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1984 erschien im Fischer-Verlag das Buch „Hans Scholl – Sophie Scholl – Briefe und Aufzeichnungen“. Es enthält – wie der Titel verrät – diverse Schreiben sowie einige (Selbst-)Reflexionen. Die Texte zeichnen das Bild zweier junger Menschen, die das Leben lieben und es genießen, dieses Leben mit anderen zu teilen. Sophies Ton ist in den Briefen ein wenig leichter und lockerer als der von Hans. Beide haben hohe Ansprüche an sich selbst. Sophie zweifelt immer mal wieder, diesen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Hans wiederum grübelt gerne über Gott und die Welt. Die Mehrzahl der Briefe und Aufzeichnungen dokumentiert aber vor allem eines: Sophie und Hans Scholl waren jenseits ihrer Arbeit für „Die weiße Rose“ ganz normale junge Leute. Mit all den Sorgen und Hoffnungen, die zu einem jungen Leben dazugehören. Die folgenden Leseproben belegen das:
Sophie Scholl schreibt an ihren Freund Fritz Hartnagel am 24. September 1938 (Unten auch als Sounddatei/eingelesen von Anett Helbig):
Lieber Fritz!
Es ist jetzt Samstag abend 8 Uhr, weiß Du, was das für eine hübsche Zeit ist? Meistens die netteste der ganzen Wochen. Denn ich kann an den morgigen Tag ohne eine Spur unangenehmen Gefühls denken, und an übermorgen zu denken, nein, soweit reichen meine Kräfte nicht.
Hans ist heute auch gekommen, und wir haben nachträglich noch seinen Geburtstag gefeiert, der ganze Abend liegt auch noch vor uns, möglich, daß er bei Annlis verbracht wird. Wir können ja gerade herrlich über unsere Zeit verfügen. Die Woche ist mir ganz rasend schnell vergangen, die Zeit rennt mir unter den Füßen weg, ich bin einfach platt über soviel Unverschämtheit. Ich komme mit meiner Arbeit einfach nicht mit. Das heißt, Arbeit ist wohl ein bißchen falsch ausgedrückt. Aber es wird soviel Zeit unnütz verpläppert. Du tust mir ja auch leid, immer so still liegen, vielleicht kannst Du Dich dafür literarisch weiterbilden.
Wir haben hier noch ganz herrliche Herbsttage, ich gehe oft fort, in den Wald, weißt du, der Illerwald ist im Frühjahr und Herbst am schönsten. Manchmal gehe ich auch mit Oskar zum Paddeln, aber dann bin ich am nächsten Tag immer so mit Schnakenstichen geplagt, daß ich halbe Nächte kratzend verbringe.
Annlis hat gerade telefoniert, ihre Mutter habe Wein und Sekt heraufgeholt, stell dir vor. O, es geht uns noch nicht so schlimm.
Aber eigentlich würde ich den Abend statt bei Annlis viel lieber auf Fahrt verbringen. Ich habe nämlich grade etwas von Inge gelesen, nun habe ich wieder ganz dolles Heimweh. Es ist doch ein Glück, daß wir in den Ferien immer loskönnen. Ich bedaure alle diejenigen, die so etwas nie erlebt haben, aber eigentlich würde ich es ihnen auch gar nicht gönnen. Ich muß gerade dran denken, wie ich mit Inge durch das Moor zog auf der Landstraße, und wir haben die Klampfe herausgeholt und einfach gesungen und uns einen Dreck um die dummen Gesichter der verwunderten Menschheit gekümmert.
Jetzt essen wir zur Nacht, darf ich vielleicht auch einen guten Appetit (?) wünschen?
Ich danke Dir auch für Deinen letzten Brief
Sofie
Hans Scholl schreibt seiner Freundin Rose Nägele am 19. August 1941:
Meine liebe Rose!
Wenn morgen früh kein Brief von Dir da ist, dann weiß ich, daß ich in dieser Woche keinen mehr erhalte. Mußtest Du am letzten Sonntag arbeiten? Die Ernte ist bei Euch doch nicht so schlimm oder irre ich mich. Ach, ich weiß es, die Arbeit hört beim Bauern nie auf, selbst wenn alles eingebracht ist und wenn es wirklich einmal not hätte, zu ruhen und sich am Nichts-Tun zu erfreuen.
Von mir will ich gar nicht viel erzählen, sonst sagst Du nur, der hat leicht reden. Denn ich komme mir fast so vor, als habe ich Ferien. Endlich habe ich Zeit für mich. Ich dafür so dankbar, wie wichtig ist diese Muße doch für unsereinen. Man verödet die Muße ja nicht, sondern man füllt sie aus, man träumt ja nicht (das tue ich nachts sehr viel), sondern man „beschaut“, man denkt nach, liest, lernt.
Die vergangenen Wochen waren für mein Inneres bedeutender als viele vergangene Monate. Ich sehe, wie ich mich allmählich in die Hand bekomme, wie aus vielen Täuschungen und Irrwegen ‚ein‘ Weg wird. Rede ich auch ganz die Wahrheit? Ich fürchte, dass nicht alles so sein wird, wie ich es wünschte.
Jedenfalls habe ich den guten Willen, und ich weiß etwas, das ich früher nicht wußte. Doch davon, wenn ich bei Dir bin (in 14 Tagen oder 3 Wochen. Es ist gegenwärtig sehr schwierig fortzufahren, da der Kommiß alle tut, um uns in München festzuhalten; als ob er einen Nutzen davon hätte!).
Am nächsten Sonntag besucht mich Inge. Kannst nicht auch Du einmal über einen Sonntag hierherfahren? Eve hat uns einen reizenden Brief aus dem Elsaß geschrieben. Wenn sie nicht nachläßt, wird eine gute Erzählerin aus ihr.
Jetzt will auch der Herbst bald zu uns kommen. Die Rosen verblühen schon. Aber noch liegt der schwere Duft des Sommers über allen Gärten; und gäbe es auf der ganzen Welt nur eine einzige, zarte Rose, so wäre ihr Duft stark genug, um mir ein Wegweiser zu ihr zu sein. Wenn alles verblüht, dann verblühst du nicht.
Dein Hans
Foto: wikipedia.org/Gerhard Schuhmacher
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