute verfolgt er ohne Polemik, sondern so – wie es seinem Charakter entspricht. Geradlinig, korrekt, dabei freundlich und mit seinen Gesprächspartnern stets auf Augenhöhe. Ein Glücksfall für die Region.

Helge Berlinke

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Hier erklärt der Archivar

Dauernd unterwegs – das ist Christian Lopau auch im Jahr 2020. Kulturportal-Herzogtum.de hat von ihm eine Liste mit 14 Terminen bekommen. Dabei handele es sich, so der Archivar um eine Auswahl an Vorträgen, Führungen und Tagesveranstaltungen. Mit anderen Worten: Es können noch Termine hinzukommen.

Unter anderem spricht Lopau am 15. März im Rahmen der Frühjahrsversammlung des Heimatbundes und Geschichtsvereins über „Ratzeburger Straßennamen“ (15 Uhr/Ameos Seniorenwohnsitz Ratzeburg) sowie am 21. April über „Ratzeburg als Bildungsstandort“ (19 Uhr/Rathaus Ratzeburg). Am 4. Mai steht in Mölln (19.30 Uhr/Augustinum) der erste Teil seiner Vorträge „Gebäude erzählen Geschichte(n)“ auf dem Programm. Hierbei handelt es sich um eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Möllner Fotoarchiv. Von Mölln geht es wieder zurück in die Domstadt: Am 8. Mai ist sie das Ziel einer geführten Joggingtour unter dem Motto „Tatort Ratzeburg“ (18 Uhr/ab Rathaus Ratzeburg).

Darüber hinaus hält Lopau am Dienstag, 12. Mai, im Möllner Stadthauptmannshof unter dem Titel „Zu Besuch im Herzogtum. Historische Reiseberichte“ einen Vortrag. Im Mittelpunkt steht dabei James Edward Marstons „Wegweiser für Fußreisende in der Umgebung von Hamburg“. Der Vortrag gehört in die Reihe „In weiter Ferne – ganz nah!“, ein Veranstaltungseigen der Stiftung Herzogtum Lauenburg. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Es folgen weitere Veranstaltungen in Mölln: Am 17. Mai geht es unter dem Motto „Im Norden der Stadt“ auf eine Fahrradtour. Es folgt am 19. Mai ein „Rundgang über den Alten Friedhof“. Am 10. August gibt es in Ratzeburg die Joggingtour „Franzosenzeit“.  Am 22. August lädt Lopau zu einem „Seminar zur Kultur und Geschichte der Stadt“. Am 25. August und 12. Oktober stehen dann die Teile II und III der Vortragsreihe „Gebäude erzählen Geschichte(n)“ sowie am 20. Oktober ein „Schriftlesekurs“ auf dem Programm.

Zwischendurch ist der Archivar dann noch mal in Ratzeburg zu erleben. Dort spricht er am 26. Mai über die Ausstellung „Frühe Fotografie“, die im Kreismuseum zu sehen ist.

Von Ratzeburg aus startet am „Tag des offenen Denkmals“ (13. September) zudem eine Radtour im Amtsgebiet Lauenburgische Seen.

Weitere Infos gibt es unter christian.lopau@stadt-moelln.de.

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„Jeder investierte Euro bringt zwei Euro zurück“

Langeweile dürfte für Gitta Neemann-Güntner ein Fremdwort sein und vermutlich auch ein Graus. Wenn die Büchenerin – die von sich selbst sagt, dass sie ein „Bewegungsmensch“ sei – nicht gerade ihrem Job in der Erwachsenenbildung nachgeht, ist die „Freizeit“ oft genug verplant. Für die Sozialdemokraten sitzt sie im Kreistag, hat das Amt der Vorsitzenden des Sozial-, Bildungs- und Kulturausschusses inne und ist obendrein stellvertretende Kreispräsidentin. Zudem ist sie Mitglied im Rat der Stiftung Herzogtum Lauenburg und dann ist da noch ihr Faible für Fernreisen, Sport und Kultur. Hinzu kommen Interview-Anfragen wie die von Kulturportal-Herzogtum.de. Wir sprachen mit ihr über ihr politisches Aufgabenfeld und den Ist-Zustand von Kultur und Kulturförderung im Kreis.

Kulturportal-Herzogtum.de: Was macht die Arbeit einer Vorsitzenden des Sozial-, Bildungs- und Kulturausschusses im Kreis Herzogtum Lauenburg aktuell aus?

Gitta Neemann-Güntner: Die Arbeit im Ausschuss hat viele Facetten und ist sehr vielschichtig. In diesem Jahr wird die Pflege ein großes Thema für uns und im August werden wir den Kreisaktionsplan verabschieden. Da geht es um die Beteiligung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen. Im Bildungsbereich realisieren wir zum Beispiel aktuell den Anbau des Berufsbildungszentrums Mölln und kümmern uns um Baumaßnahmen an unseren Förderzentren in Mölln und Geesthacht.

KP: Wie oft kommen Sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen zusammen, um solche Dinge zu besprechen?

Neemann-Güntner: Wir treffen uns alle vier Wochen und zwar immer bei unterschiedlichen Trägern und Institutionen des Kreises. Wir wollen die Arbeit vor Ort kennen lernen und ins Gespräch kommen.

KP: Kommen wir noch mal auf die inhaltliche Ausrichtung des Ausschusses zu sprechen. Soziales und Bildung sind sowohl finanziell als auch inhaltlich sehr bedeutsame Politikfelder. Wie groß ist die Gefahr, dass die Kultur da unter die Räder kommt?

Neemann-Güntner: Sehr groß. Leider ist die Kultur immer der Bereich, wo am ehesten gespart wird. In der Politik haben andere Themen Priorität. Ich sehe das anders. Jeder in die Kultur investierte Euro bringt zwei Euro zurück. Nicht kurzfristig, aber mittel- und langfristig.

KP: Eine Möglichkeit, der Kultur einen größeren Schub zu geben, wäre es, Bildung und Kultur sowie Soziales und Kultur auch mal zusammenzudenken. 

Neemann-Güntner: Das wäre wünschenswert. Aber in der Bildungspolitik haben wir als Kreis beispielsweise gar nicht die Zuständigkeit*. Allerdings werden Anträge aus dem Kultur-Bereich vom Kreis auch separat bezuschusst, zuletzt gab es bei den Haushaltsberatungen 12.000 Euro für die Galerie im Künstlerhaus Lauenburg und 10.000 Euro für das Projekt „Barlach GoYoung“*. Nicht zu vergessen sind die Mittel an die Stiftung Herzogtum Lauenburg, zuständig für die Kulturarbeit im Kreis.

KP: Ganz allgemein gefragt: Wie steht es um die Kultur im Kreis Herzogtum Lauenburg?

Neemann-Güntner: Wir sind auf einem guten Weg. Als ich 2003 in den Kreistag kam und die Stiftung Herzogtum Lauenburg die Kulturarbeit für den Kreis übernehmen sollte, sah alles nach einer sehr einspurigen Kulturpolitik aus. Darüber haben wir lange und heftig gestritten. Das Ganze hat sich allerdings im Laufe der Jahre zum Besseren gewandelt. Das Team Engelmann/Schlie*** hat die Stiftung mehr geöffnet und die inhaltliche Kulturarbeit in den Vordergrund gestellt. So gibt es mittlerweile einige Angebote für Jugendliche Veranstaltungen im Südkreis. Wir sind uns von allen Seiten in diesem Prozess  nähergekommen.

KP: Sie sehen aber noch Nachbesserungsbedarf?

Neemann-Güntner: Mir fehlen nach wie vor Angebote für junge Leute, etwas mehr als nur das Pegasus-Festival**** eben. Der Kreis-Ausschuss wird sich in diesem Jahr auch mit der Ausstattung unserer Museen beschäftigen, dabei wird moderne Technik eine Rolle spielen müssen, um auch jüngere Besucher anzusprechen. Auch die kulturelle Einbindung der Geflüchteten muss besser werden. Es gibt hier und da immer mal wieder ein Projekt, aber ohne Nachhaltigkeit, das ist sehr schade.

KP: Jenseits dieser Kritikpunkte: Was zeichnet das kulturelle Leben im Kreis aus?

Neemann-Güntner: Wenn ich im Ausland unterwegs bin, sind meine Lieblingsorte Wochenmärkte und Häfen. Das bunte Treiben, die Offenheit und die Gerüche, die man dort antrifft, sind für mich Türöffner für die Kultur eines Landes. Dazu kommt die Geschichte, Kirchen und so weiter. Wenn ich das auf unseren Kreis runterbreche, haben wir Wasser und Märkte, kulinarische Treffpunkte, Museen und Künstlerateliers, Kirchen und eine interessante Historie. Das, worauf ich im Ausland neugierig bin, treffe ich auch in unserem Kreis an. Das Problem ist nur, wenn der Besucher oder Bürger in unserem Kreis etwas sehen und erleben will, muss er viel fahren. Veranstaltungsorte wie das Viehhaus in Segrahn oder das Heubodentheater müssten besser erreichbar sein – zum Beispiel über einen kleinen E-Bus. Dadurch würde die Attraktivität von Kultur im ländlichen Raum gestärkt, zum Beispiel auch für die ältere Generation, wenn ein kleiner Kulturbus zu Verfügung stünde.

KP: Wie wichtig ist Kultur für eine Gesellschaft?

Neemann-Güntner: In einer Welt der Digitalisierung sind Kulturangebote das Salz in der Suppe. Gerade vor dem Hintergrund einer sehr oberflächlichen Betrachtung über soziale Medien halte ich eine Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur für sehr wichtig. Kunst und Kultur sind Balsam für die Seele und der Kitt der Gesellschaft. Deshalb ist es schade, dass das Interesse bei der jüngeren Generation nachlässt. Wir müssen Jugendliche stärker dazu bewegen, sich intensiver mit kulturellen Ereignissen auseinanderzusetzen.

KP: Kommen wir zu Ihnen und Ihren kulturellen Interessen. Auf Ihrer Facebook-Seite habe ich Fotos von der HipHop Academie Hamburg entdeckt. Sind Sie eine Hiphopperin?

Neemann-Güntner: Ich bewege mich sehr gerne und bin oft auf modernen, interessanten Tanzevents wie zum Beispiel nächste Woche auf Kampnagel bei „Romeo und Juliet“ von „The Rock Ballet“.

KP: Was fasziniert sie am Tanz?

Neemann-Güntner: Die Darstellung von Handlungen über Bewegung mit Musik und Fantasie. Es werden Geschichten erzählt, es gibt viele Einblicke in die Kultur eines Landes und durchaus auch Gesellschaftskritik. Die Inszenierungen können auch mal schrill sein, Hip-Hop, klassisches Ballett, Tango oder ein Musical, ich bin da sehr offen und neugierig.

KP: Frau Neemann-Güntner, ich danke für das Gespräch.

*Für die inhaltliche Ausrichtung der Schulen ist das Land Schleswig-Holstein zuständig. Der Kreis kann Baumaßnahmen unterstützen – wie aktuell den Anbau des Berufsbildungszentrums Mölln – oder eigenständige Kulturförderungen wie die Kreismusikschule auf den Weg bringen.

**Barlach GoYoung ist ein Projekt des Ernst Barlach Museums Ratzeburg, in dem junge Menschen Kunst entwickeln und öffentlich präsentieren. Dafür sollen Probleme der Gegenwart mit Blick auf eine nachhaltige Zukunft einbezogen werden.

***Gemeint sind Klaus Schlie, Präsident der Stiftung Herzogtum Lauenburg, und Wolfgang Engelmann, Vizepräsident.

****Das Pegasus-Open-Air-Festival ist eine jährlich von der Kultur-Community der Stiftung Herzogtum Lauenburg organisierte Veranstaltung, bei der diverse Musiker verschiedener Genres wie Pop, Rock oder Hiphop auftreten.

https://kulturportal-herzogtum.de/2020/01/20/gitta-neemann-guentners-kulturtipps-2020/
https://kulturportal-herzogtum.de/2020/01/20/schleswig-holsteins-investitionsprogramm-fuer-freie-kulturszene/
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Virtuosen im Wintersalon

Kein lauwarmes Lüftchen, sondern ein frischer Luftzug – das ist die „Kleine Kulturbrise“, für die Gwendolin Fähser bereits zum fünften Mal ihren Wintersalon (Ritzerau) öffnet. Zum Auftakt spielt dort am Sonntag, 23. Februar, das Duo „Liebertango“ Stücke von Piazolla, Mores und Co. Es folgen Auftritte von „Barocco Blue“ am 29. Februar und der Gastgeberin mit dem Jazzgitarristen James Scholfield am 1. März.

Angel Garcia Arnés und Alfons Bock bilden das Duo „Liebertango“. Im Wintersalon präsentieren sie am Sonntag, 23. Februar, ab 17 Uhr unter anderem Stücke ihres neuen Albums „Diálogos“. Der Name kann durchaus als Programm für die Live-Auftritte des Duos durchgehen. Mit Gitarre und Bandoneon entwickeln sie einen musikalischen Dialog und geben dem Tango eine eigene Note. Hinzu kommen Fingerspitzengefühl und ein Händchen für klangliche Nuancen.

Eine musikalische Begegnung der besonderen Art verspricht am Sonnabend, 29. Februar, der Auftritt von „Barocco Blue“ (Foto). Die drei Musiker lassen die Stimmen ihrer Instrumente miteinander wetteifern und nehmen die dem Barock innewohnende Einladung zur jazzigen Improvisation an. „Barocco Blue“ sind Stefan Back (Saxophon und Klarinette), Gerd Bauder (Bass) und Massoud Godemann (Gitarre, Komposition). Das Konzert beginnt um 20 Uhr.

Jazzige Töne sind auch am Sonntag, 1. März, im Wintersalon zu hören. Der Gitarrist James Scholfield improvisiert zu „Peter Schlemihls wundersamer Geschichte“. Scholfield zeigt dabei seine Vielschichtigkeit und die Fähigkeit, Themen aufzunehmen, zu variieren und überraschende musikalische Räume zu erschließen. Vorgetragen wird die Erzählung von Gastgeberin Gwendolin Fähser. „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ handelt von einem Mann, der seinen Schatten verkauft. Geschrieben hat das Stück der Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso im Jahr 1813. In seinem Text bringt er Romantik, Forschungsdrang und Märchenhaftes zusammen. Kooperationspartner der Veranstaltung ist die Stiftung Herzogtum Lauenburg.

Der Wintersalon liegt zwischen Ritzerau und Duvensee. Er ist umgeben von Wald und Wiesen. Die exakte Anschrift ist Forstgehöft 2, 23896 Ritzerau.

Anmeldung für die Veranstaltungen unter gwen.faehser@posteo.de oder per Telefon unter der Rufnummer 04543-7026.

„Liebertango“, 23. Februar, Wintersalon, Forstgehöft 2, Ritzerau, 17 Uhr

„Barocco Blue“, 29. Februar, Wintersalon, Forstgehöft 2, Ritzerau, 20 Uhr

James Scholfield & Gwendolin Fähser, 1. März, Wintersalon, Forstgehöft 2, Ritzerau, 17 Uhr

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Ausstellungen

„Schluss mit lustig?“

Unter dem Titel „Schluss mit lustig?“ zeigt das Augustinum Aumühle ab Sonnabend, 18. Januar, Karikaturen zum Alter. Die Eröffnung der Schau beginnt um 9 Uhr.

Die Wirklichkeit des Alters ist vielfältig und bunt. Und doch geistern in vielen Köpfen stereotype Vorstellungen vom Alter herum. Sie reichen von absoluter Hilfsbedürftigkeit bis zu extremem Jugendwahn. Es ist also an der Zeit, differenzierte Altersbilder zu zeichnen.

Gelegenheit dazu gab es beim Karikaturenwettbewerb „Schluss mit lustig“, den das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) 2015 ausgeschrieben haben. Aufgerufen wurde dazu, sich in Karikaturen und Cartoons mit den zahlreichen Stereotypen rund um das Alter und das Altern satirisch auseinandersetzen.

Herausgekommen sind karikaturistische Blicke auf das Altern und die Unterschiede zwischen den Generationen, bei denen häufig die Verrücktheiten der schnelllebigen Zeiten mit mildem Spott bedacht werden.

Eine unabhängige Jury wählte aus insgesamt 950 Beiträgen zwölf Preisträgerinnen und Preisträger in vier Themenkategorien aus. Die aus dem Wettbewerb hervorgegangene Reihe von Ausstellungsstücken mit den Werken der Preisträger ist bis zum 16. Februar im Augustinum Aumühle zu sehen.

Schluss mit lustig?“, 18. Januar – 16. Februar, Augustinum, Mühlenweg 1, Aumühle, freier Eintritt

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Vorfahrt für die Jugend

Wortakrobat Kühn bittet zum Wettstreit

Vorhang auf für den beliebten Poetry Slam: Das von der Kultur-Community initiierte Event steigt am kommenden Freitag, 10. Januar, in der Möllner Bogarts.Bar am Delvenauweg 4. Los geht es um 19.30 Uhr.

Das Publikum darf sich auf einen Wortwettstreit mit diversen Teilnehmern freuen. Die Moderation übernimmt Michel Kühn (Assemble Art), der selbst Poetry Slammer ist. Der Wettkampf startet mit einer Vorrunde, in der jeder Teilnehmer dem Publikum einen Beitrag präsentiert. Das Casten für das Finale überstehen in der Regel zwischen drei oder vier Kandidaten. Die Entscheidung, wer das Finale erreicht, trifft eine siebenköpfige Publikumsjury. Im Finale selbst sind dann alle Zuhörer an der Entscheidung beteiligt.

Moderator Kühn ist selbst ein Slammer. 2015 hatte er den Landesmeister-Titel inne. Seine Texte reichen von satirischen Sichtweisen auf die Gesellschaft über pointierte Kurzgedichte und -geschichten bis hin zu geowissenschaftlichen Annäherungen an das Thema Liebe.

Eine Kooperation zwischen der Stiftung Herzogtum Lauenburg und der Bogarts.Bar auf Initiative der Kultur-Community der Stiftung.

Reservierung ist möglich unter Tel. 04542-87000 oder per Mail unter info@stiftung-herzogtum.de.

Poetry Slam, 10. Januar, Bogarts.Bar, Delvenauweg 4, Mölln, 19.30 Uhr

Foto: Uwe Lehmann

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Aus der Stiftung

„In weiter Ferne – ganz nah!“

Autos, Eisenbahnen, Flugzeuge und nicht zuletzt der Computer mit seinen Möglichkeiten, Daten auszutauschen, haben dazu geführt, dass die Welt zusammengerückt ist. Im Jahr 2020 gibt es kaum noch einen Winkel der Welt, der nicht ausgeleuchtet ist oder einen Ort, von dem aus nicht mit Menschen rund um den Erdball kommuniziert wird. Die weite Ferne ist uns ganz nahe geworden. Kunst, Musik, Tanz und Theater sind zumindest theoretisch immer auch global, weil jedes Werk über Fernsehen und Soziale Medien der Menschheit nahegebracht werden kann. Im Jahr 2020 heißt das: Wir können gleichzeitig und ohne große Umstände afrikanische Kunst, amerikanischen Jazz, deutschen Schlager, russisches Ballett und im Netz hochgeladene Videokunst wahrnehmen und für gut befinden. Werke wie Künstler kreisen – ob nun gegenständlich und persönlich oder einfach „nur“ digital – unentwegt um den Planeten. Die Stiftung Herzogtum Lauenburg widmet sich diesem Phänomen 2020 mit dem Jahresthema unter dem Titel „In weiter Ferne – ganz nah!“. Im Zentrum dieser Veranstaltungsreihe steht der Kulturtalk am 27. April, der sich mit der Entwicklung der Kultur im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung befasst. Was kommt da auf uns zu? Wie sieht die kulturelle Welt von morgen aus. Wie lassen sich wichtige Werke der Vergangenheit samt ihren Erkenntnissen und Errungenschaften in die Zukunft hinüberretten und im kollektiven Gedächtnis der Menschen verankern? Mit derlei Fragen setzen sich am Montag, 27. April, im Herrenhaus des Möllner Stadthauptmannshofes Christine Gerberding, Redaktionsleiterin des NDR-Kulturjournals, Astrid Schwabe, Juniorprofessorin für Public History und historisches Lernen im Sachunterricht (Europa-Universität Flensburg) sowie weitere Gäste auseinander. Während Gerberding von Haus aus auf das breite Spektrum der Kultur schauen muss, hat Schwabe spezielle Themenfelder im Blick. Die Wissenschaftlerin war unter anderem an der Konzeption und Entwicklung des virtuellen Museums der deutsch-dänischen Grenzregion beteiligt. Neben dem Kulturtalk veranstaltet die Stiftung Herzogtum Lauenburg im ersten Halbjahr 2020 zweit weitere Events zum Thema „In weiter Ferne – ganz nah!“. Am Freitag, 21. Februar, lädt sie (zusammen mit dem Folkclub Mölln) im Möllner Stadthauptmannshof zu einem „Abend in New York. Past and Present“ ein. Über eine Multi-Media-Performance, die den Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart lenkt, nähern sich drei Künstler Amerikas berühmter Metropole. Die Entertainerin Rachelle Garniez widmet sich im Zusammenspiel mit Eric Della Penna und dem Gitarristen Hazmat Modine dem Sound der Stadt. Dazu streut Ulrich Balß, der Autor des Buches „New York. Past & Present“ Textee und Fotos des Leipziger Buchbinders Theodor Trampler ein. Los geht es um 19.30 Uhr. Von New York führt der Weg dann am Dienstag, 12. Mai, direkt in das Herzogtum Lauenburg. Archivar Christian Lopau zeichnet über Reiseberichte aus dem 18. und 19. Jahrhundert das Bild einer Region, die als Verkehrsknotenpunkt von diversen Pilgern, Händlern und Reisenden durchquert wurde. Im Zentrum seiner Ausführungen steht unter anderem der „Wegeweiser für Fußreisende in der Umgebung von Hamburg“, den ein gewisser James Edward Marston (1771-1855) verfasste. Der Vortrag im Stadthauptmannshof beginnt um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. „Ein Abend in New York. Past and Present“. 21. Februar, Stadthauptmannshof, Hauptstraße 150, Mölln, 19.30 Uhr Kulturtalk, 27. April, Stadthauptmannshof, Hauptstraße 150, Mölln, 19.30 Uhr, freier Eintritt „Zu Besuch im Herzogtum. Historische Reiseberichte“, 12. Mai, Stadthauptmannshof, Hauptstraße 150, Mölln, 19.30 Uhr, freier Eintritt
Programm(e) ohne Ende!
Auf Stauffenbergs Spuren
 
 
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Aus der Stiftung

Auf Stauffenbergs Spuren

Was tut man, wenn um einen herum Willkür und Barbarei regieren? 70 Jahre Grundgesetz und freiheitliche Demokratie haben dazu geführt, dass ein Großteil der Deutschen sich diese Frage bis heute nie stellen musste. Menschen, die ab 1933 die Nazi-Diktatur miterlebten, kamen, sofern sie nicht mit dem Regime sympathisierten, um diese Frage nicht herum. Einige kehrten der Heimat den Rücken, andere zogen sich – wo immer möglich – ins Private zurück, versuchten sich unsichtbar zu machen und die Nazi-Herrschaft irgendwie zu überleben. Eine dritte Gruppe tat etwas Ungeheures: Sie sagte dem Regime den Kampf an.

Dieser Gruppe widmet sich die Stiftung Herzogtum Lauenburg 2020 mit der Reihe „Widerstand im Dritten Reich“. Zum Auftakt spricht Akademieleiter Lothar Obst am Dienstag, 28. April, im Möllner Stadthauptmannshof über die „Weiße Rose“. Deren führende Köpfe waren die Geschwister Hans und Sophie Scholl sowie Alexander Schmorell, Willi Graf und Christoph Probst. Die jungen Leute, die allesamt an der Ludwig-Maximilians-Universität München studierten, verteilten Flugblätter und malten Parolen an Häuser. Zudem bemühten sie sich andere Menschen wie den Universitätsprofessor Kurt Huber für ihre Sache zu gewinnen und suchten darüber hinaus den Kontakt zu weiteren Widerstandsgruppen.

Diesen Mut bezahlten sie – wie auch Huber – am Ende mit ihrem Leben. Die Geschwister Scholl wurden am 18. Februar beim Verteilen eines Flugblattes in der Universität festgenommen. Es folgten weitere Verhaftungen und Schauprozesse vor dem berüchtigten Volksgerichtshof, die mit dem Todesurteil für die Scholls, Schmorell, Graf, Probst und Huber endeten.

Um ein weiteres dramatisches und trauriges Kapitel des deutschen Widerstandes geht es am Sonnabend, 6. Juni, wenn Lothar Obst zur Tagesexkursion nach Berlin lädt. Im Zentrum dieser Fahrt stehen die Ereignisse vom 20. Juli 1944 – der Tag, an dem der Wehrmachtsoffizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Attentat auf Adolf Hitler verübte und die Vertreter des militärischen Widerstandes versuchten die Macht an sich zu reißen. Die Exkursion reflektiert synchronisch die Ereignisse des Tages und sucht dafür Originalschauplätze wie das Wohnhaus von Claus und Berthold Stauffenberg auf.

Wie die Mitglieder der Weißen Rose bezahlten auch die führenden Mitglieder des militärischen Widerstandes ihren Mut mit dem Leben. Das Attentat Stauffenbergs auf Hitler schlug fehl und in der Folge auch der Umsturzversuch.

Wer dieser Claus von Stauffenberg wirklich war, mit dieser Frage befasst sich am Dienstag, 21. Juli, seine Enkelin Sophie von Bechtolsheim im Stadthauptmannshof. Die Historikerin und Buchautorin erzählt unter anderem von Gesprächen mit ihrer Großmutter Nina Stauffenberg, ihren Eltern und anderen Verwandten.

„Die Weiße Rose“, Vortrag, 28. April, Stadthauptmannshof, Hauptstraße 150, Mölln, 19.30 Uhr, freier Eintritt

„Widerstand im Dritten Reich“, Tagesexkursion nach Berlin, 6. Juni, ab Quellenhof, Hindenburgstraße 16, Mölln, 6 Uhr (ZOB 6.15 Uhr)

„Wer war Claus von Stauffenberg wirklich?“, Vortrag, 21. Juli, Stadthauptmannshof, Hauptstraße 150, Mölln, 19.30 Uhr

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Südlich der A24

„Der Jazz verdient mehr Aufmerksamkeit“

Kurz nach dem Jahreswechsel lädt „da capo talento“ unter dem Motto „Talente im Flow“ zum „Norddeutschen Jazzpegel“. Am 4. und 5. Januar geben 19 Musiker in der Maria-Magdalenen-Kirche (Lauenburg) vier kostenlose Konzerte. Kulturportal-Herzogtum.de sprach mit Bernhard Sdun, der den Verein ins Leben rief, über dessen Entstehung, die Rahmenbedingungen von „da capo talento“ sowie über das bevorstehende Festival.

Kulturportal-Herzogtum.de: Herr Sdun, was bedeutet „da capo talento“ überhaupt?

Bernhard Sdun: Das ist Italienisch umgangssprachlich und heißt soviel wie ‚Talent von Anfang an‘. Wir wollen Kinder, Jugendliche und Studenten finden, die selbstbewusst sind und sagen: Ich kann was auf meinem Instrument richtig gut. Ich will Zuschauern zeigen, was ich kann. Lauenburg hat da zum Glück Ressourcen, die es gar nicht nutzen kann. Wir haben Räumlichkeiten wie die Heinrich-Osterwold-Halle, eine denkmalgeschützte und restaurierte Theaterhalle. Hier haben wir die ersten Konzerte kostenlos ausrichten können.

KP: Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. In vielen anderen Orten geht häufig die Klage, dass für die Kultur kein Platz ist.

Sdun: Wir sind hier immer in einer Situation gewesen, dass wir uns frei entwickeln konnten. Es folgten zwei weitere Spielstätten, bis wir schließlich 2018 in der Maria-Magdalenen-Kirche willkommen geheißen wurden. In einer belebten Studentenstadt wie Lüneburg wäre das so einfach nicht vorstellbar.

KP: Die guten Bedingungen machen noch keinen Verein. Wie kam es zur Gründung von „da capo talento“.

Sdun: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass „da capo talento“ heute ein gemeinnütziger, nicht eingetragener Verein ist. Wir sind somit von vielen starren Vorschriften des e.V. entbunden und können spontan agieren und reagieren. Hervorgegangen ist der Verein aus dem Kinderatelier im Künstlerhaus, einer Stipendiatenstätte für Bildende Kunst und Literatur, in dem ich mehrere Jahre im Vorstand gewesen bin. Dort hat sich über das Kinderatelier eine Konzertidee entwickelt. Ich erinnere mich noch an den Auftritt eines zwölfjährigen Cellisten aus Lauenburg. Die Zuhörenden waren zunächst sprachlos und fragten: Wieso hören wir so etwas nicht öfter? In den folgenden drei Jahren mit monatlichen ‚da capo talento‘-Konzerten mit dem Künstlerhaus als Veranstalter wurde mir klar, dass wir uns trennen müssen, wollen wir diese ausgelöste Dynamik nicht abbrechen. Kurz danach wurde der schon erwähnte Verein gegründet.

KP: „da capo talento“ hat seit 2011 zumeist Einzelkonzerte veranstaltet. Vor rund anderthalb Jahren sind Sie dazu übergegangen, Festivals zu veranstalten. Wie kam es dazu?

Sdun: Wir haben beobachtet, dass die Kinder und Jugendlichen sich nicht gegenseitig zuhören. Auch an Hochschulen soll das heute so sein. Man liefert seine Sache ab und bleibt dann weg. Das wollen wir mit unseren Festivals durchbrechen.

KP: Woran liegt das Ihrer Meinung nach, dass sich die Leute nicht zuhören?

Sdun: Ich glaube, es ist ein tiefsitzender Konkurrenzstress bei Eltern wie Kindern. Letztere sind davon oftmals richtig erschöpft und können nicht entspannen. Manchmal liegt es auch daran, dass die Eltern ihre begabten Kinder in den häuslichen Alltag integrieren müssen. Zusätzliche Zeit ist nicht vorhanden. Man hat keine Muße, um zu bleiben und zu hören, was andere Talente leisten.

KP: Inwiefern kann ein Festival das ändern?

Sdun: Es ändert sich, weil die Kinder ohne Wettbewerbsdruck in Ensembles miteinander spielen. Dabei lernen sie selbstverständlich aufeinander zu hören und Spaß aneinander zu entdecken.  

KP: Beim Sommerfestival von „Talente im Flow“ hatten Sie jede Menge klassische Interpreten im Programm. Im Winter kommen Sie nun mit einem „Norddeutschen Jazzpegel“ um die Ecke. Lässt sich das Zusammenspiel im Jazz leichter entwickeln oder warum haben Sie den Schwerpunkt gewechselt?

Sdun: Tatsächlich lässt sich das mit Jazz leichter erreichen. Wir haben außerdem das Glück, dass unser künstlerischer Leiter Martin von Hopffgarten Kinder entdeckt hat, die Jazz spielen, sich dabei entwickeln und selbst produzieren. Der Jazz verdient grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit. Jazz hat es schwerer als beispielsweise die Klassik, die Strukturen des Konzertkonsums sind dort älter und vielfältiger.

KP: Kommen wir auf das Programm zu sprechen. Auf Ihrem Plakat sind gleich mehrere Ensembles abgebildet. Stammen diese Musiker alle aus der Region?

Sdun: Der Großteil der vier Profis und 15 Semiprofis kommt aus dem Kreis, dem benachbarten Kreis Lüneburg in Niedersachsen und vom Hamburger Rand. Das sind Entdeckungen, von denen Martin von Hopffgarten richtig begeistert ist.

KP: Apropos Profis – wie finanzieren Sie die Auftritte, wenn Sie keinen Eintritt nehmen?

Sdun: Wir haben die tolle Situation, dass wir von der Hitlzer-Werft eine Immobilie zum Nießbrauch* bekommen haben und zwei Ferienwohnungen vermieten können. Dadurch können wir uns einen künstlerischen Leiter wie Martin von Hopffgarten sowie Taschengagen und Profigagen leisten. In Bezug auf das Beethovenjubiläum in diesem Jahr wird er anhand der Klaviersonate A-Dur, op. 101 zeigen, wie nah die Musik des späten Beethoven am Jazz liegt. Jeder der Musiker, der im Ensemble zeigt, wie er von Beethoven inspiriert wurde, kann seine Taschengage um 100 Prozent erhöhen. – Martin von Hopffgarten wird im Rahmen des Jazzpegels einen Vortrag über diese Sonate halten und die jazzartigen Ansätze an Beispielen erläutern. Auf dem Festival im September erwarten wir dann die Ergebnisse.

KP: Herr Sdun, ich danke Ihnen für das Gespräch.

*Das „Nießbrauch-Recht“ ermöglicht „da capo talento“ das Vermieten der Immobilie und das Erzielen von Einnahmen, ohne dass der Verein Eigentümer der Wohnung ist.